Die Einschulung soll den Kindern Freude machen

Louise Østergaard | 
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Wie gross das sprichwörtliche Rucksäckchen ist, das ein Kind mit sich trägt, hängt von der eigenen Schulbiografie und derjenigen der Eltern ab. Vorfreude oder Ängste übertragen sich aufs Kind. Bild: Melanie Duchene

Vorfreude statt Bauchschmerzen: Eine einfühlsame Vorbereitung auf den grossen Tag stimmt Kinder und Eltern positiv.

«Rechnen kann ich doch noch gar nicht», bedauert das eine oder andere Kind, wenn der Tag der Einschulung näher rückt. Spielerisch hat es längst sechs Apfelschnitze zu einem Ganzen zusammengesetzt und kennt Buchstabenabfolgen aus Liedern – nur wurden ihm diese Fähigkeiten nicht unter den Begriffen «Rechnen und Schreiben» vermittelt. «Die Schule ist für viele Kindergartenkinder etwas, das ihre Vorstellung übersteigt», sagt Myriam Ott, die als Heilpädagogin, Kindergärtnerin und Fachlehrerin an der Schule Löhningen arbeitet. Der ältere Bruder, der bereits die zweite Klasse besucht, mag von seinen Erfahrungen erzählt haben, hat die kleine Schwester gar damit geärgert, was er, im Gegensatz zu ihr, schon alles könne. «Ältere Geschwister sowie Eltern können positive oder negative Vorstellungen heraufbeschwören», erklärt Myriam. «Deshalb versuchen wir, unsere Kinder so gut wie möglich auf den Schuleinstieg vorzubereiten.»

Ausflug ins Klassenzimmer

Ob und wie ein solches Heranführen der Kinder an diesen Wechsel stattfindet, unterscheidet sich von Ort zu Ort. Die Schule Löhningen, zu welcher auch der Kindergarten gehört, begleitet nicht nur zukünftige Erstklässlerinnen und Erstklässler, sondern auch deren Eltern. «Wir organisieren einen Elternabend mit den zukünftigen Lehrpersonen der 1. Klasse, an dem Eltern Fragen und Bedenken äussern dürfen, und hoffen, diese beantworten oder beruhigen zu können», erzählt die Kindergärtnerin Conny Zosso. «Je nachdem, welche Erfahrungen die Eltern während ihrer Schulzeit selbst gemacht haben, ist die Sorge um das Wohlergehen ihres Nachwuchses gross», erzählt Conny. Sie versuche, den Eltern zu vermitteln, dass sie ihrem Kind und den Lehrpersonen Vertrauen schenken dürfen. In Löhningen besucht eine Lehrperson der 1. Klasse den Kindergarten und stellt sich dort als neue Bezugsperson vor. Umgekehrt macht die Kindergartenklasse einen Ausflug ins zukünftige Klassenzimmer. Dort können die Kleinen sich akklimatisieren und bekommen gleich etwas vom baldigen Schulalltag mit, werden in schulische Spiele einbezogen. Dadurch steigert sich ihre Vorfreude. «Solche Austausche erleichtern den Wechsel ins Klassenzimmer und es wird Vertrauen zwischen den Kindern, Eltern und den neuen Bezugspersonen geschaffen», so die Kindergärtnerin.

Götti und Gotti aus der Sechsten

Auch mit viel Vorbereitung und Begleitung ist für die Kinder ab dem ersten Schultag noch vieles unbekannt und gewöhnungsbedürftig. Nicht nur Herr und Frau Lehrer sind neue Menschen im Leben der frischgebackenen Erstklässlerinnen und Erstklässler – auch die vielen anderen Schulkinder sind neue Bekanntschaften. Die Schule Löhningen hat für diese Angewöhnung eine soziale und erfolgreiche Lösung gefunden. Kinder der 6. Klasse können Gotti oder Götti eines Erstklasskindes werden und begleiten diese auf ihrem Weg in den neuen Schulalltag.

«Wir begleiten die Kinder dabei, ihre Konflikte lösen zu lernen.»

