Nach Kritik an Löwennummer: «Wir machen alles für diese Tiere»

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Eine Zirkusvorstellung inklusive Raubtiershow, das gibt es eigentlich nicht mehr - ausser beim Circus Royal. Direktor Oliver Skreinig über Tierschutz, Fliegenklatschen und Inländervorrang.

von Alexa Scherrer und Kay Uehlinger

Manege frei – gestern und heute gastiert der Circus Royal auf der Burgunwiese in Neuhausen am Rheinfall. «Frei» - das ist allerdings wohl kaum das erste Adjektiv, das einem in den Sinn kommt, wenn man an den Circus Royal denkt. Und das gleich in doppelter Hinsicht.

Einerseits hat Zirkusdirektor Oliver Skreinig bewegte Monate hinter sich. Der Tod seines ehemaligen Lebens-und Geschäftspartners Peter Gasser, der Konkurs der Circus Royal Betriebs GmbH, eine damit zusammenhängende Strafuntersuchung der Thurgauer Staatsanwaltschaft, die Neugründung der Circus Royal GmbH, der Knatsch mit Mike Shiva, der den Zirkus während der Tournee verlassen hat. Die jetzige Tournee «Wir sind Circus» ist dem verstorbenen Gasser gewidmet – was ihm am Herzen lag und was für ihn Zirkus ausmachte, ist in der Manege wieder zu sehen. Auch zwei braune und ein weisses Löwenweibchen. Noch 2018 verzichtete der Zirkus auf die Nummer. Denn auch die Raubkatzen sind nicht frei – zumindest ist das Kernpunkt der heftigen Kritik von Tierschützern und Teilen der Gesellschaft. Nicht in Gefangenschaft halten und schon gar nicht im Zirkus vorführen, soll man solche Wildtiere. Warum macht sich Oliver Skreinig das Leben mit der Wiederbelebung der Löwennummer zusätzlich schwer? «Die Tiere sind existent, die Tiere leben. Und nur weil es eine kleine Gruppe von Menschen gibt, der das nicht passt, wäre es unverantwortlich, solche Tiere zu töten. Man kann sie nicht einfach entsorgen», sagt er im Gespräch mit shn.ch.

Das Publikum, das den Auftritt bisher gesehen habe, finde ihn «sehr, sehr gut». Es sei keine Show, bei der die Tiere dazu gezwungen würden, durch einen brennenden Reifen zu springen – die Nummer sei auf einer Vertrauensbasis aufgebaut und zeige dem Publikum, wie «sinnvolle Beschäftigung von Tieren in menschlicher Obhut» aussehe. «Wir sind sehr darauf bedacht, dass es den Tieren bei uns gut geht. Wir machen alles für diese Tiere», sagt Skreinig.

Der Zirkusdirektor verteidigt sowohl die Tierhaltung im Zirkus als Ganzes als auch die Löwennummer im Speziellen vehement. «Peter Gasser war einer der ersten Tierschützer, die die Schweiz wirklich hatte», sagt er. Er habe schon in den 70er Jahren mit aktivem Tierschutz begonnen, «als noch kein Mensch über Tierschutz nachgedacht hat». Unter Gassers Regime seien sogar Fliegenklatschen im ganzen Zirkus verboten gewesen. Man sei sich der Kritik und der Verantwortung bewusst – und man werde sich ihr auch in Zukunft stellen. Ob die Löwen auch bei der nächsten Tournee wieder dabei sein werden? Man werde sehen. «Eine Zusammenarbeit» mit der englischen Dompteur-Familie Lacey werde es aber sicher geben.

Und wie wirkt sich der Rummel um die Raubtiernummer auf den Publikumsandrang aus? An der gestrigen Nachmittagsvorstellung blieben viele Sitze leer (siehe Text unten). Noch vor der Premiere in Neuhausen sagt Skreinig, man sei mit dem bisherigen Ticketverkauf «eigentlich zufrieden». Allerdings mache das Wetter dem Zirkus einen Strich durch die Rechnung. «Wir hatten noch nie solch starke Orkanstürme zu Tourneebeginn wie in den vergangenen Tagen. Ich bin seit 22 Jahren beim Circus Royal und wir haben wegen eines drohenden Sturms noch nie eine Vorstellung abgesagt – und 2019 sind es bereits fünf.» Ab Windgeschwindigkeiten von 80 km/h müsse das Zelt für die Öffentlichkeit gesperrt werden.

Ein weiteres Problem für Skreinig: Der Inländervorrang. «Das ist für uns ganz schlimm», sagt er. Der Zirkus kämpfen mit Gesetzen, die für Betriebe gemacht worden seien, die sesshaft sind. Der Circus Royal aber sei abhängig von Artisten, die es auf der ganzen Welt nur in geringer Zahl gebe. «Es ist sehr schwierig, wenn man zuerst monatelang nachweisen muss, dass es in der Schweiz oder in einem EU-Land nun mal keinen Handstandartisten gibt, der auf dem Kopf eines anderen balancierend, die Treppe hoch – und runtergehen kann.» Von der Truppe, die inklusive Aufbauer, Chauffeure, Betreuer und Artisten normalerweise 120 Personen umfasse, würden ihm aktuell etwa 50 fehlen – vor allem im Zeltaufbau. «Die Bürokratie ist der Tod des Zirkus», sagt Skreinig.

