«Bachelorette» – ein psychologisch cleveres Format
Volksverdummung oder sündige Unterhaltung? Redaktorin Anna Kappeler meint: Die Sendung «Die Bachelorette» befriedigt das Verlangen nach Voyeurismus und Drama.
Momentan vergeht kaum eine Mittagspause mit den Arbeitsgschpänli, in der sich das Gespräch nicht früher oder später um die Sendung «Bachelorette» dreht. Doch warum fasziniert dieses TV-Trash-Spektakel derart? Natürlich, da ist die Schaffhauser Beteiligung mit Cem und David, doch das allein ist es nicht. Auch ist es nicht so – obwohl ich das gerne behaupten würde –, dass ich die Sendung nur mit ironischer Distanz schaue. Natürlich ist es ungemein erheiternd, wenn sich die Kandidaten mit ihren unbeholfenen Aussagen zum x-ten Mal selbst desavouieren, sodass das Gesehene an absurder und unfreiwilliger Situationskomik kaum zu überbieten ist.
Nein: Das Format ist schlicht psychologisch clever. Es bedient das Urbedürfnis, andere Menschen zu beobachten. Und sich danach über sie das Maul zu zerreissen. Dass man diese Menschen dabei auch noch bei ihrem Paarungsverhalten beobachten kann, macht es umso spannender – denn viel intimer geht es nicht. Die Sendung befriedigt das Verlangen nach Voyeurismus, Drama und Fremdscham.
Dazu kommt: Gezeigt werden Charaktere, die polarisieren. Das steigert die Quote. Optisch lassen sich zudem die meisten dem Klischee des muskelbepackten Mackers und der zierlichen Prinzessin zuordnen. Was sagt es über unsere Gesellschaft aus, wenn noch heute solche veralteten Rollenbilder gezeigt werden? Ist das auch 2018 wirklich immer noch Garant für Erfolg? Und warum störe ich mich als emanzipierte Frau nicht daran? Weil hier zwar echte Leute gezeigt werden, aber eben in einer inszenierten Realität.
anna.kappeler@shn.ch