Myriam Ott Schulpädagogin, Lehrerin Comedienne und Mutter

Abenteuer Schulweg

Mit der Fantasie eines Kindes kann der Schulweg zu einem grossen Abenteuer werden. «Wir raten den Eltern, den Schulweg zu üben, die Kinder aber, wenn möglich, bald auf eigene Faust losziehen zu lassen», sagt Myriam. Der Schulweg sei wichtig, um wertvolle soziale Kompetenzen zu erlernen, und fördere die Sprachentwicklung. Auf dem Schulweg dürfen die Kinder ohne Überwachung durch Eltern oder Lehrpersonen die Welt entdecken. «Dabei lernen sie unheimlich viel», fügt Conny hinzu. Zuhause kann es vom Erlebten erzählen, übt sich so in neuem Wortschatz und nimmt neue erzählerische Perspektiven ein. Ausserdem macht so ein Schulweg unter Kindern einfach Spass.

Einer der grössten Unterschiede vom Kindergarten zur Schule ist der vergleichsweise strikte Stundenplan. «Im Kindergarten isst man vor der Pause gemeinsam den Znüni, in der Schule wird Selbstständigkeit geübt, indem die Kinder dies während der grossen Pause selber tun sollen», erzählt Myriam. Daran muss ein Kind sich erst mal gewöhnen. Kaum ist die Lunchbox ausgepackt, läutet bereits wieder die Schulglocke. Dieses Zeitmanagement muss erlernt werden und wird erst mit der Zeit zur Gewohnheit.

«Auf dem Schulweg lernen Kinder soziale Kompetenzen.»

Conny Zosso, Kindergartenlehrerin

 

Konflikte auf dem Pausenhof

Der Pausenplatz bringt nicht nur zeitplanerische Herausforderungen mit sich, er ist auch ein Ort, um den sozialen Umgang miteinander zu lernen. Der Schulpausenplatz beherbergt viele Kinder unterschiedlichen Alters und damit mehr Konfliktpotenzial. Das Lehrpersonal überwacht den spielerischen Trubel auf dem Pausenhof und achtet auf ein friedliches Miteinander. «Es ist für das Miteinander der Kinder aber wichtig, eine Meinungsverschiedenheit oder einen kleinen Konflikt mit einem anderen Kind selbst auszutragen zu können», erklärt Myriam. So können Kinder ein soziales Miteinander erlernen, dabei Selbstbewusstsein aufbauen und Freundschaften knüpfen.

Psychologische Beratung für Eltern und Kind beim Teddybär

Tamara Gonzalez, Leiterin der Beratungsstelle Teddybär und Psychologin MSc.

Während bei manchen die Vorfreude gross ist, sorgt der Gedanke an den ersten Schultag bei anderen für Bauchschmerzen. Dabei spielt die Schulbiografie der Eltern eine bedeutende Rolle. Psychologin Tamara Gonzalez leitet die Beratungsstelle Teddybär in Schaffhausen und weiss, welche Herausforderungen dieser Tag mit sich bringen kann.

Vertrauen schenken

Ängste und Unsicherheiten sind beim Kind vor allem dann gross, wenn sie diejenigen der Eltern widerspiegeln. Jedoch können und sollen Eltern auf die emotionale Stärke ihres Kindes vertrauen. Es hat schliesslich bereits riesige Entwicklungsschritte gemacht. Wird aus dem Fundus positiver Erfahrung geschöpft und dies dem Kind bewusst vermittelt, gewinnt es das Selbstvertrauen, auch künftige entwicklungsgerechte Herausforderungen und Aufgaben zu meistern. Es hilft auch, darüber zu reflektieren, woher die Angst damals stammte und zu versuchen, dem Kind heute ein «sicherer Hafen» zu sein.

Beziehungsrituale und Abläufe

Der Schulstart soll charaktergerecht, individuell und angenehm gestaltet werden. Das Erstellen von Tagesplänen, Visualisieren von Strukturen, Vorlesen von Kinderbüchern zum Thema Einschulung, Üben von konkreten Abläufen oder das Angebot von kleinen Beziehungsritualen, kann dem Kind helfen, sich besser vorbereitet zu fühlen. Denn Vorhersehbarkeit schafft Sicherheit: Was das Kind sich bildlich vorstellen kann, das kann es besser verstehen.

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