Beruf Feuerwehrmann: «Sowas lässt einen nicht los»

Ralph Denzel | 
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Wir waren zu Besuch bei der Feuerwehr in Schaffhausen

Über 620 Stunden stand die Schaffhauser Feuerwehr dieses Jahr schon im Einsatz. Die Rettungskräfte müssen auf alles vorbereitet sein: Fehlalarm, Tierrettungen, Verletzte und Tote. Trotzdem sagt Kommandant Peter Müller: «Wir sind keine Helden».

Tritt man ins Feuerwehrzentrum, fallen einem zuerst die Feuerwehrdevotionalien auf, die sauber in einer Vitrine aufgereiht sind. Alte Helme, Feuerlöscher – sie bieten einen Kontrast zu dem, was sich im kleinen Durchgang links von einem befindet. Dort ist die moderne Fahrzeughalle, das Herzstück des Feuerwehrzentrums. Das Gebäude ist riesig, hat knapp 100 Meter in der Breite. Darin befinden sich aufgereiht die verschiedenen Einsatzfahrzeuge - für jeden Notfall, bei dem man die Feuerwehr brauchen könnte. Drehleitern, Mannschaftswagen, Kommandowagen – alle bereit, binnen zehn Minuten am Einsatzort zu sein. Das ist die Vorgabe vom Gesetzgeber.

Der Kommandant der Feuerwehr, Peter Müller, sitzt in seinem Büro mit Sicht auf die Fahrzeughalle. An seinem Gürtel hängt ein Funkgerät. Gerade schweigt es. Neben ihm, auf einigen Unterlagen, liegt sein Funkmelder und sein Handy. «Alarmiert wird bei uns per Pager, SMS, Anruf auf das Handy und/oder auf das Festnetz», erklärt er. Handy und Pager steckt er ein, dann beginnt er mit dem Rundgang für uns.

170 freiwillige Feuerwehrleute

Müllers schwere Sicherheitsschuhe hallen laut, während er durch die Feuerwehrhalle geht. Zu jedem Wagen kann er eine Geschichte erzählen – bei der schieren Menge nicht selbstverständlich. «Feuerwehrmann zu werden, war eine Familienangelegenheit», erinnert er sich. «Mein Vater war auch bei der Feuerwehr – und ich wollte unbedingt auch dort hin.» Mit 21 Jahren war es dann bei ihm soweit. Er trat in den aktiven Dienst und ist jetzt seit fünf Jahren Kommandant. Als solcher ist er nicht nur das Sprachrohr zur Politik, sondern auch für insgesamt 170 freiwillige Feuerwehrleute zuständig. Dazu kommen fünf hauptamtlich beschäftigte Personen, die für die Wartung und den Betrieb auf der Wache zuständig sind. «Die Fahrzeuge müssen immer voll einsatzklar sein – und jeder Handgriff muss dokumentiert werden.»

Dass all die Leute gebraucht werden, zeigt sich schnell im Gespräch. «Heute Morgen waren wir erst wieder im Einsatz», sagt Müller fast beiläufig, während er auf ein weiteres Fahrzeug zuhält um es zu erklären. Eine halbe Stunde nach unserem Gespräch sollte es wieder zu einer Alarmierung kommen. Alleine in diesem Jahr war die Schaffhauser Feuerwehr bei 50 Einsätzen fast 627 Stunden im Einsatz - Stand 15. Februar um 9 Uhr.

Beispiel von vor einer Woche: Gegen 1.30 Uhr brannten in Herblingen zwei Personenwagen. Zu Schaden kam zum Glück niemand, aber die Feuerwehr war mit insgesamt 35 Mann vor Ort. Wenn Müller redet, merkt man, dass er auf solche Einsätze mit Herzblut geht. «Es ist immer wieder etwas Neues. Wir wissen nicht, was uns erwartet, wenn der Melder losgeht.» Routine kommt nicht auf. «Jedes Mal ist man nervös – eben weil man nicht weiss, was einen erwarten wird.»

Von Fehlalarm bis zu mehreren Toten

Wenn es ein normaler Brand ist, eine Tierrettung, vielleicht sogar nur ein Fehlalarm – diese Einsätze sind anstrengend, aber sie bleiben kaum in Gedächtnis. Die, die auch bei einem erfahrenen Feuerwehrmann bleiben, sind die, bei denen Menschen betroffen sind. Die Feuerwehr und andere Rettungskräfte begleiten Menschen in den schlimmsten Situationen. So, wie beim Vorfall im vergangenen November, als ein Mann unter einen Zug am Bahnhof geriet

Solche Einsätze sind besonders schlimm für alle Beteiligten, auch für die Feuerwehrleute. «Es kam leider schon oft vor, dass wir nicht mehr helfen konnten.» Dann wird aus einer Rettung eine Bergung, wenn man zum Beispiel einen Menschen aus einem verunfallten Auto schneiden muss. «Das nimmt einen immer mit», sagt der Kommandant ernst.

«Wenn an einem Unfall eine Person beteiligt ist, die man kennt - das lässt einen so leicht nicht los.»

Am schlimmsten sei es, wenn man nicht nur nicht mehr helfen könne, sondern es sich auch um eine Person handle, die man kenne. «Dann ist es besonders schwierig – das lässt einen so leicht nicht los.» Müller selbst habe solche Dinge auch schon erleben müssen.

In solchen Fällen sei es dann besonders wichtig, sich mit den Kollegen und auch mit der Nachsorge auszutauschen. «Ein Gespräch kann da sehr helfen.» Das «Debriefing» findet meistens auch mit anderen Hilfsorganisationen statt. Man darf nicht vergessen: Feuerwehrleute sind in erster Linie Menschen, erst in zweiter Linie Rettungskräfte. Ein Grossteil macht diese Aufgabe freiwillig. Warum? Müller meint: «Viele wollen etwas zurückgeben. Sie sehen das als eine Art Dienst an der Gemeinschaft.»

«Wir sind keine Helden»

Aber Menschen machen Fehler und sie können sich auch überschätzen. Das ist laut Müller jedoch bei ihm zum Glück kaum vorgekommen. «Unsere Leute wissen: Eigenschutz muss immer vorgehen. Wir sind keine Helden.» Daher kam es wohl auch kaum zu schweren Unfällen unter Feuerwehrleuten. «Es kommt vor, dass sich jemand den Fuss verknackst, aber wirklich schwere Verletzungen kamen zum Glück noch nicht vor.»

Gaffer sind immer ein Problem

Aber nicht nur die emotionale Ebene ist hierbei manchmal belastend, auch das Verhalten mancher Personen am Rand des Einsatzes. «Einmal haben Leute versucht uns die Leiter vom Wagen zu klauen», erinnert sich Müller. «Für die ging es einfach nicht schnell genug.» Aber auch das leidige Thema Gaffer kennt der Feuerwehrkommandant zur Genüge. «Es gibt immer wieder Leute, die denken, sie wüssten alles besser. Manchmal werden wir dann sogar bei der Arbeit regelrecht bedrängt.» Trotzdem liebt Müller seinen Beruf. «Es ist immer wieder aussergewöhnlich», sagt er.

Während er sich verabschiedet, arbeitet in einer Werkstatt sein Stellvertreter an Sauerstoffflaschen. Die Gerätschaften müssen jederzeit einwandfrei funktionieren.

Schliesslich verhält es sich bei der Feuerwehr wie bei einer Lebensversicherung: Man hofft, sie nie zu brauchen – wenn es aber soweit ist, ist man froh, sie zu haben.

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