Soll die Stadt das Klosterviertel kaufen?

Daniel Jung | 
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Das Klosterviertel, in dem heute das Strassenverkehrs­amt, die Schaffhauser ­Polizei, das Gefängnis und ein Teil der Staatsanwaltschaft zu Hause sind. Bild: Daniel Zinser

In der Stadt Schaffhausen wird am 25. November über die Volksinitiative «Zum Erwerb und dauerhaften Schutz des historischen Klostergevierts» abgestimmt. Wie geht es dann damit weiter?

Der Kanton Schaffhausen plant den Neubau des Polizei- und Sicherheitszentrums (PSZ) sowie des Schifffahrts- und Strassenverkehrsamtes beim Fussballstadion im Herblingertal. Am 10. Juni kamen die zwei Vorlagen an die Urne. Mit 60,6 Prozent hat die kantonale Stimmbevölkerung Ja zum Kredit von 93 Millionen Franken für das PSZ gesagt. Weniger deutlich fiel die Zustimmung zum zweiten Projekt aus: Die Kreditvorlage über 12 Millionen Franken für das Strassenverkehrs- und Schifffahrts­amt fand bei 55,2 Prozent der Stimmenden Annahme. Damit ziehen die Schaffhauser Polizei, die Staatsanwaltschaft und das kantonale Gefängnis von ihrem heutigen Standort im Klosterviertel in der Altstadt ins Herblingertal. Der Umzug ist für 2024 vorgesehen. Somit wird das Klosterviertel, das dem Kanton gehört, frei und kann neu genutzt werden.

Die Alternative Liste Schaffhausen (AL) hatte dazu schon vor der Abstimmung, am 6. Februar, eine Initiative mit 642 gültigen Unterschriften eingereicht. Die Volksini­tiative «Zum Erwerb und dauerhaften Schutz des historischen Klostergevierts» kommt nun am 25. November in der Stadt Schaffhausen zur Abstimmung. Sie verlangt, dass sich die Stadt zum Ziel setzt, das historische Klosterviertel vom Kanton zu erwerben und als Eigentümerin in ihrer Hand zu behalten. Zu diesem Zweck soll der Stadtrat Verkaufsverhandlungen mit dem Kanton aufnehmen und den Kaufvertrag schliesslich dem Grossen Stadtrat unterbreiten.

Teilweise Neubau möglich

Das Klosterviertel, das sich zwischen Regierungsgebäude und Kammgarn-Westflügel befindet, ist rund 8100 Quadratmeter gross. Ein Teil der Gebäude ist denkmalgeschützt, andere könnten durch Neubauten ersetzt werden. In der Vorlage zum Polizei- und Sicherheitszentrum unterscheidet der Regierungsrat drei Teile mit unterschiedlichem Status: 1) Die historische Häuserzeile beim Fundbüro der Schaffhauser Polizei ist schutzwürdig und auf jeden Fall zu erhalten. 2) Das Gebäude des kantonalen Gefängnisses hat zwar eine gewisse historische Bedeutung. Dennoch heisst es in der Vorlage, das Gefängnis könnte rückgebaut werden, «falls dadurch eine substanziell verbesserte Gesamtlösung ermöglicht wird». 3) Klar für einen Abbruch zur Disposition stehen die Gebäude der Polizei und des Strassenverkehrsamts, die rund um ­einen Hof angeordnet sind.

Zuständig für den Entscheid über die Entwicklung im Klosterviertel ist letztlich der Kantonsrat. Er legt fest, ob die Grundstücke und Immobilien vom Kanton selbst entwickelt, verkauft oder im Baurecht abgegeben werden sollen. Kommt ein Verkauf zustande, so geht der Regierungsrat in seiner Vorlage von einem Verkaufserlös zwischen 7,75 und rund 10 Millionen Franken aus – je nach Nutzungsszenario. Der Regierungsrat hat angekündigt, eine eigene Vorlage zuhanden des Kantonsrats zu erarbeiten. Er hat der Stadt ein Mitspracherecht in der Kerngruppe, welche die Areal­entwicklung begleiten soll, zugesichert. Die Entwicklung soll mit einem verbindlichen Rahmenplan und einem Projektwettbewerb durchgeführt werden.

Mit ihrer Volksinitiative will die AL erreichen, dass die Stadt die Federführung baldmöglichst übernimmt. Mit seiner zentralen Lage und seiner historischen Bedeutung sei das Klosterareal für Schaffhausen von einmaliger Bedeutung. Es sei aus städtebaulicher und strategischer Sicht «von unschätzbarem Wert», so die Partei.

Verantwortung beim Kanton

Der Schaffhauser Stadtrat steht dem Kauf kritisch gegenüber. Mit dem Stadthausgeviert, der Kammgarn-West und dem Kirchhofareal habe die Stadt bereits drei grosse eigene Areale in der Altstadt, die sich in Entwicklung befänden und deren Potenzial besser genutzt werden sollte. Zudem stehen grössere Investitionen für den Erhalt und den Ausbau der städtischen Infrastruktur an, wie zum Beispiel die Sanierung der KSS, von Schulanlagen oder Alterszentren. Der Kanton sei ebenso fähig und zuständig, eigene Grundstücke und Liegenschaften zu entwickeln.

Auch der Grosse Stadtrat hat die Volks­initiative zur Ablehnung empfohlen – ohne Gegenvorschlag. An der Sitzung vom 3. Juli wurde ein Antrag auf eine zustimmende Empfehlung mit 19 zu 12 Stimmen abgelehnt.

