Leben und gedeihen – dank totem Holz
In Siedlungsgebieten wird der Lebensraum für Pflanzen und Tiere kleiner, es fehlt an Nahrung und natürlichen Unterschlüpfen. Der «Naturgarten-Lehrpfad» will aufzeigen, wie jeder und jede durch naturnahe Gärten die Biodiversität vor der eigenen Tür fördern kann.
Für Schaffhauser Naturschutzorganisationen ist Biodiversität ein wichtiges Thema. Und so entschieden 2019 «Turdus», WWF, Pro Natura und andere Organisationen, gemeinsam eine Aktion für die Natur in Siedlungsgebieten zu starten – den «Naturgarten-Lehrpfad». Die Eröffnung musste pandemiebedingt warten. Auch das Knospenfest, organisiert von der Stiftung Altra – die Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt integriert –, findet nach zwei Jahren Pause wieder statt. Auf dem Gelände der Biogärtnerei Neubrunn können sich Besucher mit Speis und Trank verwöhnen lassen, Pflanzen erwerben sowie sich an Ständen zahlreicher Naturschutzorganisationen informieren. Die Stände verschwinden nach dem Fest wieder vom Gelände, der «Naturgarten-Lehrpfad» aber bleibt. «Die Idee des Parcours ist, dass Leute, die ihren Garten naturnaher gestalten wollen, aber nicht wissen, wie, sich hier inspirieren lassen können», sagt Vanessa Wirz, Präsidentin von Pro Natura Schaffhausen. Auf dem Parcours wird an verschiedenen Stationen auf Tafeln erklärt, welche Funktion zum Beispiel ein Steinhaufen oder Obstbaum für Tiere und Pflanzen erfüllt. Über das Scannen eines QR-Codes kann man ausserdem zu weiterführenden Informationen gelangen.
Gewinn für Mensch und Natur
Jürg Sonderegger, Präsident des WWF Schaffhausen, erläutert den ersten Stop des Pfades – ein kleiner Teich mit lauter Bienen, die dort ihren Durst löschen: «Jedes neue oder bereits existierende Gewässer in einem Garten ist äusserst wertvoll. Viele Tiere und Pflanzen sind darauf angewiesen, insbesondere Amphibien, von denen viele in der Schweiz bedroht sind, zum Beispiel Frösche und Molche.» Nun hat jedoch nicht jede Person die Möglichkeit, ein Biotop anzulegen. Was die meisten jedoch in Hülle und Fülle haben, sind abgebrochene Äste und anderes Totholz. Anstatt dieses entsorgen zu müssen, empfiehlt Manuel Ruf, Abteilungsleiter der Gärtnerei Neubrunn, das Anlegen einer sogenannten «Benjes-Hecke». Entwickelt hat sie der norddeutsche Landschaftsgärtner Hermann Benjes. In regelmässigen Abständen werden Pfähle in den Boden gerammt und die Zwischenräume mit Astmaterial gefüllt. «Für den Menschen kann sie als Sicht- oder Lärmschutz dienen und bietet Unterschlupf für allerlei Tiere, von der Spinne bis zum Igel. Sie hat einen hohen ökologischen Wert.» Die letzte Station des Rundgangs ist ein Obstbaum in voller Blüte. «So ein Baum spendet Schatten und ist Nahrungslieferant für Insekten, wovon wiederum die Vogelwelt profitiert. Man kann den Wert eines Mittel- oder Hochstammes nicht hoch genug schätzen», sagt Jutta Häller von «Turdus». Treten aber – laut Manuel Ruf nach etwa 70 Jahren – Zerfallserscheinungen auf, sollte man die Bäume unbedingt stehen lassen. Man müsse nicht meinen, dass immer alles picobello aussehen müsse, denn «faulende Stellen werden zu Hohlräumen, wo sich viele Tiere ansiedeln können.» Etwas Sterbendes habe auch seine Berechtigung und Stellenwert. Alter und Tod seien Themen, womit viele Leute ein Problem hätten – nicht nur bei Pflanzen, sondern generell. Und das spiegelt sich dann in den Ansprüchen dem Garten oder Objekten im Garten gegenüber. Ein Naturgarten sieht vielleicht etwas wilder und unordentlicher aus, ist für Tier und Pflanze aber umso wohnlicher.