Wann ist ein Mann ein Mann? Auch grosse Jungs (Männer) dürfen weinen

Ralph Denzel | 
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Auch Männer dürfen weinen. Bild: Unsplash

Ich war 2023 wegen einer Depression in einer psychiatrischen Klinik. Dort habe ich ein sehr spannendes Gespräch geführt. So fragte mich eine Mitpatientin irgendwann: «Was hast du deinem Sohn erzählt, wo du gerade bist?» Irritiert schaute ich sie an und erwiderte: «Na, in einer Klinik, weil ich immer so traurig bin.»

Meine Mitpatientin schaute mich noch irritierter an und erwiderte: «Du hast ihm die Wahrheit gesagt?!» - «Natürlich tue ich das.».

Erst später erfuhr ich, warum sie so irritiert war. Mit mir in der Klinik waren viele Väter, die «auf Kur», «im Urlaub», «bei Freunden» oder sonst wo waren, nur schien es mir, als sei ich der Einzige, der gerade in einer Klinik war.

Aber ich glaube, dass dort etwas falsch läuft, weil immer noch bei vielen Männern das Bild vorherrscht, dass man keine Schwäche zeigen darf und erst recht keine Gefühle.

Man könnte jetzt sagen, das dient dazu, die Kinder zu schützen. Aber ich glaube, dass dort etwas falsch läuft, weil immer noch bei vielen Männern das Bild vorherrscht, dass man keine Schwäche zeigen darf und erst recht keine Gefühle. Grosse Jungs weinen nicht. Aber: Mein Sohn bekam doch mit, wie schlecht es seinem Papa ging. Und er verstand sehr wohl, als ich ihm sagte, dass Papa jetzt eine Weile in eine Klinik geht, um dort wieder gesund zu werden, denn er hatte ja gesehen, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war bei mir.

Kinder haben so sensible Antennen, dass es illusorisch ist für uns Eltern dauernd eine Maske zu tragen. Sie merken, wenn Mama oder Papa nicht gut drauf sind, aber verstehen manchmal nicht, warum das so ist. Ich kann zumindest für meinen Junior sprechen: Er würde in solchen Momenten das Gefühl bekommen, dass es an ihm liegt. Ich merke das daran, dass er «überdreht», erst recht versucht mich aufzuheitern, was die Sache manchmal nur schlimmer macht.

Dabei tut es gut, wenn man seine eigenen Gefühle auch offen dem Kind kommuniziert. Es verbessert die Beziehung, denn es macht nahbarer und man zeigt, dass es in Ordnung ist, mal zu weinen und mal traurig zu sein. Und ja, auch Kinder können ungemein Trost spenden.

Bestes Beispiel: Anfang 2023 ging meine Beziehung in die Brüche. Mein Sohn und ich waren mit dieser Frau mehrmals im Urlaub, haben viel miteinander gemacht und erlebt – sie war ein Teil von uns geworden und umso mehr brach mir die Trennung das Herz.

Er fragte: «Hast du weinen müssen?» Ich sagte wahrheitsgemäss: «Ja, sehr oft schon.» Er überlegte und sagte: «Das ist in Ordnung, wenn du das musst.»

Eines Tages ging ich mit meinem Sohn spazieren und erklärte ihm, dass wir diese Frau nicht mehr sehen würden, weil sie sich von mir getrennt hätte. Mein Sohn schaute mich mit grossen Augen an und fragte: «Bist du da traurig?» Ich erwiderte: «Ja, sehr sogar.» Er fragte: «Hast du weinen müssen?» Ich sagte wahrheitsgemäss: «Ja, sehr oft schon.» Er überlegte und sagte: «Das ist in Ordnung, wenn du das musst.» Später am Abend sagte er, dass er jetzt auch traurig sei, da sie nicht mehr da ist. Er hatte sie schliesslich auch auf seine Art und Weise ins Herz geschlossen. So haben wir angefangen zusammen zu heilen.

Wenn er mich fragte, was los ist und mich gerade die Traurigkeit übermannte, sagte ich ihm das offen. Auch wenn ich mir mal eine Träne wegwischen musste, verschwand ich dafür nicht im Bad. Er sah das, ich erklärte es ihm und er verstand, dass diese Gefühle normal sind. Schmerz gehört leider zum Leben dazu und wir können unsere Kinder nicht davor schützen, indem wir so tun, als würde es diesen nicht geben.

Man(n) darf auch mal weinen, wenn man traurig ist. Gefühle sind nichts, was man verstecken muss – ich bin froh, dass das auch bei meinem Sohn angekommen zu sein scheint.

Hier schreibt Ralph:

 

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