E-Sport: Können Spiele am Computer wirklich als Sport bezeichnet werden?

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Gilt nur als Sport, was den Körper anstrengt? Oder kann man auch eine ­Tätigkeit vor dem Bildschirm als Sport bezeichnen, wenn Taktik, Präzision und Reaktionsschnelligkeit gefragt sind?

Pro

Von Sidonia Küpfer, Leiterin Erster Bund

Wer darf sich Sportler nennen? Ein Marathonläufer? Auf jeden Fall. Eine Eiskunstläuferin? Auch. Eine Schachspielerin? Jetzt wird es knifflig. Und noch komplizierter wird es, wenn die Sprache auf E-Sport kommt – also auf die Welt der wettkampfmässigen Computerspiele. Dass das Thema polarisiert, zeigen auch die Proteste in den Fussballstadien: In der Muttenzerkurve des FC Basel etwa kritisieren die Anhänger regelmässig das digitale Engagement des Clubs.

Und doch kann man die Leistung der E-Sport-Stars als Sport betrachten. Schon heute sind Schweisstropfen und Muskelarbeit längst nicht mehr die einzigen Erkennungsmerkmale sportlicher Aktivitäten. Ein Wettkampf, bei dem Präzision, Reaktionsschnelligkeit oder eine besonders ausgefeilte Taktik entscheidend ist, darf durchaus auch als sportliche Leistung gelten. E-Sport-Profis trainieren mehrere Stunden am Tag, ­verdienen gutes Geld und haben ein Millionenpublikum im Rücken.

Die zum Teil hitzigen Diskussionen sind auch Folge der Bedeutungs­verschiebung des Begriffs «Sport»: Noch um 1900 war der Fall klar, wie ein Blick in «Meyers Grosses ­Konversationslexikon» zeigt: Sport sei «eine im Freien ausgeführte ­Tätigkeit zur Förderung der körper­lichen Leistungen, verbunden mit dem ehrgeizigen Bestreben, auf einem bestimmten Gebiet Hervor­ragendes zu leisten». Kein Wort zu den heute beliebten Indoorsportarten. Modernere Defini­tionen legen den Fokus auf einen Wettbewerb, der unter vereinbarten Regeln abgehalten wird – ob körperlich oder geistig, ist zweitrangig. ­E-Sportler mögen weniger schwitzen als ein 5000-­ Meter-Läufer, dafür müssen sie fein­motorisch, wahrnehmungsmässig und oft auch taktisch fitter sein.

Die Digitalisierung betrifft auch den Sport. Wieso man Computerspielen per se den Sportcharakter ­absprechen sollte, leuchtet nicht ein. Eine andere Frage ist, ob E-Sport olympisch werden sollten oder ob es dereinst E-Olympics geben soll. Gut möglich, dass diese Anerkennung noch lange auf sich warten lässt. Zumal auch manche der digitalen Sportler der Meinung sind, sie brauchten keine Olympischen Spiele. Sie sind sich ihres Publikums gewiss.

Contra

Von Tobias Erlemann, Sportredaktor

Dieses Statement gefällt mir: «Der SC Freiburg unternimmt einige Anstrengungen, um Kids in Bewegung zu bringen. Der parallele Aufbau ­eines E-Sport-Teams ist aus unserer Sicht wenig glaubwürdig.» Damit ­gehören die Breisgauer zu einer Minderheit im Fussballbusiness. Wer ­etwas von seinem Bankkonto hält, der hat eine E-Sport-Abteilung. Denn beim E-Sport geht es eigentlich nur um eines: viel Geld. Es sollen neue Märkte erobert und höhere Einnahmen generiert werden. Eine digitale «Sport»-Welt, die mit «richtigem» Sport nichts zu tun hat. Auch wenn E-Sport-Profis schon jetzt hohe Gehälter kassieren und täglich mehrere Stunden trainieren: Körperliche Ertüchtigung sieht anders aus. Für mich hat Sport einfach noch immer etwas mit Bewegung und Fitness zu tun. Vielleicht eine altmodische Betrachtung. Aber auf einem Sofa ­sitzen und mit den Fingern den Con­troller bedienen: Das soll Sport sein? Und womöglich bald eine olympische Disziplin? Mir graut davor, auch wenn die Hallen ausverkauft sein werden. Auch ich spiele gerne mal auf der Playstation. Aber ich komme dann nicht aus dem Keller hoch und denke: Wow, jetzt hab ich aber was für meine Fitness getan.

Freiburg macht es richtig: Der Nachwuchs wird zu echter Bewegung ­animiert. E-Sport-Turniere sind inzwischen zwar Massenbewegungen. Aber die Erschöpfung ­eines Spielers resultiert daraus, dass er sich durch den Nervenkitzel Adrenalin durch den Körper jagt. Und dann beklagen wir uns wieder, dass unsere Kinder und die Gesellschaft im Allgemeinen an Bewegungsarmut und Übergewicht leiden. Als Junioren-Fussballtrainer sehe ich das Szenario schon vor mir. Frage an den zehnjährigen Mittelfeldspieler: «Wo warst du gestern beim Training?» Antwort des Kindes: «Playstation spielen, ich will Profi werden.» Und wenn er das nächste Mal – in einer kurzen Kon­solenpause – wieder mitspielt, dann steht er nach drei Minuten kurz vor einem Krampfanfall. Deshalb ein Dank an den SC Freiburg, dass es noch einen «Grossen» gibt, der beim Begriff E-Sport nicht gleich hyperventiliert, sondern die Dinge mit ­Vernunft überprüft – auch wenn ihm dadurch womöglich ein paar Millionen Euro durch die Lappen gehen.

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