Wo die Problem-Vögel hausen

Ralph Denzel | 
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Wir waren zu Besuch im Taubenschlag am Obertor.

Dem massiven Taubenproblem begegnet Schaffhausen unter anderem mit zwei Taubenschlägen im Oberturm - wir haben diese besucht.

Die alten Steinstufen ziehen sich endlos. «Über 100 dürften es sein», sagt Walter Widmer, der flink vorausgeht und anscheinend keine Mühe damit hat. Kein Wunder, geht er sie doch mehrmals im Monat.

Dort, wo früher auch der Nachtwächter der Stadt residierte, ist heute ein Heim für Tauben entstanden. Der städtische Taubenschlag befindet sich im Turm am Obertor. Vor dort oben aus hat man eine wunderbare Aussicht über die Stadt, sieht den Munot in der Ferne und die unzähligen Dächer. Es hat etwas geschneit an diesem Tag, weswegen man nicht die Hinterlassenschaften der neuen Bewohner des Oberturms sieht - diese sind jedoch zahlreich und ein massives Problem für die Stadt.

Die Aussicht vom Oberturm aus. Bild: Ralph Denzel

Der Raum ist gross und sauber. Eine einzelne Feder huscht über den Boden. Walter Widmer geht nach links, zu einer grossen, gelben Box. Ein paar Mal klopft er fest an die Tür. «Wenn ich das nicht mache, ist hier gleich der ganze Raum voller Tauben», erklärt er.

Tauben sind schon lange ein Problem

Tauben sind in der Stadt Schaffhausen schon lange ein Problem. Auch Widmer, der vor einigen Jahren hierher gezogen ist, erinnert sich: «Als ich hier ankam, gab es die Tiere praktisch überall.» Darum wird die Taubenpopulation seit Anfang der 90er überwacht. Krankheiten wie die Taubenpest liessen die Menge der Tiere zusätzlich fallen. Gab es 1992 knapp 2000 Tiere in der Stadt, waren es nach Ausbruch der Krankheit noch rund 700. Mittlerweile steigt die Population aber wieder und dürfte irgendwo bei 800 Tieren liegen.

Ein Mittel, um die Taubenplage zu verhindern, ist dabei die strenge Bestandskontrolle. Diese findet im Taubenschlag am Oberturm statt. Durchgeführt wird sie von der Impuls-Stiftung (siehe Infobox). «Wir kontrollieren, welche Kästen belegt sind, ob Jungtiere oder Eier da sind und ob es vielleicht auch tote Tiere gab», fasst Widmer die Arbeit zusammen. Er leitet den Arbeitstrupp, der für die Reinigung und Kontrolle der Schläge zuständig sind.

Finden die Arbeiter um Widmer Eier in den Nestern, so werden diese entsorgt. «Geschlüpfte Jungtiere oder Eier, die kurz vor dem Schlüpfen sind, lassen wir natürlich da.»

Er leuchtet mit seinem Handy die kleinen Kästen ab, in denen die Tiere nisten können. «Derzeit sind nicht sehr viele hier», stellt er fest. Das erkennt er daran, ob in den Nistplätzen frischer Kot zu finden ist. «Man merkt schon, dass die Zahl zurückgegangen ist.» Seiner Meinung nach liegt es daran, dass die Menschen «die Tiere nicht mehr füttern.»

Das dürfte ganz im Sinne der Stadt sein, die erst kürzlich mit einer Kampagne auf das Taubenproblem aufmerksam gemacht und auch daran erinnert hat, dass es verboten ist, die Tiere in der Altstadt zu füttern.

Mit diesen Plakaten erinnert die Stadt an das Fütter-Verbot. Bild: Selwyn Hoffmann

Früher wurde auch zu drastischeren Massnahmen gegriffen: So wurde den Tieren lange Zeit eine Art Anti-Babypille verabreicht. «Die wurde den Tieren ins Futter gemischt», erinnert sich Widmer. «Das machen wir heute aber nicht mehr.»

Er schliesst den einen Taubenschlag, geht zu dem auf der anderen Seite. Wieder klopft er fest an die Tür. Eine Taube huscht gerade durch die kleine Öffnung am Boden und fliegt hinaus, als er die Tür öffnet. Er blickt sich um. «Heute sind aber sehr wenig hier», murmelt Widmer irgendwann. Normalerweise seien die Kästen gut besucht, heute jedoch findet er nur ein paar frische Kotspuren.

«Es geht um das Wohl der Tiere»

Dann verschliesst er auch diesen Taubenschlag wieder.

«Bei der Kontrolle geht es auch um das Wohl der Tiere», erklärt er. Tauben haben in der Stadt so gut wie keine Feinde. Ausserdem können sie sich durch das Überangebot von Futter massiv vermehren. «Das fördert Krankheiten.» Eine Überpopulation ist aber auch gefährlich für die Jungtiere. Gibt es zu viele Tauben und zu wenig Platz, weichen die Eltern oft auf ungeeignete Nistplätze aus – mit schlimmen Folgen für ihre Küken. Nur knapp die Hälfte von ihnen überlebt, der Rest stirbt an Unterkühlung, Parasiten oder wird von Mäusen gefressen.

Zudem sind die Krankheiten nicht nur für die Tiere gefährlich: So können Tauben auch Viren, Bakterien und Pilze in sich tragen, die auch für den Menschen gefährlich werden können.

Auch darum ist Walter Widmer mit seinen Leuten immer wieder dort oben, kontrolliert, protokolliert und kümmert sich. Die Schläge werden mindestens einmal im Monat komplett gereinigt und die Tiere versorgt.

Der Weg runter fällt dann um Einiges leichter als hinauf. Draussen, auf dem Fronwagplatz, gurren einige Tauben und wandern neugierig um die Parkbänke herum. Die Tiere scheinen zu wissen, dass dort die Chance auf Futter höher ist als anderswo. Plötzlich, wie auf ein stilles Kommando, starten sie und fliegen in Richtung Obertor.

Sie scheinen zu ahnen, dass dies ein Platz für sie ist.

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