Polizei jagt Abgas-Trickser aus dem Osten

Zeno Geisseler | 
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Um Geld zu sparen, verwandeln gewisse Spediteure aus Osteuropa ihre sauberen Lastwagen in Dreckschleudern. Bild: Key

2000 Franken pro Lastwagen und Jahr kostet eine Adblue-Anlage, mit der die Abgase gereinigt werden. Das Gerät zu manipulieren und so Geld zu sparen, ist ganz einfach. Die Schaffhauser Polizei hat schon 57 Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen.

Eigentlich ist es eine saubere Sache: Lastwagen und andere Dieselfahrzeuge stossen weniger giftige Stickoxide aus, wenn eine Adblue-Anlage installiert ist (siehe Kasten). Bei modernen Lastwagen ist Adblue Standard. Mit dem System erreichen die Trucks die tiefste Schadstoffklasse 6. Diese ist seit fast drei Jahren Pflicht für Neufahrzeuge. Nur: Der Betrieb einer ­Adblue-Anlage kostet Geld, etwa 1.50 Franken pro 100 Kilometer gemäss dem Bundesamt für Umwelt. Das summiert sich bei den hohen Laufleistungen der Lastwagen. Laut dem Nutzfahrzeugverband Astag kostet Adblue pro Jahr und Laster etwa 2000 Franken.

Anleitung auf Ebay

Um diese Kosten einzusparen, schalten manche Spediteure die Adblue-Anlage einfach ab. Normalerweise gibt das eine Fehlermeldung im Bordcomputer, und der Motor fällt in den Notlaufmodus. Um dies zu verhindern, stecken die Spediteure eine kleine Box mit Elektronik ein. Dieser Adblue-Emulator gaukelt dem Bordrechner vor, dass die Anlage wie gewohnt läuft. Die Fehlermeldung verschwindet, aber aus den sauberen Lastwagen der Kategorie 6 werden Dreckschleudern der Schadstoffklasse 3.

Solche Adblue-Emulatoren sind ganz leicht zu bekommen. Im Internet gibt es die Geräte ab 20 Euro. In einem Ebay-Angebot gibt es sogar eine Fotodokumentation, welche den Einbau Schritt für Schritt erläutert.

In der Schweiz ist das Problem mit den Adblue-Emulatoren schon länger bekannt. Bei einer landesweiten Kon­trolle von mehreren Hundert Lastwagen und Reisebussen seien rund 100 manipulierte Fahrzeuge beanstandet worden, schrieb das Bundesamt für Umwelt im April.

Auch die Schaffhauser Polizei hat Dutzende Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen: Im Schwerverkehrskontrollzentrum und bei mobilen Kontrollen sind seit Februar 57 Adblue-Emulatoren entdeckt worden, sagt Martin Tanner, der Chef der Verkehrspolizei.

«Betroffene Fahrzeuge stammen häufig aus Rumänien, manche kommen auch aus Weissrussland.»
Thomas Rohrbach, Sprecher Astra

Die Adblue-Trickser kommen in der Regel aus Osteuropa. Die Fahrzeuge «stammen häufig aus Rumänien, manche kommen auch aus Weissrussland», sagt Astra-Sprecher Thomas Rohrbach. Auch die 57 in Schaffhausen erwischten LKW sind allesamt aus dem Osten, sagt Tanner. 2000 Franken sind für Firmen aus diesen Ländern viel Geld. Die Summe entspricht laut Nutzfahrzeugverband Astag etwa dem dreifachen Monatlohn eines Fahrers.

