Von Schokolade und Smartphones

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Eveline Hipeli wuchs bereits in Rheinau auf und zog nach ihrem Publizistikstudium in Zürich wieder zurück an den Rhein. Bild: zvg

Eveline Hipeli ist Dozentin für Medienbildung und ausserdem selbst Mutter dreier Kinder. Die Rheinauerin hebt im Umgang mit Medien insbesondere die Vorbildfunktion der Eltern hervor: Es brauche mehr Authentizität.

von Niklas Rapold

«Die Nutzer sind die Herausforderung, nicht die Medien allein», sagt Eveline Hipeli. Sie ist Dozentin für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH). Mit dem Fernseher oder einem Videospiel verhalte es sich eigentlich ähnlich wie mit einer Tafel Schokolade, ergänzt sie. Wenn man den eigenen Konsum beziehungsweise als Eltern den des Kindes nicht reguliere, bleibe der Bildschirm halt angestellt und die Schokolade sei im Nu gänzlich verdrückt. «Man muss die Balance zwischen Faszination und noch gesund finden», ergänzt Hipeli. Sie ist selbst Mutter von drei Kindern und wohnt in Rheinau, im Ort ihrer Jugend. Sie habe dann aber das Gefühl gehabt, in die grosse Stadt ziehen zu müssen, erzählt Hipeli. So landete sie in Winterthur. Später wurden Kinder und ein Hausbau zum Thema, damit gewann Rheinau wieder an Attraktivität, «ist ja auch ein schöner Fleck Erde».

Häufig wird bei der Mediendiskussion relativ stark zwischen einem Buch oder dem Fernseher und dem Smartphone unterschieden. Jedoch können laut Hipeli auch Bücher äusserst immersiv (vom lateinischen Wort «immergere» abgeleitet, was «eintauchen» bedeutet) sein. So sei ihre Tochter, obwohl früher eigentlich gar keine grosse Leseratte, kürzlich während dreier Tage nur mit einem dicken «Harry Potter»-Band in der Hand anzutreffen gewesen. «Es ist relativ normal, dass die Reaktion auf Smartphones durch fehlende Vorerfahrungen ungleich kritischer ausfällt. Zudem tragen die Kinder damit einen Kleincomputer mit sich herum», so Hipeli. Man solle nicht vergessen, dass vor einigen Hundert Jahren auch Bücher respektive das Lesen selbst sehr kontrovers behandelt wurden.

Vom Journalismus hin zur Forschung

Hipeli schloss 2001 das neusprachliche Gymnasium in Winterthur ab. Sie habe lange nicht gewusst, wie es weitergehen solle, erzählt sie. Es folgte ein Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaften an der Universität Zürich. Dadurch entdeckte Hipeli ihr grosses Interesse für Medienforschung; schlussendlich verfasste sie ihre Dissertation darüber, wie Jugendliche mit Medien umgehen und erhielt 2012 ihren Doktortitel. Im Anschluss arbeitete Hipeli fünf Jahre lang in der Forschung an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und nahm danach ihre Tätigkeit als Dozentin an der PHZH auf. 2018 gründete sie die Media Guidance GmbH, mit welcher sie Informationsanlässe (wie beispielsweise am kantonalen Elternbildungstag) und Beratungen anbietet.

«Durch die Lebenserfahrung der Eltern können diese ihre Kinder bei vielen Themen mehr begleiten, als sie denken.»

Eveline Hipeli, Dozentin PHZH

Häufig höre sie von Eltern, dass diese keine Medienerziehung machen könnten, da sie zu wenig über Medien wüssten, so Hipeli. Die Vorstellung, als Eltern Tiktok oder ein Videospiel wie «Fortnite» besser kennen und können zu müssen als das Kind, sei falsch, erklärt die Dozentin. «Durch die Lebenserfahrung der Eltern können diese ihre Kinder bei vielen Themen mehr begleiten, als sie denken.» Zusätzlich seien auch gewisse Grundregeln im Umgang mit Medien sinnvoll. «Zehn Minuten Bildschirmzeit pro Altersjahr und Tag gilt als guter Richtwert», so Hipeli. Wenn ein Kind vor dem Kindergarten noch kein Interesse an Bildschirmmedien zeige, sei dies aber überhaupt kein Problem. Im Kindergarten kämen Kinder automatisch mit Medien in Kontakt – einerseits durch die Medienerziehung im Kindergarten, andererseits durch die Gespräche mit Gleichaltrigen über Medienhelden und -figuren.

Für die Eltern sei es vor allem wichtig, ­authentische Vorbilder zu sein, schliesst Hipeli ab. Dazu gehöre insbesondere, sich an die eigenen Regeln zu halten. Wenn also in der Familie das Smartphone beim Znacht als tabu gilt, dann auch für die Erwachsenen. So habe das Kind die Möglichkeit, sich am Vorbild zu orientieren und die Medienregeln der Eltern zu verstehen, für einen Familienalltag, in dem alles Platz habe: Zeit mit Medien – und ohne.

Eltern sollen sich darauf besinnen, was ihre Kinder benötigen

Zum kantonalen Elternbildungstag der Geschäftsstelle Elternbildung des Kantons Zürich fand am vergangenen Samstag eine Onlineveranstaltung unter dem Motto «Stark im Familienalltag» statt. Nach der Begrüssung durch den Geschäftsführer der Bezirke Andelfingen und Winterthur, Martin Wiggli, kam Barbara Bleisch zu Wort.

Die Philosophin und Journalistin begann in ihrem Referat «Eltern werden – Eltern sein» mit dem Kinderwunsch. «Die Elternschaft ist eine extreme Entscheidung», so Bleisch, selbst Mutter zweier Kinder; diese Entscheidung sei unvorsehbar, unumkehrbar und exklusiv. «Was sind denn gute Eltern?», lautete ihre nächste Frage. Die Antwort: Gute Eltern ermöglichten ihrem Kind eine tolle Kindheit, aber bereiteten sie gleichzeitig auf das Erwachsenenleben vor. «Eltern sollten sich darauf zurückbesinnen, was ihre Kinder wirklich benötigen, und sich nicht vom Überangebot erschlagen lassen», sagte Bleisch.

Im weiteren Verlauf der vierstündigen Veranstaltung konnten die Teilnehmenden aus acht Workshops zwei auswählen. Dabei war bei den Workshops für ein breites Spektrum gesorgt: Smartphones, Angst, Mobbing stellten nur einen Teil der Themen dar. (nra)

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