«Ich bin in einer schwierigen Position»

Daniel Jung | 
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«Der Lipo-Park erinnert etwas an das Stadion des FC Chelsea»: Stadtpräsident Peter Neukomm freut sich auf das erste Spiel im neuen Stadion. Bild: Selwyn Hoffmann

In einer heiklen Lage befindet sich Stadtpräsident Peter Neukomm bei der Unter­nehmenssteuerreform III: Er unterstützt das Ja des Stadtrats und kritisiert gleichzeitig den internationalen Steuerwettbewerb.

Im Interview spricht er zudem über das neue Fussballstadion, die Rhybadi und Donald Trump.

Nach dem grossen Wahljahr 2016: Wird die städtische Politik 2017 linker?

Ich glaube nicht, dass das die zentrale Frage ist. Der Stadtrat macht keine Parteipolitik. Wir sind in der Exekutive und primär gewählt, um gemeinsam mehrheitsfähige Lösungen zu finden. Wir sind angehalten, am gleichen Strick zu ziehen. Und: Das neue Mitglied, Katrin Bernath, kommt ja auch nicht aus einer linken Partei, sondern aus der GLP.

Wird sich also nichts verändern?

Ich gehe davon aus, dass gewisse Nuancen in der neuen Legislatur angepasst werden. Es geht dabei aber eher um Akzentverschiebungen als um eine grosse Kurskorrektur. Die Energiepolitik, die Sensibilität für die Umwelt und die Fragen der Nachhaltigkeit werden mehr Gewicht erhalten. Darüber bin ich persönlich sehr glücklich. Katrin Bernath bringt in diesem Bereich viel Know-how mit. Ich freue mich hier auf die Zusammenarbeit mit ihr.

Wird sich die Zusammenarbeit im Gremium verändern?

Wir müssen erst noch sehen, wie sich die Dynamik im neuen Team entwickelt. Ich hoffe, dass nun wieder neue Perspektiven ins Team kommen, weil wieder eine junge Frau mit dabei ist – zum Beispiel bei der ausserfamiliären Kinderbetreuung oder bei der Bildung. Ich habe festgestellt, dass ich nun das einzige Mitglied im Stadtrat bin, das Kinder hat. Neu bin ich nicht nur das amtsälteste Mitglied, sondern auch der einzige Familienvater.

Sie sind nun Präsident, dienstältester Stadtrat, und es gibt wieder eine Mitte-links-Mehrheit: Wird das Regieren für Sie nun einfacher?

Das hängt eben davon ab, wie das neu zusammengesetzte Gremium als Team funktioniert. Es kommt auf die Bereitschaft der einzelnen Personen an, gemeinsam an einem Strick zu ziehen. Urs Hunziker war für mich ein sehr wertvolles Mitglied: Er war der ruhende Pol und half stets mit, gemeinsame Lösungen zu finden. Im neuen Team muss sich das noch einspielen. Ich werde mich aber als «Primus inter Pares» für eine gute Teamentwicklung einsetzen.

Die erste grosse politische Debatte 2017 ist die Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform III. Der Stadtrat empfiehlt ein Ja, das Referendum hat aber die SP ergriffen. Werden Sie hier gegen Ihre Partei kämpfen?

Nein, ich werde mich in dieser Frage nicht stark engagieren. Ich bin in einer schwierigen Position. Generell bin ich kein Freund von Vehikeln zur Steuervermeidung. Weltweit ist es eine schlechte Entwicklung, wenn Unternehmen von Land zu Land ziehen, nur um weniger Steuern zu zahlen. Geht es so weiter, dann tragen diese Unternehmen irgendwann gar nichts mehr bei zu den Aufwendungen der öffentlichen Hand. Sie profitieren aber auch stark von staatlicher Sicherheit, Infrastruktur und Bildung.

Die Zustimmung des Stadtrats zu USR III tragen Sie aber trotz dieser Vorbehalte mit, oder?

Ja, ich stehe zum Entscheid des Stadtrats. Denn wir haben in Schaffhausen eine ganz spezielle Situation. Wir sind in sehr hohem Masse abhängig von Unternehmen, die hier erfolgreich angesiedelt wurden. Sie haben Arbeitsplätze geschaffen und zahlen mehr als die Hälfte unserer Unternehmenssteuern. Es ist daher essenziell, dass wir diesen Unternehmen etwas anbieten können, damit sie hier bleiben. So sind die Realitäten. Wir gehen hier im Gleichschritt mit dem Kanton und können so den Firmen eine gewisse Sicherheit signalisieren.

