«Allahu Akbar»-Ruf mit juristischer Folge? Strafanzeige gegen Polizistin eingereicht

Dario Muffler | 
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Die Organisation Linke People-of-Color (PoC) Zürich hat eine Strafanzeige gegen die Polizistin eingereicht, die den Ruf des Mannes mitbekommen hatte und diesen Vorfall anschliessend an die Stadtpolizei rapportierte. Bild: RD

Die Gruppierung Linke People-of-Color Zürich hat eine Strafanzeige gegen eine Polizistin der Schaffhauser Polizei eingereicht.

Es könnte zu einem ­juristischen Nachspiel aufgrund eines Ausspruchs «Allahu Akbar» (Gott ist der Grösste) kommen. Ein Mann aus Schaffhausen wurde deswegen im vergangenen August zu einer Busse verurteilt. Die Organisation Linke People-of-Color (PoC) Zürich hat eine Strafanzeige gegen unbekannt zuhanden der Schaffhauser Staatsanwaltschaft verfasst. Sie richtet sich gegen die Polizistin, die den Ruf des Mannes mitbekommen hatte und diesen Vorfall anschliessend an die Stadtpolizei rapportierte. Vorgeworfen wird der Polizistin, gegen den Rassendiskriminierungsartikel des Strafgesetzbuches verstossen zu haben. «Die Busse wurde allein aufgrund islamophober Vorurteile ausgestellt», sagt Saule Yerkebayeva, Mediensprecherin der PoC Zürich. «Wir setzen uns dafür ein, dass die Grundrechte der Menschen, etwa die Religionsfreiheit, gewahrt werden.»

Auf Missstände hinweisen

Die Zürcher Vereinigung von rund 40 Aktivistinnen und Aktivisten argumentiert, dass der Takbir, wie der arabischsprachige Ausspruch «Allahu Akbar» auch genannt wird, in islamisch geprägten Ländern alltäglich gebraucht werde – auch von der christlichen Bevölkerung, wie Yerkebayeva sagt. Die Verzeigung sei eine Reflexion der Islamophobie der Schweizer Gesellschaft, schreibt die PoC in einer Stellungnahme zur Strafanzeige. «Dass diese Aussage, die nichts Anrüchiges bedeutet, nun gebüsst wird, ist nur der erste Schritt», so die Mediensprecherin. «Was werden die nächsten Schritte sein?»

Mit der Strafanzeige will die PoC die Leute vor allem über die Missstände informieren, die auch in der Schweizer Gesellschaft herrschten. «Ich verstehe, dass die Polizistin den Mann kontrolliert hat», sagt Yerkebayeva. Der Ausspruch sei in der Tat von Terroristen missbraucht worden. «Doch wieso wurde der Mann noch gebüsst, nachdem festgestanden hatte, dass er nichts Illegales getan hat?», fragt sie. «Trotzdem wurde er gebüsst – nur aufgrund von Vorurteilen.»

«Noch keine Anzeige eingetroffen»

Der Erste Staatsanwalt des Kantons Schaffhausen, Peter Sticher, zeigt sich etwas erstaunt. «Bei uns ist keine Strafanzeige eingetroffen», sagt er. «Wenn die Anzeige eintrifft, werden wir diese selbstverständlich prüfen.» Die Strafanzeige würde einem Staatsanwalt zugeteilt, der deren Inhalt und den Sachverhalt überprüfen und dann entscheiden müsste, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird oder nicht.

«Die Busse wurde allein aufgrund von islamophoben Vorurteilen ausgestellt.»

Saule Yerkebayeva, Mediensprecherin Linke PoC Zürich

Wirft man einen Blick ins Strafgesetzbuch, findet man unter dem Artikel 261 den Tatbestand der Rassendiskriminierung. Darunter fällt etwa, wenn jemand öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft, wer öffentlich herabsetzende Ideologien verbreitet, wer Propagandaaktionen organisiert oder daran teilnimmt. Ebenfalls strafbar macht sich, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder auf andere Weise Personen diskriminiert. Auch die Leugnung oder Verharmlosung von Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit fallen unter diesen Tatbestand. Bestraft werden kann eine Person mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.

Aus Sicht des Schaffhauser Rechtsanwalts Dieter Schilling ist keiner der erwähnten Tatbestände erfüllt. «Es ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, wie der Gebüsste durch die Bussenverfügung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabgesetzt worden sein soll», schreibt er auf Anfrage der SN.

In Schaffhausen wurden bisher noch keine Mitarbeiter der Schaffhauser Polizei oder der Stadtpolizei wegen Rassendiskriminierung verurteilt, wie die Verantwortlichen mitteilen. Schweizweit für Aufsehen sorgte der Fall eines Basler Polizisten, der einen Asylbewerber mit «Sauausländer» und «Dreckasylant» beschimpft hatte. Das Bundesgericht sprach den Mann schliesslich frei.

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