Wenn Menschen freiwillig auf viel Besitz verzichten

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Pia Leu hat sich in ihrer Maturaarbeit damit auseinandergesetzt, wie viel Eigentum genug ist. Selbst würde sie vor allem auf ihr Handy nicht verzichten wollen. Bild: Clio Zubler

Materielle Minimalisten versuchen, nicht mehr zu besitzen als nötig. Pia Leu hat für ihre Maturaarbeit einen Selbstversuch gewagt.

Abschlussarbeiten 2017 – Teil 6

Wie viel Hab und Gut man braucht, um glücklich sein zu können

Von Clio Zubler

Es gibt Menschen, die können all ihre Habseligkeiten in einen einzigen Koffer packen. Ganz so weit hat es Pia Leu nicht getrieben. «Ich wollte wissen, wann man genug hat – das kann für jeden aber an einem ganz anderen Punkt der Fall sein», sagt sie. In ihrer Abschlussarbeit hat sie versucht, eine Definition für materiellen Minimalismus zu finden. «Dabei geht es darum, verzichten zu wollen», schreibt sie, Thema sei die Einstellung zum Besitz gewesen.

Um herauszufinden, wie sie persönlich zum materiellen Minimalismus steht, hat sie all ihre Sachen in Kisten verpackt. Nach und nach hat sie benötigte Gegenstände zurück in ihr Zimmer geholt. «Die Situation, in der man quasi noch nichts hat, fühlt sich super an», sagt Leu. Irgendwann sei es aber mühsam geworden, die Sachen immer in den Kisten suchen zu müssen. Dennoch seien das Gefühl der Freiheit und der klare Kopf eindeutig das Beste an ihrem Selbstversuch gewesen.

«Es gibt viele Materialisten»

Im Theorieteil ihrer Maturaarbeit stellt sie sich der komplexen Frage, ob Besitz glücklich macht. Grundsätzlich braucht man natürlich ein Dach über dem Kopf und Nahrung, die Grundbedürfnisse müssen gedeckt sein, insofern haben Menschen in reichen Ländern eine höhere Lebenszufriedenheit als solche in armen Ländern. Des Weiteren drücke man mit Besitz aber auch seine Zugehörigkeit zu einer Gruppe aus und unterstreiche seine Individualität. «Diese Aspekte des Besitzes können schon glücklich machen», sagt die junge Schaffhauserin. Wenn man aber zu viel besitze, was man nicht brauche, also Dinge horte, mache das unglücklich. «Das gilt auch, wenn man sein Glück auf Dauer im Besitz sucht», sagt Leu. «Ich denke schon, dass es viele Materialisten in unserer Gesellschaft gibt.»

Aber in der westlichen Welt sei man auch ständig von Werbung um­geben, meint die Maturandin. «Da wird man automatisch ein bisschen in diese Spur gedrängt.» Dazu gehöre unter anderem auch, andere nach ihrem Besitz zu beurteilen, was bei Jugendlichen ­sogar zu Mobbing führen könne. «Das kann vor allem passieren, wenn man unsicher ist und sich mit Besitz beweisen will», sagt Leu.

Aber was ist denn nun für sie genug? «Wenn meine Grundbedürfnisse gedeckt sind und ich mir ab und zu einen Wunsch erfüllen kann», antwortet die Schülerin bescheiden. Auf die Frage, auf welchen Gegenstand sie nicht verzichten möchte, meint sie: «Es tönt blöd, aber das ist mein Handy. Es wird einfach erwartet, dass man immer erreichbar ist, und es erleichtert den Alltag sehr.» Zudem sind ihr auch Erinnerungsstücke wichtig. «Klar wäre ich traurig, wenn ich die verlieren würde.»

Zur Person: Pia Leu

Alter: 18

Wohnort: Schaffhausen

Nach der Matura: Zwischenjahr

Titel der Maturaarbeit: Materieller Minimalismus

Fachbereich: Deutsch

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