Was werden Sie auf den Stimmzettel schreiben?

Das weiss ich, sage ich an dieser Stelle aber nicht (lacht).

Im November wurde klar, dass es mit dem Verkauf von zwei Stockwerken des Kammgarn-Westflügels an die Hochschule IUN World nicht klappt. Wie geht es hier weiter?

Das ist eines der wichtigsten Projekte für die Stadt. Hier müssen wir so schnell wie möglich einen Neustart machen. Ich hoffe, dass wir noch im Januar kommunizieren können, wie es hier weitergeht. An den Plänen für die unteren zwei Stockwerke werden wir nichts ändern: Hier sollen die Bibliothek, die Kultur und ein Gastro-Angebot Platz finden. Bei den oberen drei Stockwerke müssen wir die Weichen neu stellen. Die Frage der Zwischennutzung ist dabei sicher auch ein Thema, denn bis zum Baubeginn wird es noch zwei oder drei Jahre dauern.

Im Februar wird der Lipo-Park eröffnet. Reicht das noch mit der Prüfung des Verkehrs- und Sicherheitskonzepts?

Ich hoffe, dass der Zeitplan eingehalten werden kann. Es wird hier extrem eng. Wir können den Bau nur freigeben, wenn die Bedingungen erfüllt sind. Das wissen aber alle Beteiligten.

Werden Sie beim ersten Spiel dabei sein?

Sicher. Der Bau wird für die Zuschauer einiges bieten. Er erinnert mich etwas an die Stamford Bridge, das Stadion des FC Chelsea. Man ist sehr nah dran am Geschehen. Zum Erfolg wird das Stadion aber nur dann, wenn auch guter Sport geboten wird – und das ist aktuell eine grosse Herausforderung. Ich hoffe, dass Murat Yakin der Turnaround gelingen wird.

Die Volksinitiative «Bootsliegeplätze 50:50» kommt 2017 wohl an die Urne. Der Stadtrat empfiehlt hier eine Ablehnung – was wünschen Sie sich?

Als Jurist finde ich, dass so eine Regelung eigentlich nicht in die Verfassung gehört – die Initianten haben aber keine andere Möglichkeit. Das Thema muss noch vom Parlament behandelt werden. Es könnte einen Gegenvorschlag ausarbeiten. Letztlich finde ich es aber gut, wenn das Volk hier entscheiden kann. Ich bin aber nach wie vor der Meinung, dass der stadträtliche Vorschlag ausgewogen ist. Es ist ein Thema, bei dem man es nie allen recht machen kann. Die Unzufriedenheit ist aber ziemlich gleichmässig verteilt. Das ist ein gutes Zeichen.

Wird es 2017 in der Rhybadi eine Sauna geben?

:Wieso nicht? Wir sind dafür offen. Der Standort würde sich gut eignen. Die Rhybadi wird in diesem Jahr sicher ein grosses Thema. Wir werden schon bald einen Vorentscheid fällen bezüglich Konzept und Pächter. Es haben sich gute Leute mit spannenden Ideen beworben. Es braucht sicher wieder eine Identifikationsfigur, welche die Rhybadi verkörpert. Es darf keine anonyme Verwaltung geben.

Blicken wir noch über die Grenzen der Stadt: In zwei Wochen übernimmt Donald Trump die Regierungsgeschäfte in den USA. Was erwarten Sie von Trump?

Ich kann nicht verhehlen, dass ich kein Freund von Donald Trump bin. Seine politischen Statements sind zum Teil sehr schräg, sein Wahlkampf war sehr populistisch. Er ist aber gewählt, und man muss ihm die Chance geben, sich zu bewähren. Hier wird vieles wohl nicht so heiss gegessen, wie es gekocht wurde. Auch er wird mit Realitäten konfrontiert werden – das geht jedem so, der ein Exekutivamt übernimmt.

Sie sind also relativ gelassen.

Es stellt sich schon die Frage, wie viel Schaden er anrichten kann. Aufgrund seines Amtes ist das Gefahrenpotenzial natürlich grösser als bei einem Stadtpräsidenten in der Schweiz. Ich verstehe also auch die Menschen, die aufgrund seines bisherigen Verhaltens besorgt sind. Wir müssen aber aufpassen, aus Europa nicht einfach mit dem Finger auf Trump zu zeigen.

Wieso?

