Umnutzung des Klosterviertels ist Chance und grosse Herausforderung

Daniel Jung | 
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Ein Rundgang mit den SN durch das Klosterviertel in der Schaffhauser Altstadt: Zwischen Fundbüro (links) und Gefängnis (rechts) stehen Christian Wäckerlin (links), Präsident des Schaffhauser Architektur Forums, und die zwei Schaffhauser Architekten Urs Kick (hofer.kick architekten) und Roland Hofer

Durch den Auszug von Polizei, Gefängnis und Strassenverkehrsamt könnte in der Altstadt ein wichtiges Areal bald neue Bedeutung erhalten.

Daniel Jung (Text) Michael Kessler (Bilder)

Ab 2025 könnte das Klosterviertel in der Stadt Schaffhausen einer neuen Nutzung zugeführt werden. Das Gebiet, das sich zwischen Regierungsgebäude und Kammgarn-Westflügel befindet, ist rund 8100 Quadratmeter gross, und es gehört dem Kanton Schaffhausen.

«Es ist ein spannendes Areal, das man in der Öffentlichkeit nicht gut kennt», sagt Christian Wäckerlin, Präsident des Schaffhauser Architektur Forums (Scharf) bei einem Rundgang mit den SN. Nur wer zum Fundbüro, zum Schalter der Polizei oder zum Gefängnis geht, betritt das Areal vom Norden her. Der Hof des Strassenverkehrs-amts im Süden, der ebenfalls zum Areal gehört, ist dagegen bekannter. Und fast gar niemand kennt den dritten grossen Platz des Areals – den Spazierhof des kantonalen Gefängnisses.

8100

Quadratmeter beträgt die Fläche des Klosterviertels in der Altstadt. Es gehört zu den ältesten Quartieren der Stadt Schaffhausen und grenzt unmittelbar an das Kloster Allerheiligen, das im Jahr 1049 gestiftet wurde.

Wäckerlin weist darauf hin, dass das Klosterviertel keinesfalls das einzige Altstadtareal mit Änderungspotenzial ist. «Mit der geplanten Überbauung im Ringkengässchen oder der Entwicklung der Kammgarn befindet sich in der südlichen Altstadt eigentlich ein ganzer Gürtel in einem Umwandlungsprozess», sagt der Berufsschuldozent. Und in Zusammenhang mit den anderen Projekten sei es wichtig, von Anfang an die Zugänge, Verbindungen und öffentlichen Räume zwischen den Arealen zu definieren. «Es sind die Aussenräume, die eine Stadt ausmachen», sagt der Schaffhauser Architekt Roland Hofer.

Was verändert werden dürfte

Die Möglichkeiten im Klosterviertel wurden bereits vertieft analysiert. Ein Teil der Gebäude ist denkmalgeschützt, andere könnten durch Neubauten ersetzt werden. In der Vorlage des Regierungsrats zum Polizei- und Sicherheitszentrum werden drei Teile des Gebiets unterschieden (siehe Grafik Seite 15).

  1. Die historische Häuserzeile beim Fundbüro der Schaffhauser Polizei: Diese Gebäude sind schutzwürdig und auf jeden Fall zu erhalten. Zu dieser Zeile gehören das Gebäude Beckenstube 1 (Neue Abtei, wo das Fundbüro ist), daran angrenzend die Klosterstrasse 19 (Bindhaus) sowie das Doppelhaus Klosterstrasse 15/17.
  2. Das Gebäude des kantonalen Gefängnisses: In der Vorlage heisst es, das Gefängnis könnte rückgebaut werden, «falls dadurch eine substanziell verbesserte Gesamtlösung ermöglicht wird». Grundsätzlich hat das Gefängnis aber eine gewisse historische Bedeutung.
  3. Klar für einen Rückbau zur Disposition stehen die Gebäude der Polizei und des Strassenverkehrsamts, die rund um einen Hof angeordnet sind. In der Vorlage gibt es hier die Einschränkung, dass diese teilweise vom Volumen her oder vom Fassadenausdruck erhaltenswert sind.

Vorschlag Gefängnishotel

In der Vorlage ist bereits ein mögliches Szenario für die künftige Nutzung des Klosterviertels angedacht. Im obersten Teil, wo sich heute Parkplätze der Verwaltung und eine Wiese beim Regierungsgebäude befinden, könnte ein parkartiger, öffentlich zugänglicher Hof entstehen. Der mittlere Teil rund ums Gefängnis könnte halböffentlich genutzt werden. In der Vorlage heisst es: «Als Nutzung für die öffentlichen und halböffentlichen Bereiche sind Gastronomien mit Gartenwirtschaften und in den Mauern des Gefängnisses ein einfaches, aber stimmungsvolles Hotel denkbar.»