Schweizer waren hingegen bis jetzt nicht unter den Erwischten. Abgesehen von ein paar schwarzen Schafen sei das Schweizer Transportgewerbe generell sauber, sagt Rohrbach. Die Regeln des Rechtsstaates würden akzeptiert, und das Umweltbewusstsein sei gross. Vor allem aber würde eine Manipulation angesichts der sonstigen Kosten kaum nennenswerte Einsparungen für Schweizer Camionneure mit sich bringen, sagt Othmar Arnold, Dienstchef-Stellvertreter des Schwerverkehrzentrums Erstfeld im Kanton Uri: «Für einen Schweizer Lastwagen werden pro Jahr nur schon für die Schwerverkehrsabgabe etwa 100 000 Franken fällig, dazu kommen rund 30 000 Franken für den Treibstoff.» Die 2000 Franken für Adblue würden da kaum ins Gewicht fallen.

Wird man erwischt, kann es teuer werden. Laut Schaffhauser Polizei wird erst mal ein Depositum von mehreren Hundert Franken fällig. Dann muss das Fahrzeug vor Ort, durch eine Markenwerkstatt, instand gestellt werden – mit Kosten von mehreren Tausend Franken. Dazu kommt der Zeitverlust, im Transportgeschäft die teuerste Währung überhaupt. Zudem gibt es unter Umständen eine saftige Nachrechnung vom Zoll für die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA). Denn diese orientiert sich an der Schadstoffkategorie eines Lastwagens. So kostet eine Fahrt von Thayngen nach Chiasso mit einem LKW der Schadenskategorie 6 rund 270 Franken, mit Kategorie 3 sind es hingegen rund 370 Franken.

«Zumindest die LSVA-Differenz für die entsprechende Fahrt wird erhoben», sagt David Marquis, Sprecher der Zollverwaltung. «Stellt sich heraus, dass das Fahrzeug bereits bei früheren Fahrten in manipuliertem Zustand verwendet wurde, kann die Differenz auch für diese nachgefordert werden. Gleichzeitig wird ein Strafverfahren eingeleitet.» Die Oberzolldirektion könne im LSVA-System im Verdachtsfall sogar die ganze Flotte eines Unternehmens sperren, sagt Marquis.

Zwei von 3000 oder einer von fünf?

Wie viele Fahrzeuge manipuliert sind, ist umstritten. Der «Spiegel» zitierte im Januar eine Studie der Universität Heidelberg im Auftrag des ZDF und des Verbands für die Transportbranche, wonach gut 20 Prozent der osteuropäischen Lkw «extrem auffällige Abgaswerte» aufweisen – also die Adblue-Anlage möglicherweise manipuliert worden ist.

Gemäss Schweizer Experten ist dieser Anteil aber viel zu hoch. Astra-Sprecher Rohrbach gibt an, von 3000 Fahrzeugen seien vielleicht zwei manipuliert. Die Schaffhauser Polizei sagt, zwei bis drei Prozent der kontrollierten Fahrzeuge seien betroffen. Das Schwerverkehrszentrum Erstfeld geht von einem Prozent aller Lkw aus.

Trotzdem fordert der Schweizer Nutzfahrzeugverband Astag rigorose Kontrollen. Bereits am Zoll müsse ­geprüft werden, ob die Vorgaben ein­gehalten würden. Fahrzeuge mit Pro­blemen seien zu beschlagnahmen. Wie schwierig diese Forderung zu erfüllen ist, zeigen Zahlen aus Erstfeld: Von den 1100 bis 1300 Lastwagen, die täglich an der Kontrollstelle vorbeibrausen, werden nur etwa 80 überhaupt unter die Lupe genommen.

Doch nicht nur von der Macht der Masse, sondern auch vom technischen Fortschritt profitieren Adblue-Trickser. Weil Experten inzwischen auch gut versteckte Emulatoren leicht entdecken, programmieren die Betrüger neuerdings gleich die Software des Bordcomputers um. Das ist diskreter – und cleverer: Es gibt Software, bei denen Adblue nach dem Motorenstart ganz normal läuft. Erst nach fünf Kilometern wird das System automatisch ausgeschaltet. Dann ist der Lastwagen schon weit, weit weg von neugierigen Prüferaugen und hochempfindlichen Abgassonden der Schwerverkehrszentren.

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