Ähnliche Tendenzen sind auch in Europa sichtbar – wie man Wahlkämpfe führt und miteinander umgeht. In Osteuropa gibt es gewählte Exekutiven, bei denen ich ebenfalls starke Bedenken habe. Ich bin aber überzeugt, dass die westlichen Demokratien das überstehen werden. Viel hängt natürlich von der Entwicklung der Flüchtlingsfrage ab, die so viele Emotionen auslöst. Eine gewisse Sorge ist bei mir also da, aber nicht nur betreffend Herrn Trump und die USA.

Ist die Demokratie auch in Schaffhausen herausgefordert?

In der Schweiz sind unsere Probleme diesbezüglich relativ begrenzt. Gewisse unerfreuliche Entwicklungen gibt es auch hier: Die politischen Auseinandersetzungen sind viel härter geworden. Früher war «Political Correctness» im Umgang miteinander selbstverständlich. Heute wird sie zum Teil mit Füssen getreten. Das sieht man auch in den städtischen und dem kantonalen Parlamenten. Es ist aber an uns Verantwortungsträgern der Exekutive, hier Gegensteuer zu geben und die Ruhe zu bewahren. Wir haben eine Vorbildfunktion.

Bis spätestens März wird die britische Regierung den Brexit einleiten. Ist das eine Chance oder ein Risiko für Schaffhausen?

Das ist noch offen. Ich bin ja auch für die Wirtschaftsförderung zuständig – die Ansiedelung von neuen Unternehmen und Arbeitsplätzen ist ein wichtiger Teil unseres Auftrags. Dass es im letzten Jahr hier mit der UBS geklappt hatte, war eines der grossen Erfolgserlebnisse. Den Brexit beobachten wir genau. Falls sich neue Chancen bieten sollten, dann möchten wir diese nutzen. Die Wirtschaftsförderung hat ihre Fühler jedenfalls ausgestreckt. Viel hängt davon ab, wie das Verhältnis zwischen Grossbritannien und der EU künftig sein wird. Die Unsicherheit, die hier entsteht, könnte für uns ein Vorteil sein.

Sie sagten vor einem Jahr, dass der Stadtrat noch zu stark im operativen Geschäft eingebunden sei. Wurde hier eine Verbesserung erreicht?

(Zögert). Es ist noch nicht zur Zufriedenheit gelöst. Wir sind immer noch in einem Prozess, der wohl eine Daueraufgabe bleibt. Wir haben uns aber vorgenommen, die Stabsleitungen in den Referaten so aufzustellen, dass sich die Stadträte stärker auf die strategischen Fragen fokussieren können. Hier sind wir noch lange nicht am Ziel. Es wird bei uns aber nie so werden wie beim Regierungsrat, wo es Departementssekretäre mit Vollpensen gibt. So ist eine ganz andere Entlastung vom operativen Geschäft möglich. Und über die Pensen reden wir gar nicht: Die Stadträte sind ja eigentlich zu 70 Prozent angestellt. Alle arbeiten aber mindestens 100 Prozent – und mehr. Wir müssen an diesem Thema dranbleiben. Es darf nicht sein, dass wichtige strategische Fragen vernachlässigt werden.

Welche Vorsätze haben Sie für das neue Jahr gefasst?

Wir müssen uns als Arbeitgeber für die Zukunft wappnen. Das ist mir als Personalreferent besonders wichtig. Wir können als Verwaltung nur dann einen guten Job machen, wenn wir als Arbeitgeber konkurrenzfähig bleiben und gute Leute anziehen. Ich möchte unsere Attraktivität als Arbeitgeber noch verbessern. Talentmanagement und Personalentwicklung werden für uns wichtiger, weil wir unseren eigenen Nachwuchs besser nachziehen müssen. Das Rekrutieren von Kaderleuten auf dem Markt wird immer schwieriger und teurer. Und mein Ziel, dass wir jedes Jahr gegen 100 Lehrstellen anbieten können, bleibt auch 2017 aktuell.

Und worauf freuen Sie sich 2017?

Ich freue mich immer dann, wenn sich die Stadt Schaffhausen in einem guten Licht präsentieren kann. Sei es beim Jubiläum zu 150 Jahre Stadttheater oder beim Kongress von Swisspower, wenn alle beteiligten Stadtwerke nach Schaffhausen kommen. Ich freue mich auf das Jazzfestival im Frühling und auf «Stars in Town» im Sommer. Die Ankündigung von Bryan Adams ist natürlich ein absoluter Hammer.

 

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