Im Gefängnis könnte gemäss Vorlage ein einfaches, aber stimmungsvolles Hotel entstehen.
Das Gebäude könnte aber auch umgebaut oder abgerissen werden,
wenn dadurch eine klar verbesserte Gesamtlösung möglich würde.

Im untersten Teil rund um den heutigen Hof des Strassenverkehrsamts könnten Neubauten für verdichtetes Wohnen entstehen. Dieser Bereich könnte ganz neu gestaltet werden. Neben Wohnungen wären in den Erdgeschossen auch Gewerbenutzungen denkbar. Ebenfalls könnte hier eine grosse Garage mit rund 100 unterirdischen Stellplätzen entstehen.

Zu früh für Nutzungsentscheid

Der Schaffhauser Architekt Urs Kick erklärt, dass es heute eigentlich noch zu früh sei, um über die künftigen Nutzungen der Gebäude auf dem Klosterareal zu sprechen. Er sagt: «Unsere Zeit krankt an der Unverzüglichkeit.» Es sei für die weitere Entwicklung nicht positiv, wenn die öffentliche Hand schon zu Beginn eines Prozesses zu viele Vorgaben mache – und so die Kreativität einschränke.

Die gelb markierte Häuserzeile muss aufgrund des Denkmalschutzes erhalten bleiben.
Das Gefängnis (rot) könnte rückgebaut werden, falls dadurch eine klare Verbesserung erzielt würde.
Die blau markierten Gebäude können abgerissen werden. GRAFIK GIS KANTON SH / SN

Einer gastronomischen Nutzung des Klosterviertels mit Gastwirtschaften und Gefängnishotel stehen die drei Architekturfachleute eher kritisch gegenüber. Einerseits, weil derzeit an mehreren anderen Orten in der Stadt über neue Gastroangebote nachgedacht wird – etwa im Stadthausgeviert oder im Kammgarn-Westflügel. Andererseits zweifelt Wäckerlin etwa daran, dass das Gefängnis als Hotel langfristig attraktiv wäre. «Wir haben mit einer Schulklasse in Luzern das ‹Jail-Hotel› besichtigt, und die Stimmung dort war eher bedrückend», sagt er. Das Luzerner Gefängnishotel wurde vor rund einem Jahr dauerhaft geschlossen.

Zwischennutzung planen

Roland Hofer würde es begrüssen, wenn zunächst eine Zwischennutzung geplant würde: «Sobald die Polizei das Gebäude verlässt, können die Büros von jemand anderem genutzt werden», sagt er. So könne man die Zeit gewinnen, die es braucht, um eine sinnvolle Nutzung für die Zukunft aufzugleisen. Auch könne so das Risiko, dass die Liegenschaften über längere Zeit leer stehen, minimiert werden.

Im Vergleich zur Kammgarn-West, wo für die derzeitige Zwischennutzung auch gewisse bauliche Anpassungen nötig sind, sei eine Zwischennutzung der Räumlichkeiten der Polizei und des Strassenverkehrsamts direkt nach dem Auszug der Institutionen möglich. «Die Büros sind dann praktisch bezugsbereit», sagt Wäckerlin. Es sei wichtig, zu Zwischennutzungen mutig ja zu sagen.

«Man denkt, es sei wie beim Staubsaugen – einmal durch und dann ist sauber.»

Christian Wäckerlin Der Scharf-Präsident über falsche Vorstellungen von Arealentwicklungen.

Zentral sei es dabei, dass der Kanton für potenzielle Mieter einen attraktiven Mietpreis anbiete. Im Vergleich zu langjährigen Leerständen – wie sie etwa im Stadthausgeviert Tatsache sind – sei eine günstige Vermietung aber viel attraktiver, weil so bisweilen auch neue Nutzungen als Experiment erprobt werden könnten. «Das hat sich etwa auf dem Sulzerareal in Winterthur gezeigt», sagt Hofer. Dort waren gewisse Zwischennutzungen so erfolgreich, dass sie langfristig geblieben sind.

Wenn man früh eine Zwischennutzung einplane, könne man der langfristigen Nutzung geduldig und gelassen entgegenblicken, ist auch Urs Kick überzeugt. Dies wirke sich oft auch positiv auf die Qualität der Architektur aus.

In der Politik gebe es den Irrglauben, dass man komplexe Arealentwicklungen in einem Durchgang erledigen und als Geschäft abschliessen könne, kritisiert Wäckerlin. «Man denkt, es sei wie beim Staubsaugen – einmal durch und dann ist sauber», sagt er. In der Realität funktioniere dies aber nicht so. Tatsächlich sei eine Umnutzung meistens ein schrittweises, tastendes Vorgehen.

