«Nicht vermutet, dass es so schwierig wird»

Alfred Wüger | 
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Eine Szene aus dem Musical «Anna Göldi», das in der SIG-Halle in Neuhausen noch bis zum 22. Oktober einen Hexenprozess als Kriminal- und Liebesgeschichte erzählt. Mascha Karell als Anna Göldi und Simon Schnorr als Johann Jakob Tschudi haben eine illegitime Beziehung. Bild: Selwyn Hoffmann

Die Ticketverkäufe zum Musical «Anna Göldi» harzen. Diane Kiesewetter von der Stageworks GmbH erläutert den aktuellen Stand der Dinge.

Frau Kiesewetter, wenn man die Homepage des Musicals «Anna Göldi» ­besucht, stellt man fest: Von den 19 Aufführungen bis zum 22. Oktober ist keine einzige ausverkauft. Die ­Ticketverkäufe sind mager. Ist das die Realität, oder gibt es Verkäufe im ­Hintergrund, die man nicht sieht?

Diane Kiesewetter: Nein. Das entspricht so der Realität, heute und jetzt.

Was ist geschehen? Warum gehen die Tickets nicht weg wie frische Weggli?

Es gibt verschiedene Vermutungen. Die Konkurrenz anderer Veranstaltungen, der Zeitraum, die Dauer der Spielzeit, die insgesamt wohl zu kurz ist, sodass es viele Vorstellungen in zu kurzer Zeit gibt. Man müsste weniger Vorstellungen pro Woche machen, dafür über einen längeren Zeitraum. Der Beginn im Spätsommer erscheint uns jetzt auch nicht optimal. Manche haben das Gefühl, das Thema sei nicht optimal, zu schwer und zu dunkel. Viele wiederum kommen aber genau deswegen.

Konkurrenz von andern Veranstaltungen? Das müssen Sie ja bei der Planung gewusst haben, dass es parallel noch andere Veranstaltungen geben wird.

Die Planung hat vor über einem Jahr begonnen, und wir dachten, wir planen sehr vorsichtig. Was die Ausgaben angeht, haben wir auch am Budget festgehalten. Wir dach­ten auch, dass wir sehr vorsichtig ­budgetieren, wenn wir mit einer Aus­lastung von 57 oder 58 Prozent rechnen. Und jetzt sieht es so aus, dass es schwierig ist, diese Auslastung zu erreichen.

Die tatsächliche Auslastung liegt etwa bei der Hälfte davon.

Wir haben ja noch die zweite Hälfte der Spielzeit vor uns. Sie tun jetzt so, als ob die ganze Geschichte schon vorbei wäre …

Worauf stützt sich denn Ihr Optimismus, dass sich die Tendenz, die sich nun zeigt, noch radikal wendet?

Einmal auf die Aktivitäten, die wir jetzt noch unternehmen, und andererseits nimmt der Ticketverkauf zu.

 

 

Was für Aktivitäten meinen Sie?

Dass wir zum einen nochmals gezielt Firmen und Hotels angehen. Zum andern stellen wir fest, dass Mund-zu-Mund-Propaganda einsetzt. Wir werfen auf jeden Fall nicht die Flinte ins Korn. Wir haben viel Werbung gemacht.

Noch einmal zum Geld. Weil zu wenige Tickets verkauft wurden, fehlt Geld. Wer kommt für diese Fehlbeträge auf?

Einmal wir als Gesellschafter. Wir haften teilweise persönlich. Wenn das nicht reicht, müssen wir entsprechende Gespräche führen.

Mit den Banken, dem Kanton? Mit wem?

Das kommentiere ich nicht in der Öffentlichkeit.

Haben Sie denn das Gefühl, dass Ihnen jetzt das Wasser bis zum Hals steht?

Nicht bis zum Hals. Es ist schwierig, und wir kämpfen, aber wir sind weiterhin optimistisch.

Im Vorfeld sagte Karin Spörli von Ihrer Stageworks GmbH in dieser Zeitung: «Wir sind finanziell auf Kurs.» Was ­sagen Sie jetzt?

