Lehrermangel: Projektgruppe sucht Lösungen

Elena Stojkova | 
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Es komme oft vor, dass die Stellen zwar besetzt werden können, die Lehrpersonen nach einem Jahr aber wieder kündigen, heisst es vonseiten Lehrerverein. Bild: Key

Wie kann dem Lehrermangel im Kanton Schaffhausen entgegengewirkt werden? Das Erziehungsdepartement hat eine Projektgruppe ins Leben gerufen, die diese Frage beantworten soll. Einer der Vorschläge lautet: weniger Unterrichtsstunden bei vollem Lohn für Junglehrer.

Wenn Anfang Jahr jeweils noch Dutzende Stellen für das kommende Schuljahr offen sind, ist das Thema Lehrermangel üblicherweise besonders präsent. Mit Stolz verkünde man kurz vor den Sommerferien jeweils, dass alle Stellen besetzt werden konnten, sagt Roman Staude vom Lehrerverein Schaffhausen. «Aber man sagt nicht, wie sie besetzt wurden.» Wenn man genau hinschaue, merke man oft: Die eingestellten Personen haben nicht selten kein adäquates Lehrdiplom – oder wurden aus der Pension zurückgeholt. «Dann laufen schnell wieder viele Teams am Anschlag. Und es ist nicht mehr so erfreulich wie auf den ersten Blick.» Immerhin scheine man endlich eingesehen zu haben, dass der Lehrermangel ein längerfristiges, wiederkehrendes Problem sei. Nicht nur in Schaffhausen.

Der Markt sei ausgetrocknet, sagt Staude. Es sei Zeit, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die Löhne seien dabei nur ein Aspekt, wenn auch ein wichtiger. «Es kommt oft vor, dass man Stellen besetzt, die Lehrpersonen aber nach einem Jahr wieder kündigen. Die Gründe für diese Kündigungen sind vielfältig.»

«Über den Tellerrand schauen»

Das Erziehungsdepartement des Kantons Schaffhausen hat vor kurzem eine Projektgruppe ins Leben gerufen. Im letzten Monat hat sie sich erstmals zusammengesetzt: dabei sind Vertreterinnen und Vertreter der Stufen- und Fachkonferenzen, des Lehrervereins, des Schulleiterverbands, der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen (PHSH) sowie einzelne Schulbehörden. Ziel ist, herauszufiltern, wo Potenzial besteht, um die Rahmenbedingungen im Lehrberuf attraktiver und konkurrenzfähiger zu gestalten. Es gehe dabei um die Verbesserung der Anstellungs-, Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen, sagt Ruth Marxer, Dienststellenleiterin Primar- und Sekundarstufe I beim Erziehungsdepartement. Viele Ideen seien im ersten Workshop im April eingebracht, viele Bedürfnisse ausgesprochen worden. Diese Woche soll bereits das zweite Treffen stattfinden. «Wir sind daran, die Ideen zu analysieren und zu ordnen», sagt Marxer. Die Ideen seien sehr vielfältig, zum Teil fantasievoll und innovativ. «Wir wollen bewusst auch über den Tellerrand schauen.»

«Nur mit dem Finger zu schnippen reicht nicht aus.»

Ruth Marxer, Dienststellenleiterin Primar- und Sekundarstufe I

Massnahmen, die das Schulgesetz betreffen, benötigten mehr Zeit: «Was mittel- und langfristig möglich ist, wird sich zeigen.» Massnahmen auf Verordnungsstufe seien kurzfristiger realisierbar. Zu früh sei es, um die Ideen zu kommunizieren, erste Ergebnisse sollen aber voraussichtlich anfangs Juni veröffentlicht werden. «Mögliche Handlungsfelder müssen erst sauber abgeklärt werden. Nur mit dem Finger zu schnippen reicht nicht aus.»

Burnout oder schlechte Qualität

Staude verrät eine Idee, die der Lehrerverein in die Projektgruppe eingebracht hat: Der Verein schlägt vor, Junglehrpersonen zu entlasten. «Den Hauptaufwand haben Lehrpersonen am Anfang ihrer Karriere, wenn sie noch kein Unterrichtsmaterial angehäuft und wenig Erfahrungen mit Klassenführung haben.» Konkret würde das bedeuten, dass das Pflichtpensum heruntergeschraubt wird, Junglehrpersonen für zwei, drei Jahre also 100 Prozent Lohn ausbezahlt bekommen, aber ein bisschen weniger als 100 Prozent arbeiten würden. «Mit gutem Gewissen können Junglehrpersonen nicht mit einem 100-Prozent-Pensum in den Beruf einsteigen», sagt Staude. «Sonst brennen sie aus oder machen ihre Arbeit nicht gut.»

Pädagogische Hochschule prüft Studiengang für Quereinsteiger

Jedes Jahr im Januar gibt es an der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen (PHSH) eine Kontaktveranstaltung, bei der die Studierenden mit Schaffhauser Schulleitungen und Schulvorständen in Verbindung treten können. Früher sei es so gewesen, dass die Studentinnen und Studenten sich bei den Schulen anpreisen mussten, sagt PHSH-Rektorin Gerda Buhl. «Heute werben die Schulen um unsere Abgängerinnen und Abgänger.»