Urs Kick plädiert dafür, die verschiedenen Teile des Areals von verschiedenen Parteien entwickeln zu lassen. Zwar müsse man sich auf gewisse Grundlagen einigen. Jedoch solle etwa das Gefängnis von jemandem entwickelt werden, der dafür eine gute Idee habe. «Man braucht hier keine Angst zu haben vor Kontrollverlust», sagt Kick. Es sei nicht nötig, das ganze Areal aus einer Hand zu entwickeln.

Poröse Ränder

«Die Durchlässigkeit ist ein wichtiges Thema», sagt Roland Hofer. Ziel müsse es sein, dass es künftig Fusswege durch das Areal gebe. Dies mache den städtischen Charakter aus. Beim Klosterviertel sei es wichtig, bei dieser Frage speziell auch die Entwicklung im Kammgarnareal zu berücksichtigen. «Die Ränder sollten poröse sein», betont Urs Kick. Nur durch Brüche und Vielfalt werde ein Stadtquartier nachhaltig belebt.

Wäckerlin warnt davor, bei der Entwicklung des Klosterviertels nur auf die Rendite zu schauen. «Man darf auch Geld ausgeben für einen Nutzen, der sich nicht in Einnahmen widerspiegelt», sagt er. Eine Aufwertung der Stadt sei der Bevölkerung auch etwas wert. «Dafür dürfen Stadt und Kanton Geld ausgeben.»

Die öffentliche Hand müsse das Klosterviertel aber nicht unbedingt selber entwickeln, sagt Roland Hauser. «Wichtig ist, dass sie die Rahmenbedingungen bestimmt und nicht einfach die Verantwortung abgibt.»

Verkauf oder Baurechtsvergabe

Zuständig für den Entscheid über die Entwicklung im Klosterviertel ist der Schaffhauser Kantonsrat. Er entscheidet auch, ob die Grundstücke und Immobilien verkauft oder im Baurecht abgegeben werden sollen. Dieser Beschluss ist grundsätzlich nicht referendumsfähig, da es sich hierbei um Anlagen im Finanzvermögen des Kantons handeln wird. Der Rat könnte höchstens freiwillig eine Volksabstimmung darüber beschliessen. Zunächst wird der Regierungsrat eine separate Vorlage zum Klosterviertel erarbeiten, falls das Volk ja sagt zu den Bauprojekten im Herblingertal.

Blick von Süden in den Hof der Schaffhauser Polizei und des Strassenverkehrsamts:
Diese Gebäude könnten durch Neubauten ersetzt werden.
In diesem südlichen Teil des Klosterviertels wäre künftig eine Wohnnutzung denkbar.

Für die Entwicklungsarbeiten und die Vorbereitung der Vorlage werden insgesamt vier Jahre eingesetzt. Dabei soll ein Mitwirkungsprozess lanciert werden, in den auch interessierte Fachleute und Vertreter der Stadt miteinbezogen werden. Ziel ist es hier, einen Rahmenplan zu erstellen, welcher dann als Grundlage für einen Investorenwettbewerb dienen soll. Die Kosten für die Entwicklung des Rahmenplans, die Begleitung des Mitwirkungsprozesses und des Investorenwettbewerbs belaufen sich auf 500 000 Franken.

Das Ergebnis dieses Wettbewerbs fliesst dann ein in die Vorlage, welche dem Kantonsrat präsentiert wird. Für den politischen Prozess im Rat stehen dann weitere zwei Jahre zur Verfügung. So könnte die Entwicklung des Klosterviertels ab 2025 umgesetzt werden. Gemäss Vorlage rechnet der Regierungsrat mit Einnahmen in der Höhe von 7,75 bis 10 Millionen Franken.

Stadtrat will Areal nicht kaufen

Im Grossen Stadtrat war im letzten August eine Interpellation von Simon Sepan (AL) zum Klosterviertel diskutiert worden. Er erkundigte sich, wie der Stadtrat über einen Kauf des Areals denkt. Stadträtin Katrin Bernath (GLP) erklärte damals, dass einzelne Liegenschaften für die Stadt von Interesse sein könnten. «Ein Kauf des gesamten Areals ist für den Stadtrat jedoch keine Option», sagte die Baureferentin. Mit dem Stadthausgeviert, dem Kammgarn-Westflügel und dem Kirchhof-areal habe die Stadt bereits drei grosse eigene Areale in der Altstadt, deren Potenziale besser genutzt werden sollen.

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