Grosse Fläche

8100 Quadratmeter beträgt die Fläche des Klosterviertels. Je nach Nutzungsszenario geht der Regierungsrat in seiner Vorlage von einem Verkaufserlös zwischen 7,75 und 10 Millionen ­Franken aus.

Meinungen zum Klosterviertel

Unser Klosterviertel behalten

Das historische Klosterviertel soll weiterhin im Besitz der Allgemeinheit bleiben. Ein Ja zur Kloster-Initiative ermöglicht genau das.

Simon Sepan (Grossstadtrat AL)

Majestätisch liegt es da zwischen Rhein und Herrenacker, neben Kammgarn und Allerheiligen: das historische Klosterviertel. Seine Entstehung geht zurück auf die Gründerzeit unserer Stadt vor beinahe 1000 Jahren. Seine Grösse von 8100 m² ist immens, seine Lage im Herzen der Schaffhauser Altstadt einzigartig. Durch den Wegzug der kantonalen Institutionen wird es aus seinem Dornröschenschlaf geweckt. Diese innerstädtische Perle ist in vielerlei Hinsicht von unschätzbarem Wert. Sie ist Teil unserer Stadtschaffhauser Identität. Das Klosterviertel bietet fabelhafte Wohn- und Arbeitsflächen für die lokale Bevölkerung sowie das hiesige Gewerbe. Der jetzige Gefängnishof könnte zu einem der schönsten innerstädtischen Plätze umgestaltet werden. Kurzum: Dieses Areal bietet unglaublich viele Entwicklungsmöglichkeiten zugunsten der Bewohnerinnen und Bewohner unserer Stadt.

Und was plant der Kanton? Einen Verkauf, Sie lesen richtig! Damit wird dieses Herzstück zum Spielball grosser Immobilieninvestoren, die ausschliesslich an maximale Rendite denken und das Areal ganz sicher nicht im Sinne des Allgemeinwohls entwickeln werden. Was das bedeutet, weiss die Stadtbevölkerung aus eigener Erfahrung. Graue Betonwüste, so weit das Auge reicht, und trostlose, an Charmelosigkeit nicht zu überbietende Aussenräume. Ich spreche von den «Urbahn»-Klötzen auf dem Bleiche-Areal und dem «Arcona Living» hinter dem Bahnhof. Bis auf den letzten Quadratmillimeter durchoptimierte Immobilienspekulation und ein öffentlicher Durchgang, der aufgrund seiner ausladenden Hässlichkeit sogar von Stadttauben gemieden wird. Dieses Schreckensszenario gilt es abzuwenden.

Mit einem Ja zur Volksinitiative «Zum Erwerb und dauerhaften Schutz des historischen Klostergevierts» können Sie den Verkauf dieses Filetstücks verhindern. Mit der Übernahme des Klosterviertels durch die Stadt kann zudem sichergestellt werden, dass unsere Altstadt in Richtung Rhein weiter attraktiviert wird. Und zwar im Sinne unserer Stadt und der Allgemeinheit. Stimmen auch Sie Ja am 25. November.

Eine Zumutung für die Steuerzahler

Der Schutz des Klosterviertels ist bereits heute ausreichend gesichert. Ein Kauf des Klosterviertels durch die Stadt wäre kostspielig und unnötig.

Stephan Schlatter (Grossstadtrat FDP)

Soll eine öffentliche Hand der anderen alte Gebäudekomplexe abkaufen? Die Volks­initiative «Zum Erwerb und dauerhaften Schutz des historischen Klostergevierts» möchte genau das erreichen. Die Stadt soll dem Kanton Schaffhausen den Gebäudekomplex rund um unser Gefängnis abkaufen. Sie gibt vor, das Areal so dauerhaft schützen zu wollen. Dazu muss man wissen, dass diverse Gebäude auf diesem Areal bereits geschützt sind und bauliche Veränderungen, wenn überhaupt, nur unter scharfen Auflagen möglich wären.

Weiter ist in dieser Frage ein sehr wichtiger Aspekt, dass dieses Areal in der Stadt Schaffhausen liegt und die Stadt immer die bewilligende Behörde ist, wenn hier etwas verändert werden sollte. Die Initianten behaupten nun, die Stadt könnte dieses Areal besser schützen und weiterentwickeln als der Kanton. Eine sehr überhebliche Behauptung. Was sollte die Stadt besser können als der Kanton? Weiter ist die Idee aus meiner Sicht eine absolute Zumutung für die Steuerzahler der Stadt. Wir sollen ein grosses Areal mit diversen baufälligen, renovationsbedürftigen und sehr schwierig zu unterhaltenden und erhaltenden Gebäuden vom Kanton abkaufen. Kaufpreis ungewiss! Man bedenke, die Annahme der Initiative verpflichtet die Stadt zu kaufen, zu welchem Preis auch immer! Wo hat man schon so etwas gehört? Mindestens einen Höchstpreis hätten die Fantasten der AL schon definieren müssen. Die Initianten denken wohl, das Steuergeld in der Stadt falle vom Himmel und wir könnten unser sauer verdientes Geld einfach dem Kanton hinterherwerfen.

Das Klostergeviert ist ein grosser und wichtiger Stadtteil von Schaffhausen, aber wir als Stadt haben keinen Vorteil, wenn wir dem Kanton dieses Areal abkaufen würden. Ganz im Gegenteil, wir hätten ein weiteres grosses Areal am Hals und müssten dies erhalten, sanieren oder entwickeln. Auch die Stadt Schaffhausen ist ein Teil des Kantons Schaffhausen, und der Kanton wird nichts tun können, was der Stadt schaden sollte.

Für mich ist der Fall klar: Diese Initiative muss man ablehnen.

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