44 Studierende haben letztes Jahr ihren Abschluss an der PHSH gemacht. Das Interesse an der Ausbildung sei in den letzten Jahren konstant. «Wir würden gern noch mehr Lehrpersonen ausbilden. Wir hätten noch Kapazität», sagt Buhl. Wie viele das Studium dieses Jahr antreten werden, wird erst Anfang Juni bekannt – bis dahin kann man sich noch anmelden.

Etwa die Hälfte der 44 Abgängerinnen und Abgänger hat im Kanton Schaffhausen mit dem Unterrichten begonnen. «Wir haben nicht nur Studierende aus Schaffhausen, sondern auch aus anderen Kantonen», sagt Buhl. Diese bleiben nach dem Studium selten hier. Dass auch Schaffhauserinnen und Schaffhauser aus dem Kanton weggehen, das seien persönliche Entscheidungen, auch die Löhne würden dabei vermutlich eine Rolle spielen. «Wir haben grosses Interesse daran, unsere Studierenden für unseren Kanton auszubilden.» Die Praktika absolvieren die angehenden Lehrpersonen deshalb auch in den Schaffhauser Gemeinden.

Image aufpolieren

In vielen Fällen würden die Abgängerinnen und Abgänger dort unterrichten wollen, wo sie vorher gute Erfahrungen im Praktikum gesammelt haben, sagt Buhl. «Je mehr Praxisschulen mit Praxislehrpersonen wir haben, desto besser.» Das Team, die Schule mit ihrer Ausstattung kennenlernen – das schaffe Verbindungen.

«Es müsste mehr Möglichkeiten geben, im Lehrerberuf zu schnuppern.»

Gerda Buhl, Rektorin Pädagogische Hochschule

Buhl war selbst Oberstufenlehrerin und sagt: Sie würde den Beruf wieder wählen. «Es gibt nicht viele Berufe, die so vielseitig sind. Man begleitet Kinder bei ihrer Entwicklung und kann gleichzeitig seine kreative, sportliche oder naturwissenschaftliche Ader ausleben.» Zwar habe man als Lehrperson eine grosse Verantwortung. «Aber auch viel Freiraum und Gestaltungsmöglichkeiten.» Das Image des Lehrerberufs in der Öffentlichkeit müsste noch positiver werden, damit mehr Menschen sich für den Beruf entscheiden, sagt Buhl. Aber wie? «Es müsste mehr Möglichkeiten geben, im Lehrerberuf zu schnuppern, so kann ein realistisches Bild des Berufes in der heutigen Zeit gewonnen werden.» Diese Möglichkeit haben beispielsweise die jungen Frauen und Männer der Fachmittelschule, mit der die PHSH stetig in Kontakt steht. Wer als Schwerpunkt Pädagogik und Psychologie gewählt hat, absolviert sein Praktikum oft im Schulbereich. «Es wäre schön, wenn ein Unterrichtspraktikum auch bei den anderen Schwerpunkten möglich wäre.»

An der PHSH gibt es im Moment noch keinen Quereinsteiger-Studiengang. Der Quereinstieg bedeutet, dass Personen, die bereits ein Studium abgeschlossen haben, in einer verkürzten Zeit die Unterrichtsberechtigung erlangen könnten. «Wir prüfen gerade, wie dies an der PHSH möglich werden kann.» Was bereits sicher ist: Die PHSH wird ab dem nächsten Jahr einen Weiterbildungsstudiengang für angehende Schulleiterinnen und Schulleiter anbieten. (est)

Angebote für Wiedereinsteiger gefordert

Auch der Kanton Zürich hat Mühe, die Stellen an der Volksschule zu besetzen. Der anhaltend hohe Zuwachs bei den Schülerzahlen und ein genereller Fachkräftemangel würden zu einer angespannten Situation auf dem Stellenmarkt führen, heisst es in einer Mitteilung der Bildungsdirektion. Man rechnet im nächsten Schuljahr mit 100 zusätzlichen Klassen – die Fluchtbewegung aus der Ukraine ist darin nicht eingerechnet.

Die Schulgemeinden erhalten deshalb die Möglichkeit, Lehrpersonen anzustellen, die nicht über die üblichen erforderlichen Zulassungen verfügen. Diese Anstellungen sind auf ein Jahr befristet. Ausserdem würden laufend weitere Ausbildungsplätze geschaffen. Bisherige Massnahmen würden weitergeführt: eine individuelle Erhöhung der Pensen, verlängerte Anstellungen über das Pensionsalter hinaus und ein aktives Rekrutierungsmanagement von Wiedereinsteigenden.

Bern und Zürich machen es vor

Letzteres Thema greift auch GLP-Kantonsrat René Schmidt in einer Kleinen Anfrage auf. «Ohne Zweifel besteht in der Volksschule nach wie vor ein gravierender Lehrpersonenmangel, und zwar auf allen Stufen und in allen Fachbereichen», schreibt er. Wichtig fände er, dass vermehrt ehemalige Lehrpersonen zum Wiedereinstieg in den Lehrberuf motiviert werden könnten. Erfahrungen von den Pädagogischen Hochschulen in Bern und Zürich würden zeigen, dass dies sinnvoll sei. Vom Regierungsrat möchte er wissen, ob es in Schaffhausen bereits Angebote für Wiedereinsteiger gibt und ob er bereit ist, diese zu forcieren. (est)

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Kommentare (1)

Beat Rüedi-Külling Di 17.05.2022 - 08:47

Am Lohn kanns ja nicht liegen - der Lehrermangel herrscht auch im Kanton Zureich.

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