Tunnels: Astra-Studie warnte schon lange
Eine Untersuchung im Auftrag des Bundesamts für Strassen hat schon vor über zehn Jahren auf Probleme mit beschlagenen Scheiben in Tunnels hingewiesen. Ein Problem: Die heutigen Motoren sind zu sauber.
Beschlagene Scheiben: 17 Tunnels sind besonders betroffen, bei 4 laufen Tests
Nicht nur im Fäsenstaubtunnel sind beschlagene Scheiben immer wieder ein Problem. Eine Aufstellung des Bundesamtes für Strassen (Astra) nennt insgesamt 17 Tunnels, davon sind 13 Nationalstrassen. Mit seinen 1460 Metern ist der Fäsenstaubtunnel der kürzeste betroffene Nationalstrassentunnel, der längste ist der Mappo-Morentina-Tunnel im Tessin mit rund 5500 Metern. Wie Radio SRF im August berichtete, sind in drei Tunnels Fühler installiert worden, welche den Taupunkt messen. Drohen beschlagene Scheiben, soll die Tunnellüftung anspringen. Getestet wird dieses System im Leissigentunnel im Berner Oberland, im Eggfluhtunnel im Kanton Baselland und im Vue-des-Alpes-Tunnel im Jura.
Astra-Sprecher Thomas Rohrbach sagt, «technisch lässt sich das Problem mit Taupunktlüftungen zu einem grossen Teil beherrschen. Dies ist aber eine ausserordentlich teure Massnahme, da die gesamte Tunnellüftung umkonstruiert werden muss.»
Neben der Lüftung erprobt das Astra bei einem anderen betroffenen Tunnel, dem Isla-Bella-Tunnel der A13 bei Bonaduz im Kanton Graubünden, ein weiteres System: Dort überwacht ein System die Witterungsbedingungen und weist bei Gefahr mit einer LED-Anzeigetafel darauf hin, die Scheibenwischer einzuschalten. Im Isla-Bella-Tunnel war es in den letzten Jahren immer wieder wegen beschlagener Scheiben zu Unfällen gekommen.
Im Fäsenstaubtunnel war die Lüftung erst im Sommer 2015 erneuert worden; dabei ging es aber um mehr Sicherheit bei einem Brand, nicht um beschlagene Scheiben. Eine Taupunktlüftung oder sonstige Massnahmen sind laut Astra nicht geplant.
Der Fäsenstaubtunnel kommt aus seiner Unfallserie einfach nicht heraus: Nach dem tödlichen Unfall vom vorletzten Samstag hat es am Dienstagabend bereits wieder gekracht – wieder war es ein Auffahrunfall, zum Glück nur mit Leichtverletzten. Ein Chaos in der ganzen Region gab es trotzdem, denn der Tunnel war stundenlang gesperrt. Bei beiden Unfällen ist die Ursache noch nicht bekannt – ausser, dass die Fahrer offensichtlich nicht rechtzeitig bremsen konnten.
Ein Problem, das immer wieder für Unfälle sorgt, ist das Beschlagen der Scheiben. Wer regelmässig durch den Fäsenstaubtunnel fährt, kennt das Phänomen: Bei bestimmten Bedingungen kann die Frontscheibe bei der Einfahrt in den Tunnel von einer Sekunde auf die andere beschlagen. Wenn einer dann vor Schreck auf die Bremse steht und die hinten ebenfalls nichts mehr sehen, kracht es.
«Sicherheitsrelevantes Problem»
Das Bundesamt für Strassen (Astra) sieht in dieser Situation in erster Linie die Fahrer in der Pflicht: Weg vom Gas, Scheibenwischer an, Innenbelüftung einschalten, und genügend Abstand halten, dann passiert nichts.
Doch nicht nur die Autofahrer tragen zum Problem bei, sondern auch die Bauten selbst. Bereits Ende 2004 veröffentlichte das Basler Ingenieurbüro Gruner eine Studie im Auftrag des Astra. Darin sind Ursachen für beschlagene Scheiben und mögliche Massnahmen aufgelistet. Die Scheiben beschlagen, wenn es im Tunnel wärmer ist als draussen und wenn es in der Röhre feucht ist, vor allem bei nasser Fahrbahn. Jedes Auto lässt laut Studie pro Kilometer etwa 50 Gramm Wasser im Tunnel liegen, jeder Lastwagen die fünffache Menge. Die Studie besagt, dass im Schnitt schweizweit insgesamt rund 2000 Fahrzeuge pro Tag von Scheibenbeschlag betroffen seien. Besonders häufig beschlagene Scheiben gebe es in Tunnels ab 1400 Metern Länge mit Gegenverkehr; der zweispurige Fäsenstaub ist mit seinen 1460 Metern also ein Paradebeispiel. Das Beschlagen sei, so die Studie, «ein sicherheitsrelevantes Problem».
Lüftung anstellen hilft am meisten
Was kann gegen beschlagene Scheiben unternommen werden? Ein Ansatzpunkt ist die Lüftung. Am besten ist es, wenn die Luft in der Tunnelmitte abgesaugt wird. Genau eine solche Mittenabsaugung ist im Fäsenstaubtunnel eingebaut. Eine derartige Lüftung sei «für eine Bewältigung des Problems ideal», schreiben die Autoren. Läuft die Anlage, gibt es keinen abrupten Klimawechsel bei der Einfahrt und keine beschlagenen Scheiben.
Doch die Lüftung, dafür gebaut, um bei einem Brand Rauch und im Alltag Abgase aus dem Tunnel zu saugen, ist nicht mehr so häufig in Betrieb wie früher. Moderne Fahrzeuge stossen weniger Schadstoffe aus als ihre Vorgänger, die Lüftung steht deshalb regelmässig still. Umweltfreundliche Motoren, sagt die Studie, seien mit ein Grund, warum es heute mehr beschlagene Scheiben gebe als früher.
Neben der Lüftung schlägt die Studie drei weitere Massnahmen vor: Drohen beschlagene Scheiben, soll das Tempolimit von 80 auf 60 km/h gesenkt werden. Weiter soll eine Warntafel angebracht werden. Schliesslich sollen die Fahrer besser geschult werden. Das alles empfahl die Studie bereits 2004. Passiert ist nichts. Vier Jahres später sprach das Astra laut einem damaligen Bericht in «20 Minuten» erneut davon, bei betroffenen Tunnels Warnlampen und Schilder zu installieren. Bis 2016 ist davon aber nichts definitiv umgesetzt. Das Astra ist immer noch in einer Testphase (siehe Kasten oben).
Der Schaffhauser Regierungspräsident Reto Dubach hat gestern gegenüber Radio Munot eine dringliche Aussprache mit dem Astra und eine Sicherheitsanalyse gefordert. Das Gespräch findet laut Astra morgen statt.