Das Burkaverbot: Eine Frage der Freiheit

Daniel Jung | 
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Die liberale Tradition werde mit einem Burkaverbot gestärkt, sagt Ulrich Schlüer (SVP). Für FDP-Ständerat Andrea Caroni wäre ein Verbot dagegen ein unnötiger Eingriff in das Private.

Beide Kontrahenten auf dem SN-Podium zum Burkaverbot argumentierten gestern mit der Freiheit. Für Ulrich Schlüer, alt Nationalrat der SVP aus Flaach, wäre ein Verbot der Vollverschleierung eine konsequente Fortführung der freiheitlichen Tradition der Schweiz. «Denn dazu gehört das offene Gesicht», sagte Schlüer. In Europa vertrete man seine Meinung, ohne sein Gesicht zu verhüllen.

Ganz anders sieht dies der Appenzeller FDP-Ständerat Andrea Caroni, zweiter Teilnehmer beim Anlass «Politik im Saal», der von SN-Chefredaktor Robin Blanck moderiert wurde. Schlüers Argumentation sei ein Missbrauch des Begriffs der Freiheit, so Caroni. Es sei eine Errungenschaft der Aufklärung, dass der Staat keine Kleidervorschriften erlasse. «Es ist eine Privatsache, wie viel oder wenig eine Frau anhat», sagte Caroni. Die persönliche Freiheit höre dort auf, wo andere geschädigt würden – dies sei bei der Burka jedoch nicht der Fall. Es gebe keinen Grund, wieso Touristinnen aus den Golf-Staaten zum Ablegen der Burka gezwungen werden sollten.

Beim Burkaverbot gehe es auch um die Frage der Sicherheit, sagte Schlüer. Es sei eine Gefahr, dass man nicht erkenne, was eine Person unter ihrem Schleier trage. «Man weiss nicht, ob jemand harmlos ist oder etwas Schlimmes im Schilde führt», sagte Schlüer. Auch sei nicht erkennbar, ob jemand eine Waffe trage. Der islamische Terrorismus stelle eine grosse Bedrohung dar – mit einem Burkaverbot könne man hier vorbeugen. «Man muss das machen, was möglich ist», sagte Schlüer.

Dem entgegnete Caroni, dass kein islamischer Extremist bei einem Attentat verschleiert gewesen sei. «Attentäter tragen Jeans, Schirmmützen und Rucksäcke», sagte er. Wenn es um Sicherheit gehe, seien ein gut informierter Nachrichtendienst und die Polizei wichtig. Im Grundsatz sei Sicherheitspolitik Sache der Kantone. Schaffhausen habe etwa schon seit 2009 ein Verhüllungsverbot im Strafgesetz.

Wichtiger als das Sicherheitsargument sei die Freiheit, erklärte Schlüer. Dabei gehe es auch um den Schutz der Frauen vor dem Zwang, den Männer über sie ausübten. «Viele liberale muslimische Frauen sagen, dass praktisch keine Frau die Burka freiwillig trägt», erklärte der Chefredakor der «Schweizerzeit». Werde die Burka verboten, so würde die persönliche Freiheit der betroffenen Frauen gestärkt.

«Aber schon heute darf kein Mann seine Frau zum Tragen der Burka zwingen», erwiderte Caroni. In einem solchen Fall sei es heute bereits möglich, strafrechtlich gegen den Mann vorzugehen. Dafür brauche es kein neues Gesetz. «Was dagegen nötig ist, sind niederschwellige Hilfsangebote für betroffene Frauen.» Er habe zwar auch keine Freude an vollverschleierten Frauen, erklärte der Appenzeller. Dies gelte aber auch für Punks, welche den Schweizer Staat anarchistisch ablehnten. «Es gehört aber zur freiheitlichen Ordnung, dass wir solche Provokationen aushalten», sagte Caroni. Dass autoritäre Regimes mit christlichen Minderheiten intolerant umgingen, sei kein Anlass für einen Kulturkampf.

Trotzdem ist Ulrich Schlüer davon überzeugt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung das Burkaverbot befürwortet. «Wir werden gewinnen, weil uns die Frauen unterstützen», sagte er. Bereits habe das Komitee der Volksinitiative mehr als die Hälfte der benötigten 100 000 Unterschriften gesammelt.

Sechs Zuschauerinnen und Zuschauer waren vollverschleiert zur Versammlung erschienen. Eine dieser Personen war Laurin Baviera. Er erklärte nach der Veranstaltung und ohne farbige Burka seine Motivation: «Es ging uns darum, das Sicherheitsargument zu entkräften.» Trotz der Verschleierung habe keiner der Besucher Angstzustände erleiden müssen. Ebenfalls störte sich Baviera daran, dass nur Männer über Kleidervorschriften für Frauen diskutierten. Letztlich teile er aber viele Ansichten von Andrea Caroni.

Radio und Fernsehen: Das Podium wird im Schaffhauser Fernsehen (heute Donnerstag, 20. Oktober, um 20.25 Uhr, jeweils mit Wiederholung alle zwei Stunden) sowie auf Radio Munot (am Samstag, 22. Oktober, 13 Uhr, und am Montag, 24. Oktober, 22 Uhr) ausgestrahlt.

 

 

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