Der Circus Royal spielt sein Programm am heutigen Mittwoch um 15 Uhr erneut auf der Burgunwiese in Neuhausen. Danach gehts nach Aarau.

Kritik zur Vorstellung: Viel Aufwand für kurze Löwennummer

Der Circus Royal gastiert derzeit mit seiner Löwen-Nummer in Neuhausen. Bild: Selwyn Hoffmann

von Saskia Baumgartner

Der Circus Royal ist mit seiner neuen Tournee seit Wochen in den Schlagzeilen. Weil er erneut mit drei Löwen auftritt. Weil Tierschützer die Nummer scharf kritisieren. Dennoch scheinen die Raubkatzen in Neuhausen nicht allzu viele Menschen zu interessieren.

Zumindest zur gestrigen Premiere am Nachmittag auf der Burgunwiese erschienen nur rund 40 Gäste. Nicht mal ein Zehntel der Plätze im Zelt ist besetzt, als die Show beginnt. Das Publikum erlebt zunächst ein paar typische Zirkusnummern wie Jonglage. Werden das eine Mal klassisch und gekonnt Bälle und Keulen in die Luft geworfen, sind es das andere Mal brennende Reifen und Fussbälle – was durchaus interessant ist. Dann kommt der Aufritt von Oliver Skreinig, mit Kamelen und Pferden. Die Kamele wollten dem Zirkus­direktor ein, zwei Mal nicht so recht gehorchen. Möglicherweise liegt es daran, dass sie seine Befehle einfach nicht hören ­können.

Techno in der Manege

Denn vor allem in der ersten Hälfte der Show setzt man auf einen zu lauten und gewöhnungsbedürftigen Mix aus Zirkusband und Elektronikklängen. Mag sein, dass der übersteuerte Sound dem wohl erst kurz vor der Zeltöffnung beendeten Aufbau geschuldet ist. Die Gäste wurden erst ein paar Minuten nach 15 Uhr eingelassen, zuvor war aus dem Inneren noch Gehämmer zu hören gewesen. In der zweiten Hälfte jedenfalls werden die Töne zumindest etwas leiser, wodurch das Können der Band und der Sängerin besser zur Geltung kommt.

Löwinnen machen Männchen

Nach rund einer Stunde ist Pause. Die ­Eltern kaufen den Kindern vor dem Zelt Popcorn, die Zirkusmitarbeiter nehmen drinnen einen grossen Umbau vor. Für die Löwennummer wird eine Viertelstunde lang eine Gitter- und Netzkonstruktion aufgebaut. Und dann ist es so weit: Direktor Skreinig verkündet, dass Eltern auf ihre Kinder acht geben sollen. «Bleiben Sie während der Raubtierdarbietung auf Ihren Plätzen!» Langsamen Schrittes kommen die drei Löwinnen, darunter eine weisse, in die Manege. Dompteur Thomas Lacey lässt sie auf Podeste springen und Männchen machen. Eine Löwin darf noch kurz mit Lacey kuscheln, dann ist die Nummer schon vorbei. Und die Gitter müssen wieder abgebaut werden, was erneut einige Zeit in Anspruch nimmt. Zumindest die Kinder stört das aber kaum, werden zur Überbrückung doch riesige Wasserbälle ins Publikum geworfen, was ihnen grossen Spass bereitet. Der Schaffhauser Kantonstierarzt Peter Uehlinger hat den Auftritt der Raubkatzen, die aus dem Circus Krone in München stammen, übrigens im Vorfeld bewilligt.

Wesentlich mehr Präsenzzeit als die Löwinnen bekommt – leider – der Clown Alan Rossi, der sich unter anderem einen Spass daraus macht, Ballone unter sein T-Shirt zu stecken (haha, Busen) und bei einem eigenwilligen «Dinner for One»-Remake Spaghetti ins Publikum zu werfen.

Der eigentliche Höhepunkt der Vorstellung kommt zum Schluss. Das Duo Hermanos Acero aus Kolumbien zeigt nicht nur Hand-auf-Hand-Akrobatik. Zeitweise jongliert der eine Artist den anderen gar Kopf auf Kopf. Beeindruckend.

Das Duo Hermanos Acero aus Kolumbien war der Höhepunkt der Circus-Royal-Vorstellung. Bild: Selwyn Hoffmann

Auch wenn manche Programmpunkte kurzweilig sind und die Artisten trotz kleinem Publikum professionell auftreten, so ist das Urteil eines Zuschauers nach der Show doch treffend. Dieser meint beim Verlassen des Zirkuszelts: «Ich hab schon Besseres gesehen.»

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