«Bodytalk» ist in Schulen auf einer Mission

Schaffhauser Nachrichten | 
Lesenswert
Noch keine Kommentare
Workshopleiterin Bettina Gasser regt die Schülerinnen und Schüler dazu an, Schönheitsideale zu hinterfragen. Bild: Melanie Duchene

Am Donnerstag wurde in der Orientierungsschule Neunkirch mit Oberstufenschülern ein Workshop zu Schönheitsidealen und Selbstwahrnehmung durchgeführt. Der Kanton Schaffhausen will so Präventionsarbeit leisten.

von Sonja Dietschi

Laut einer Umfrage der Gesundheitsförderung Schweiz sind rund die Hälfte aller Jugendlichen mit ihrem Äusseren unzufrieden; zwei Drittel der Mädchen wären gerne dünner, über 70 Prozent der Jungen wünschen sich mehr Muskeln. Aufklärung und Austausch sollen die Selbstwahrnehmung von Pubertierenden positiv beeinflussen. Seit knapp einem Jahr subventioniert der Kanton Schaffhausen Workshops des Vereins Fachstelle Pep (Prävention Essstörung Praxisnah) vom Universitätsspital Bern zu diesen Themen. An der Orientierungsschule Neunkirch leitete am Donnerstag Bettina Gasser den «Bodytalk»-Workshop.

«Mein Fokus ist, dass sich alle wohlfühlen können. Nur dann kann Bildung stattfinden.»

Marko Ristic, Klassenlehrer R2

Klassenlehrer Marko Ristic hat seine Klasse dafür angemeldet, nachdem der Wochenbrief der Gesundheitsförderung Schaffhausen über das Angebot informiert hat: «Bisherige Workshops waren immer ein voller Erfolg bei meiner Klasse, sie haben Freude daran, finden es wichtig. Mein Fokus ist, dass sich alle wohlfühlen können. Nur dann kann Bildung überhaupt stattfinden.»

Gleich zu Beginn stellt Gasser eine unangenehme Frage: Was würdet ihr an euch verändern? Es ist nicht überraschend, dass auf diese Frage nicht gleich überbordende Beteiligung folgt. Dennoch äussern sich einige Schüler und Schülerinnen ehrlich dazu: Grösser sein, keine Brille tragen müssen, dünner sein lauten die Antworten. Es fällt auf, dass viele der Komplexe der Jugendlichen von negativen Kommentaren anderer kreiert werden und nicht nur von Instagram und Co.

Unerreichbare Schönheitsideale

Es ist nicht unüblich, dass Schüler Dinge preisgeben, die hellhörig machen und bei der Expertin die Alarmglocken schrillen lassen. Deshalb, so Gasser, sei es ihr wichtig, dass die Lehrpersonen während des Workshops dabei sind. Sie führt danach mit ihnen immer ein Gespräch, bei dem sie auch anspricht, was sie für besorgniserregend hält: «Die Lehrpersonen müssen nach dem Workshop dranbleiben.» Sie müssten auch aufmerksam bleiben, falls die Jugendlichen zusätzliche Unterstützung bräuchten.

«Die Lehrpersonen müssen nach dem Workshop dranbleiben.»

Bettina Gasser Workshopleiterin, Bodytalk Pep Team

Mithilfe von Barbie, Ken und deren menschlichen Pendants aus Zeitschriften hinterfragt Gasser die gängigen Schönheitsideale. Mit einem Video, das zeigt, wie ein Model mithilfe von Make-up und Photoshop verändert wird, will sie illustrieren, wie diese Ideale kreiert werden. Sie zitiert einen Modefotografen, der gesagt haben soll, dass bewusst der Selbstwert des Betrachters heruntergesetzt wird, damit er dem abgebildeten Schönheitsideal nacheifert und die in der Zeitschrift angepriesenen Produkte kauft. Das finden die Schüler «asozial» und «arschig».

Im Workshop geht es aber nicht nur um Äusserlichkeiten, der Fokus wird auch auf das psychische Wohlbefinden gelenkt: «Was braucht ihr, damit euch wohl ist?», fragt Bettina Gasser und «Wie fühlst du dich, wenn du ein Kompliment bekommst?». Die Jugendlichen sollen auch auf einem Blatt Papier Komplimente an eine geliebte Person notieren. Gasser sammelt anschliessend die Anzahl der Komplimente, welche auf Äusserlichkeiten und solche, die auf anderen Qualitäten beruhen. Von 112 Komplimenten beziehen sich nur fünf aufs Äussere.

Der Workshop wollte einerseits dazu anregen, Schönheitsideale kritisch zu hinterfragen und versuchte andererseits zu vermitteln, dass innere Werte und mentale Gesundheit wichtiger sind. Zumindest bei einem Schüler hat es Grosses bewirkt: «Der Workshop hat viel gebracht, ich sehe mich jetzt komplett anders.»

Ist dieser Artikel lesenswert?

Ja
Nein

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren