Alle Jahre wieder: Ein Hoch auf Traditionen

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Weihnachtsguetsli und die Adventszeit gehören zusammen.

In ihrer Kolumne «Kind und Kegel» schreibt Mutter und Lehrerin Eva-Maria Brunner heute über kitschige Schaufensterdekorationen und den «kleinen Lord».

  • 7 Sorten Weihnachtsguetsli (6 davon ­geniessbar).
  • 48 Socken, gefüllt mit Überraschungen für die zwei Göttibuben.
  • 24 Adventsfenster im Quartier, deren Eröffnung man beiwohnen sollte.
  • 8 Meter Lichterkette, am Terrassen­geländer drapiert.
  • 2 Konzerte und 2 Krippenspiele, bei denen die Kinder auftreten.
  • 10 Kisten durchsuchen, bis der Weihnachtsbaumständer gefunden ist.
  • 3 Stunden Internetrecherche, um das richtige Modell von MP3 -Player für die Tochter aufzutreiben …

Die Liste liesse sich beliebig fortführen und zeigt schonungslos, was die Vorweihnachtszeit einem abverlangt. Im Januar schwört man sich, das nächste Mal frühzeitig mit den Festtagsvorbereitungen zu beginnen, um dann den Advent tiefenentspannt und besinnlich im Kerzenschein bei einer Tasse Tee zelebrieren zu können. Trudeln dann im Herbst die ersten Spielzeugkataloge ins Haus (von den Kindern akribisch studiert), verdrängt man das Ganze weiterhin souverän, bis es einen dann kurz vor dem ersten Advent einmal mehr eiskalt erwischt.

«Ich halte mich lieber an das, was mich jedes Jahr wieder von Neuem verzaubert.»

Es wäre ein Leichtes, nun weiter den Weihnachtsmuffel zu geben. Ich könnte in den Chor der übellaunigen Konsumkritiker einfallen, welche die Weihnachtszeit als Zeit des zügellosen Kommerzes verurteilen. Ich könnte mich darüber ereifern, dass der wahre Geist von Weihnachten spätestens dann abhanden gekommen ist, als der Lastwagen einer braunen koffein­- hal­tigen Brause samt fettleibigem, ­«hohoho» rufendem Santa Claus auch bei uns auf dem Fronwagplatz Halt ­gemacht hat. Die Schaufensterdekorationen sind kitschig. Der Besinnlichkeitsoverkill nervt. Beim Guetsli­backen verlieren die Kinder ab dem dritten Blech die Geduld, und mindestens eine Ladung verbrennt. Der Eukalyptus im Adventskranz war schon am 30. November welk. Ich halte mich lieber an das, was mich jedes Jahr ­wieder von Neuem verzaubert. Es ist genau dieses «jedes Jahr». Es sind die immer wiederkehrenden Rituale und Traditionen, die ich liebe. Sie geben Halt, sie stiften Identität und Gemeinschaft. Ich stimme mich mit meinen Freundinnen beim «Kranzen» auf die kommenden Wochen ein. Es ist wie ein Atemholen, bevor die schöne und zugleich strenge Zeit losgeht. Jedes Jahr schenkt mir meine Mutter einen Adventskalender, seit bald vierzig Jahren. Die Kinder spielen am Weihnachtsspiel im St. Johann mit. Anton in seinem ­Affenkostüm (ja, es gibt auch Neuerungen inmitten aller Traditionen) rührt mich zu Tränen. Pünktchen, die sich einen Bastelnachmittag bei den Grosseltern organisiert hat und am Abend strahlend nur beinahe alle Geheimnisse ausplaudert, bringt mein Herz zum Schmelzen. Jedes Kind, das die Schule besucht, an der ich unterrichte, feiert Jahr für Jahr frühmorgens Waldweihnacht. Es sind immer der gleiche Baum und der gleiche Punsch. Und noch nie hat sich ein Kind deswegen beklagt.

Danach gefragt, was sich meine Kinder für die Adventszeit wünschen, antworteten sie «Schnee» und «den Cousin in Zürich besuchen». Konsumwahn sieht anders aus.

Wir pflegen Traditionen, mit denen wir Eltern schon aufgewachsen sind: «Der kleine Lord» am TV. Fondue chinoise an Heiligabend. Unter dem Baum wird gesungen, auch wenn’s falsch tönt und es dem einen oder anderen Gast peinlich ist. Und wir schaffen unsere eigenen, neuen Traditionen: Zimtsterne backen fällt ins Ressort meines Mannes. Den Samichlaus empfangen wir zusammen mit einer anderen Familie.

Wir Erwachsenen machen ein Weihnachtsessen im Freundeskreis; Restaurant und Waldspaziergang bleiben seit Jahren unverändert.

Ob Sie also Ihr Weihnachtsmenu bereits im Oktober planen oder den Guetsliteig beim Grossverteiler kaufen, ob Sie «Sissi» gucken oder lieber am Glühweinstand den Abend verbringen, ob sie das Weihnachtsoratorium oder doch lieber «Last Christmas» hören – es spielt keine Rolle. Pflegen Sie Ihre Traditionen, freuen Sie sich daran, und verbringen Sie Zeit mit Ihren Liebsten. Das ist es, was an Weihnachten zählt.

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