Winterferien an der Wärme: Gesunder Genuss oder ökologische Sünde?

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Winterferien an der Wärme: Gesunder Genuss oder ökologische Sünde?

Es ist Ferienzeit: Ihre Ferien im Winter nutzen zahlreiche Schweizer auch für einen Aufenthalt in wärmeren Gefilden: Ist ein Urlaub am Meer zur Winterzeit gut für die Seele oder schlecht fürs ­Gewissen? Im heutigen Pro & Contra kreuzen Mark Liebenberg und Edith Fritschi die Klingen.

Pro

von Mark Liebenberg, Redaktor Region

Fuerteventura: 18 Grad, Sonnenschein. Tel Aviv: 25 Grad, überwiegend sonnig. Dubai: 23 Grad, sonnig. Diese Beispiele zeigen: Man muss im Februar nicht einmal um den halben Globus fliegen, um sich und seine bleichen Glieder, die aufgesprungenen Lippen, die wintermüde Missstimmung und das angeschlagene Immunsystem an einem freundlichen Strand, an milden Lüften und wohligen Temperaturen zu regenerieren. Der winterlichen Starre und Trostlosigkeit, die wie die dichte Nebeldecke über dem Schweizer Mittelland (und dem Gemüt) liegt, für eine Woche zu entfliehen, kann ich wirklich nur empfehlen. Das Intermezzo an einer Wärmetankstelle gerade jetzt im Februar erfrischt Körper und Geist gleichermassen. «Summertime, and the livin’ is easy.» So gestärkt vergeht die Zeit, bis der Frühling sich dann hierzulande hinaustraut, wie im Flug.

Nichts gegen den Winter! Auch der hat seine schönen Seiten. Aber seien wir ehrlich: Er dauert einfach zu lange. Und wenn er sich allmählich verabschiedet hat, dauert es immer noch Monate, bis richtiges Summertime-Feeling auch in unseren Breiten aufkommt, das es in anderen Weltgegenden fast das ganze Jahr in verschwenderischem Ausmass gibt. Wieso sollte die kosmopolitische Selbstverwirklichungsmentalität unseres Zeitalters auch ausgerechnet wegen harmloser Badeferien ­Gewissensbisse kriegen? Wir sind ja alle schier unermüdlich global unterwegs. Der Zweck einer Reise ist dem Klima herzlich egal. Belasten jene Globetrotter, die zum Trekking nach Usbekistan, zum Sprachkurs nach Australien oder zur Ayurveda-Kur nach Südindien fliegen, das Klima etwa weniger? Und sind jene winterlichen Stubenhocker etwa umweltbewusster, die in den hiesigen Sommerferien dann zum Naturerlebnis nach Neusee-, Feuer- oder Island fliegen müssen? Von den Heerscharen von Funktionären, Beamten und Politikern, die regelmässig zu ergebnislosen Klimakonferenzen um die ganze Welt fliegen, ganz zu schweigen. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein …!

Lassen Sie sich Ihren winterlichen Eskapismus von selbst ernannten Umweltaposteln nicht vergällen. Als temporärer Kälteflüchtling aus dem Norden sichern Sie in der Badedestination Ihrer Wahl ausserdem Arbeitsplätze. Das rechtfertigt ­einen winterlichen Flug gen Süden allemal. Und wer dabei trotzdem Gewissensbisse kriegt, kann ja zum Ausgleich im Sommer zu Hause bleiben und am Rhein und in der Badi das «easy livin’» zelebrieren – dann schon zum zweiten Mal im Jahr.

Contra

Von Edith Fritschi, Redaktorin Region

Ab in den Süden – das klingt gut, wenn die Stadt nebelverhangen ist und die Winterdepression sich wieder Raum verschafft. Da packt so mancher gern die Koffer, steigt ins Flugzeug und landet ein paar Stunden später dort, wo die Sonne scheint und der Wintermantel zum überflüssigen Ballast wird. Kurz die Klimazone zu wechseln und sich an Orten zu vergnügen, wo es weder Schnee noch Kälte oder graue Nebelwände gibt – das ist möglich und für fast jeden Normalverdiener erschwinglich.

Doch muss sie wirklich sein, diese Winterflucht in den Sommer ans andere Ende der Welt – oder auf einen anderen Kontinent? Mit einem dreistündigen Flug ist es da nämlich nicht getan. Wer jetzt Sonne pur tanken will, muss schon nach Thailand, Mauritius, Jamaika, Kenia oder Sansibar fliegen. Die Kanaren oder die griechischen Inseln, die in vernünftiger Zeit erreichbar wären, sind jetzt kein Paradies für Sonnenanbeter: zu kühl ist die Luft, zu kalt das Wasser im Februar.

Da bleibe ich lieber im Lande und mache einen Ausflug übers Nebelmeer, auf die Rigi oder den Pilatus, und tanke Sonne und etwas Vitamin D – denn Letzteres braucht der Mensch schliesslich, damit er bei Laune bleibt. Kommt hinzu: Schnee und Regen im Februar gehören zum natürlichen Jahreszeiten-Rhythmus – und es ist besser, ein wenig nasskalte Luft zu atmen, als Sonne in der Ferne zu tanken.

Überhaupt: Wieso anderswo die Hitze suchen, über die man hierzulande im Sommer stöhnt? Warum nicht einfach den vier Jahreszeiten ihren Lauf lassen und auch mal ­einen grauen Tag geniessen? Ich ­plädiere fürs Chillen an Schnee-, ­Regen- und Nebeltagen mit Schirm, Charme und gefütterten Stiefeln. Das Rauschen des Regens kann auch

eine Art Musik sein, und wer sich darauf einlässt, wird selbst der ­Melancholie des Nebels etwas ab­gewinnen. Schliesslich folgen dann andere Tage – und es ist genau die Abwechslung, die das Leben spannend macht. Wer täglich Kaviar ­futtert, wird sich nach Kartoffeln sehnen, und wer immer Sonne hat, wünscht sich sicher einen wilden ­Februar.

Also: kein ewiger Sommer, kein Flug an die Wärme, sondern das Wetter nehmen, wie es kommt. Und wem es wirklich zu trist ist im Nebeltal, kann immer noch den Zug nach Leukerbad nehmen, ins Thermal­becken sitzen, sich im 36 Grad warmen Wasser Schnee auf den Kopf rieseln lassen und dabei auf weiss bedeckte Berge schauen. Da kann der Süden einpacken.

Ihre Meinung ist gefragt:

Wie stehen Sie zu Winterferien im Süden: Umweltsünde oder Balsam für die Seele?

Ohne Sonne zu tanken, überstehe ich den Winter nicht.
(3 Stimmen)
Nein, der Umwelt zu liebe bleibe ich im kalten Winter
(1 Stimmen)
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