Wie das Blei aus dem Boden geholt wird

Maria Gerhard | 
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Wie viele Gemeinden im Kanton muss auch Neuhausen seine Schiessanlagen von Altlasten befreien. Derzeit wird die Schiessanlage Langriet saniert. Die SN waren zu Besuch auf der Baustelle.

So viel Feinarbeit würde man so einem riesigen, dröhnenden Bagger kaum zutrauen: Aber die Befreiung der Schiessanlage Langriet von Altlasten bedeutet tatsächlich Millimeterarbeit. Hat die Maschine eine dünne Schicht Erdreich abgetragen, tritt Ingenieur Balz Solenthaler hinzu und misst mit seinem Röntgenfluoreszenz-Spektrometer den Bleigehalt im Erdreich. Der schwarze Kasten sieht in etwa so aus wie ein Handscanner an einer Supermarktkasse. Der Vorsteher der Baustelle muss lachen, als er den ratlosen Blick von Fotograf und Journalistin sieht. Deshalb erläutert er sein Vorgehen: «Das Gerät schickt Röntgenstrahlen aus, diese treffen auf das Element Blei und bringen es zum Schwingen. So entstehen Wellen, deren Länge wiederum das Spektrometer misst.»

«Keine Gefahr für Mensch und Tier»

Die Röntgenstrahlen gehen dabei nur wenige Millimeter tief ins Erdreich. An den am meist belasteten Stellen – etwa direkt hinter den Schiessscheiben – werden Werte von 50 000 Milligramm Blei pro Kilogramm Erdreich gemessen. Toleriert wird aber – wird die Schiessanlage weiter genutzt – nur ein Wert unter 1000 Milligramm Blei pro Kilogramm Erdreich. Und soll die Fläche wieder landwirtschaftlichen Zwecken dienen, sind es sogar unter 200 Milligramm Blei pro Kilogramm Erdreich. «In diesem Bereich besteht für Mensch und Tier keine Gefahr mehr», sagt Geografin Marie-Claire Schug von der Magma AG in Schaffhausen. Die Firma hat die Voruntersuchung der Schiessanlagen durchgeführt und ist aktuell mit der Bauleitung der Sanierungsarbeiten betraut.

Gebiet nahe Kugelfang auch belastet

Wird der Wert an einer Stelle jedoch weiter überschritten, muss der Bagger so lange Erdreich abtragen, bis Solenthaler grünes Licht gibt. Es geht aber nicht nur um die Erdwälle, auch das Gebiet bis zu zehn Meter links und zehn Meter rechts der Kugelfänge wird geprüft. Trifft nämlich ein Geschoss auf, wird aufgrund der Reibung feines Bleipulver freigesetzt, das sich verbreiten kann. Ausserdem rosten die einzelnen Kugeln im Laufe der Jahre und zersetzen sich.

Die Befreiung der Schiess­anlage Langriet von Altlasten bedeutet Millimeterarbeit.

«Das vorsichtige Abtragen lohnt sich», sagt Schug. Die Entsorgung sei schliesslich teuer. Je nach Belastung muss das Material speziell entsorgt werden. Fällt es etwa unter «sehr stark belastet», geht es in die Bodenwaschanlage der Kibag in Regensdorf. Ist es weniger belastet, dann wird es unter anderem nach Gächlingen zu Deponie Pflumm gebracht.

Im Langriet wurden so die Kugelfänge sämtlicher Schiessanlagen nach Altlasten durchforstet. Wobei die 100-Meter-Anlage nach der Sanierung stillgelegt wurde. Eine Distanz, auf die in der Regel heute nicht mehr geschossen wird. Bei den ver- bleibenden Schiessanlagen wird nun der Oberboden wieder aufgeschüttet. Die Schiessstände werden nach Angaben des Bundes neu ausgestattet, unter anderem mit Kugelfangkästen. Ein eidgenössischer Schiessoffizier wird die Anlage schliesslich abnehmen, bevor sie wieder in Betrieb geht. Als Nächstes wird die Schiessanlage beim Schützenhaus saniert.

Jährlich kommen 200 Tonnen dazu

Laut dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) gibt es rund 4000 Schiessanlagen in der Schweiz, welche im Kataster der belasteten Standorte eingetragen sind. Die Anlagen enthalten insgesamt mehrere Zehntausend Tonnen Blei und andere Schwermetalle. Jedes Jahr gelangen zudem etwa 200 Tonnen zusätzliches Blei in die Kugelfänge. Schiessen verursacht laut dem Bafu damit den grössten Eintrag von Blei in die Umwelt, mehr als doppelt so viel wie Verkehr, Industrie und Gewerbe zusammen.

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