Diese Aussage stammt vom 31. August 2017. Zu jenem Zeitpunkt hatten wir die Finanzen im Griff. Dass sich die Ticketverkäufe jetzt so entwickeln, wussten wir damals noch nicht. Unsere Pläne waren von vornherein, dass wir mehrere solche Produktionen durchführen wollen. Wir haben einen dreijährigen Businessplan. Dass es nicht einfach wird, war von vornhe­rein klar. Dass es allerdings so schwierig würde, das haben wir nicht ver­mutet. Aber viele grosse Produktionen sind in der ersten Saison nicht durch die Decke gegangen. Wenn man schnell viel Geld machen will, muss man was anderes machen. Man muss mit Herzblut an eine solche Sache herangehen.

Aber Sie glaubten, dass es besser ­laufen würde, als es jetzt läuft.

Das ist so. Wir waren ­mutig, wir sind immer noch mutig, und wir haben etwas probiert, mit sehr ­hohem persönlichem Risiko. Ich denke nach wie vor, dass es richtig war, dies zu versuchen. Wir haben aus dem, was wir jetzt erfahren haben, Konsequenzen gezogen: Wenn wir eine weitere Produktion auf die Beine stellen, dann werden wir sie anders aufstellen.

Sie werden nicht die Reissleine ziehen?

Nein, auf keinen Fall. Der momentane Plan ist eine neue Uraufführung mit Schweizer Bezug im Jahre 2018. Mirco Vogelsang hat 2006 ein Filmdrehbuch geschrieben mit dem Titel «Das Vermächtnis der Lazariter». Er ist jetzt daran, dieses Buch für die Bühne zu überarbeiten.

Sie wollen also mit demselben Autor als künstlerischem Leiter 2018 noch einmal eine Uraufführung wagen?

Ja, unbedingt. Er begeistert das Publikum, welches uns mit ­regelmässigen Standing Ovations darin bestärkt.

 

 

Noch einmal zurück zu «Anna Göldi». Sie haben mehr Besucher erwartet, als nun ins Musical kommen.

Ja, unsere Annahme war so. Wir setzen jetzt Himmel und Hölle in Bewegung, um den Leuten, die der Produktion gegenüber noch skeptisch sind, zu sagen: «Es ist ein grossartiges Erlebnis. Es ist eine tolle Sache, die sich neben andern grossen Produktionen behaupten kann.» Die Show bietet eine Kriminal- ­sowie eine Liebesgeschichte. Wir haben das Naturschauspiel Rheinfall und sogar einen Bahnhof vor der Tür. Ich halte es für realistisch, dass künftig mehr Leute hierherkommen. Und ich halte es auch für realistisch, dass wir für dieses Jahr noch einige gewinnen können.

Die Produktionskosten belaufen sich auf zwei Millionen Franken. Was, wenn ein Schuldenberg entstehen sollte?

Damit befassten wir uns schon von Beginn an, weil kein Unternehmer dieses Risiko völlig ausschliessen kann. Wir sind bereits in verschiedenen Gesprächen, auch in Bezug auf künftige Produktionen. Wir haben Fördermittel beantragt in der Schweiz und in Deutschland. Es gibt Firmen, die daran interessiert sind, den Stoff weiter zu bearbeiten. Es ist nicht so, dass der Vorhang einfach zugeht und das Stück nie mehr gesehen wird. Es ist eine Uraufführung, und es ist daher in unserem Interesse, dass es weitergeht. Aber das alles geht nicht von heute auf morgen. Wir sind in Gesprächen. Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.

Aber immerhin finden Gespräche statt, und Sie sind nicht die Einzigen, die Neuhausen als einen Musical-Spielort etablieren wollen.

Nein! Es gibt es auch andere, die das spannend finden. Und es gibt Leute, die sagen, was ihr da für einen Mut bewiesen habt, das ist beachtlich. Ihr habt ein grosses persönliches Risiko auf euch genommen. Manche wollen uns erst jetzt unterstützen. Wir haben einen ­überzeugenden Leistungsausweis. Ich bin sehr stolz auf das, was wir hier gemacht haben. Es gibt Personen und Firmen, die jetzt sagen: «Das hätte ich nicht gedacht, dass man eine so grosse, professionelle Produktion auf die Beine stellen kann, ich bin bereit euch zu unterstützen.»

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