Hach. Ach.

Anna Kappeler | 
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Schwierige Entscheidung zwischen zwei attraktiven Schaffhausern: Die Bachelorette Adela hat den Personal Trainer Cem gewählt und sich damit gegen den DJ David (rechts) entschieden. Bild: 3 Plus Group

Eine TV-Kritik zum Schaffhauser Final von «Die Bachelorette»

Hach. Ein Paar küsst sich auf einem ­Segelschiff irgendwo auf dem Meer vor Thailand, er hält in der Hand eine Rose, sie sein Gesicht, die untergehende Sonne taucht beide in rotes Licht, dazu erklingt ein Liebeslied. Es folgt eine Nahaufnahme des Paares, das sich noch immer küsst. Schnitt. Dann Gegenschnitt. Der Kuss scheint nicht enden zu wollen. Die Kamera schwenkt um den Bug des Schiffes. Das Paar – ­genau, küsst noch immer.

Das ist zwar dreisteste Montage, die in jeder Sekunde «Das! Ist! Wahre! Liebe! Imfall!» schreit, aber eben auch beste Unterhaltung. Voyeurismus, Drama, Fremdscham und vor allem aber wunderbar absurde und oft unfreiwillige ­Komik sind die Zutaten zum überaus ­erfolgreichen TV-Trash-Spass «Die Bachelorette».

Die Kamera schneidet auf den Zweitplatzierten. Mit starrem Blick beobachtet er die Küssenden. Sein Herz ist «ein bisschen gebrochen», sagt er in die ­Kamera, weil ja, er hätte die letzte Rose und somit die Frau auch gerne bekommen. Leicht sei das alles deshalb nicht für ihn. Immerhin scheint es der Frau in diesem Punkt gleich zu gehen: Sie, eben noch strahlend und küssend mit dem anderen, hat auf einmal Tränen in den Augen. Nun umarmt sie den Verlierer, ein letztes Mal noch. Dann fährt er weg, auf einem kleinen Boot, gen Sonnenuntergang – erhobenen Hauptes, aber halt doch alleine.

Der Schweizer Privatsender 3+ erreicht mit dem aus dem Ausland abgekupferten Format Traumquoten. Realisiert wurden bereits fünf Schweizer «Bachelor»-Staffeln, beim weiblichen Pendant «Bachelorette» ist das gestern ausgestrahlte Finale mit Adela die vierte ­Produktion.

Ob die Bachelorette und ihr Auserwählter tatsächlich ein Paar sind, wird jeweilen erst in einer zusätzlichen Folge eine Woche nach dem Final verraten.

Einige Minuten zuvor sagte Bachelorette Adela in ihrem breiten Baseldeutsch: «Ich habe mich verliebt.» Pause. «Wirgglig verliäbt.» Sie steht im bodenlangen Kleid auf dem Segelschiff, die letzte Rose in der Hand. Ihr gegenüber die beiden Finalisten Cem und David, beide aus Schaffhausen. Wir sehen die Gesichter in Grossaufnahme, nacheinander das von Cem, das von David, das von Adela, angespannte Mienen bei allen dreien, wieder das Gesicht von David, von Cem, von Adela. Dann endlich – stummer Trommelwirbel – vergibt Adela die letzte Rose. An: Cem! Seine Miene verrät nicht viel darüber, wie sehr er sich freut. Doch in die Kamera flötet er: «Ich bin verliebt in Adela, sie ist wirklich eine Hammer-Frau. Sie hat wunderschöne Augen, ich meine, ich könnte da stundenlang reinschauen bei ihr.» Während wir noch darüber nachdenken, wie genau dieses Reinschauen konkret aussehen mag und ob nun Schaffhauser oder Basler Dialekt im Fernsehen schöner klingt, doppelt Adela nach: «Es wird eine ernsthafte Beziehung sein mit Cem.»

Dieser Satz von Adela – so harmlos er klingen mag – hat es in sich. Denn: Ob die Bachelorette und ihr Auserwählter tatsächlich ein Paar sind, wird jeweilen erst in einer zusätzlichen Folge eine Woche nach dem Final verraten. Hat Adela also gerade ihre vertraglich geregelte Stillschweigeklausel gebrochen? Oder – huch – gar gelogen? Wie dem auch sei: Hut ab vor so einem Cliffhanger! Und das erst noch im Final …

Um sich besser für einen der Finalisten entscheiden zu können (!), hat Adela zwei ihrer besten Freunde eingeflogen. Diese müssen Cem und David auf Herz und Nieren prüfen. Und auf Treue. Immerhin: Beide Kandidaten widerstehen den Flirtereien von Adelas Freundin. Sonst jedoch ist die Bilanz der beiden Schaffhauser eher na ja … Personal Trainer Cem, der für eine Königsfamilie in Katar arbeitet, brüstet sich damit, monatlich 3000 Franken für Kleider auszugeben. Und Fitnessmodel David sagt auf die Frage, ob er sich in Adela verliebt habe: «Ich muss zuerst mal mit ihr schlafen.»

Einmal übrigens wird es noch richtig philosophisch: David und Cem verbindet laut Off-Kommentar nämlich eine «wahre Männerfreundschaft». Was das genau ist? Auch das beantwortet der Kommentator gleich selber: «Sie waren Fremde, wurden Freunde, blieben aber immer Gegner.» Das äussert sich dann etwa in Öl-Wrestling- und Armdrück-Sessions, bei denen einem allein beim Zuschauen angst und bang wird. Adela aber offenbar hat das imponiert. Ihre beiden Finalisten nämlich sind für sie «zwei Männer, die all das haben, was sich eine Frau nur wünschen kann». Ach.

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