Als ein grausamer Mord die Schaffhauser die Todesstrafe wieder einführen liess

Daniel Zinser | 
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Die berühmte Schaffhauser Guillotine, mit welcher in der Schweiz alle Todesurteile nach der Wiedereinführung der Todesstrafe durchgeführt worden sind. Bild: ZHB Luzern Sondersammlung.

Ein brutaler Dreifachmord in Löhnigen erschütterte im Jahr 1892 den ganzen Kanton Schaffhausen so stark, dass die Stimmbevölkerung nur ein Jahr später die Todesstrafe wieder einführte.

Die Vorgeschichte 

Wer früher eine Straftat beging und dabei erwischt wurde, der musste um sein Leben fürchten. Der Tod durch das Richtschwert war bis 1847 auch in Schaffhausen ein beliebtes Mittel, Straftäter zu bestrafen. So wurde am 23. Juli 1847 der Löhninger Johannes Schilling durch das Schwert gerichtet, nachdem er seiner Frau Arsen in die «Tünne» eingebacken hatte und diese daran starb. Nachdem Stadtforstmeister Hermann Stocker 1863 auf brutalste Art und Weise ermordet wurde, schaffte sich der Kanton Schaffhausen für rund 2000 Franken eine Guillotine an. Bevor diese aber zum Einsatz kam, verbot die Bundesverfassung von 1874 aber die Todesstrafe. Zahlreiche grausame Verbrechen führten aber bald dazu, dass in verschiedenen Kantonen durch Volkspetitionen der Ruf nach der Todesstrafe anschwoll. Dem Volkswille wurde Rechnung getragen. 1879, also nur fünf Jahre nach dem ersten Verbot, wurde den Kantonen erlaubt, die Todesstrafe wieder einzuführen. In Schaffhausen sah man dafür vorerst aber keinen Grund. Bis zur Nacht auf den 22. August 1892. 

Eine grausame Tat erschüttert Schaffhausen

Es war diese Nacht auf den 22. August 1892, als sich der Gabelmacher Sebastian Walter zusammen mit seiner Frau und dem Kleinkind wie gewohnt zur Nachtruhe niederlegte, wie die SN damals berichteten. Nichtsahnend von den bösen Plänen der Gebrüder Müller. Diese konnten ihren Hass gegenüber dem Gabelmacher nicht länger zurückhalten. Als alles ruhig war, stiegen der Sattler Jakob und der Metzger (der Vorname dieses Müller-Bruders ist nicht überliefert - im Folgenden «der Metzger») in das Haus ein, während der Wagner Kaspar draussen Wache hielt. Als das Opfer durch den Lärm aufschreckte und sich aufmachte, nachzuschauen, wurde er von Jakob Müller mit einem Hammer so hart niedergeschlagen, dass es ihm «den Schädel spaltete und er mit einem leisen Seufzer tot zu Boden fiel». Die Frau des Gabelmachers, durch die schreckliche Tat aufgewacht, stürzte in die Stube davon, wo sie vom Metzger ebenfalls mit einem Hammer angegriffen wurde. Mit letzter Kraft öffnete sie das Fenster, wurde aber beim Versuch nach Hilfe zu rufen vom dritten Bruder niedergeschlagen. Doch damit war die blutige Tat der Brüder noch nicht zu Ende, wie dem SN-Bericht zu entnehmen ist. Sie nahmen «das laut atmende Kleinkind» aus seiner Wiege neben dem Ehebett und warfen dieses unter die Matratze, wo es erstickte. Danach verliessen die Mörder das Haus, bevor sie der Nachbar und Bruder des Opfers bemerkte.

Folgenschwere Konsequenzen

Die Befürworter der Todesstrafe erhielten durch den grausamen Mord in Löhningen, der in der Region wochenlang ein grosses Thema war, Nährstoff für ihre Argumentation. An vorderster Front kämpfte damals mit Hermann Freuler der Chefredaktor der «Schaffhauser Nachrichten» und Gründer der Kanti-Verbindung «Scaphusia» für die Todesstrafe. Die entscheidende Initiative lancierte aber ein gewisser I. Surbeck aus Oberhallau. Unterschrieben wurde die Initiative von 1626 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. So kam es, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe am 13. März 1893, nur gerade acht Monate nach der grausamen Tat in Löhningen, zum Traktandum im Schaffhauser Kantonsrat wurde. Die Ratsmitglieder stritten heftig und debattierten lange. Sie entschieden sich aber schlussendlich dafür, dem Volk den Initiativvorschlag zur Annahme zu empfehlen. Das Abstimmungsresultat vom 11. April 1893 überraschte dann jedoch in seiner Deutlichkeit alle in unserem Kanton. 4920 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sagten an der Urne JA zur Wiedereinführung der Todesstrafe. Nur gerade 1116 wollten die Vorlage verhindern. In Löhningen fand die Vorlage sogar nur vier einsame Gegner. 137 der 141 gültigen Stimmen forderten die Todesstrafe.

Das Abstimmungsresultat vom 11. April 1983 war mehr als deutlich. Bild: SN 12 April 1893

Und so stand die Todesstrafe wieder wie folgt im Schaffhauser Strafgesetz:

Wer einen Andern auf rechtswirdrige Weise absichtlich des Lebens beraubt und entweder den Entschluss mit Vorbedacht dazu gefasst, oder das Verbrechen mit Überlegung ausgeführt hat, ist des Mordes schuldig… … der Mord wird mit dem Tode bestraft… …Die Todesstrafe wird durch Enthauptung mit dem Fallbeil in geschlossenem Raume vollzogen.

 

Ein Gesetz, welches nur auf Papier existierte

Die Todesstrafe war also wieder eingeführt, die Guillotine stand bereit. Nun fehlte also nur noch das Urteil. Dieses liess jedoch auf sich warten. Die beiden Haupttäter im Mordfall von Löhningen kamen mit einer lebenslangen Haftstrafe davon, da Schaffhausen zum Zeitpunkt der Tat noch keine gesetzliche Grundlage für ein Todesurteil hatte. Erst 1920 wurde die Bestrafung durch Tod wieder ein Thema. Ein gewisser Roi Ramel hatte ein Jahr zuvor ein zehnjähriges Mädchen brutal erwürgt und erstochen, nachdem dieses ihm in den Wald folgte. Das Obergericht verurteilte den bei den Verhandlungen bereits 87-jährigen Mann zum Tode durch die Guillotine. Schliesslich musste sich aber noch der Kantonsrat mit dem ausgesprochene Todesurteil beschäftigen. Damit dieses rechtskräftig geworden wäre, hätte der Rat dasselbe mit einer Zweidrittelmehrheit bestätigen müssen. Ein Kantonsrat Frauenfelder bat um Milde für den zum Tode verurteilten, mit der Begründung, dass seit fast hundert Jahren kein Todesurteil in Schaffhausen vollstreckt wurde. Sein Kollege Tanner aus Oberhallau trat für die Bestätigung des Urteils an. Er sei dabeigewesen, als das Kind gefunden wurde. Zum Schluss stimmte der Rat aber mit 41 zu 30 Stimmen gegen das Todesurteil und die Strafe für Roi Ramel wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe umgewandelt.

Weitere 22 Jahre später wird die Todesstrafe mit dem neuen Schweizer Strafgesetz, für welches 54 Prozent der Schweizer Bevölkerung stimmte, definitiv und für immer abgeschafft. In Schaffhausen war die Todesstrafe seit dem erstmaligen Verbot weitere 50 Jahre gesetzlich erlaubt. Vollstreckt wurde die lebensendende Strafe jedoch nie.

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