Soll man trotz Dopingvorwürfen die Olympischen Spiele am TV mitverfolgen?

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Kann man die olympischen Winterspiele noch mit gutem Gewissen schauen? Darüber streiten sich Hans Christoph Steinemann und Luc Müller.

Die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang laufen derzeit auf allen Kanälen. Bereits gibt es auch wieder einen ersten Dopingvorwurf. Kann man trotzdem mit gutem Gewissen am Fern­sehen zuschauen? Zwei Redaktoren, zwei Meinungen.

Pro

Von Hans ­Christoph Steinemann, Sportredaktor

Auch ich bin sicher kein Befürworter oder Unterstützer von Doping im Sport, sei das im Spitzen- oder im Breitensport. Wer die eigene ­Gesundheit mit der Einnahme von Dopingmitteln oder Medikamenten aufs Spiel setzt, der handelt zwar meist eigenverantwortlich, aber gegenüber dem eigenen Körper verantwortungslos. Und wer für sein Land an den Start geht, der sollte sich seiner Vorbildfunktion bewusst sein. Die Beispiele von sogenanntem Staatsdoping, heute in Russland oder früher speziell in der damaligen DDR, zeigen indes – leider – auch das Gegenteil, in diesen Fällen wird der Athlet oder die Athletin von staatlich gesteuerten Institutionen gezwungen oder zumindest ­motiviert, unerlaubte Mittel einzunehmen, um die Leistung noch um ein paar Prozentpunkte zu steigern und damit der Medaille näher zu kommen. Die Folgen für den Körper werden komplett ausgeblendet.

Es gibt jedoch nicht nur verordnetes Doping, viele Sportler – so auch in der Schweiz, wie die Vergangenheit gezeigt hat (Stichwort Radsport) – sind bereit, Verbotenes zu tun, um besser zu werden. Letztlich ist das nichts anderes als Betrug, und der gehört auch mit aller Härte bestraft. Erwischt werden längst nicht alle, weil sie oft bereit sind, das System mit Machenschaften aller Art, auch kriminellen, auszuhebeln. Einige, wie der russische Mixed-Curler ­Kruschelnizki, der sich nun mit ­Meldonium erwischen liess, sind schlicht dumm. Kein gutes Signal ausgerechnet aus Russland.

Eigentlich müsste mich dies dazu bringen, mir keine Sekunde Olympia im Fernsehen anzutun. Genau das Gegenteil ist der Fall. Seit 1972 faszinieren mich Olympische Spiele total, 1972 mit den Goldtagen von Bernhard Russi und Marie-Theres Nadig in Sapporo hat es angefangen. Diese Faszination hat nie nachgelassen, und seit ich 1992 in Barcelona und 1996 in Atlanta selbst ­dabei sein durfte, hat sich das noch gesteigert. Die Emotionen und die Begeisterung rund um Olympia sind einfach gewaltig, genauso wie die grossartigen TV-Bilder. Wenn also jeweils die Eröffnungsfeier über den Bildschirm flimmert, dann schaltet sich bei mir der Olympiamodus ein. Dann brauche ich auch den ARD-Doping-Experten Hajo Seppelt, den ich sonst sehr schätze, nicht allzu oft im Studio. Sonst wird weggezappt zum nächsten ­begeisternden Eis- oder Slope­style-Event. Und spätestens nach 17 Olympiatagen kehrt die (Doping-)Realität zurück. Wie das abrupte ­Erwachen aus einem kurzen schönen Traum.

Contra

Von Luc Müller, Redaktor Region

Ich habe keine Lust auf Olympia. Der Grund sind gedopte Athleten. An den Winterspielen in Südkorea starten die russischen Athleten unter neutraler Flagge. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat das Nationale Olympische Komitee Russlands suspendiert, weil dieses in einen Dopingskandal verwickelt ist. An den Winterspielen in Sotschi 2014 waren viele russische Medaillengewinner gedopt. Das IOC hat zunächst über 40 russische Sportler auf Lebenszeit von Olympia ausgeschlossen – in 28 Fällen hat der Internationale Sportgerichtshof (CAS) die Sperre jedoch aufgehoben, weil die Beweise für den Dopingmissbrauch nicht gegeben seien. Das IOC will die Fälle aber weiterziehen.

Die Sperre gegen den Bob-Doppelolympiasieger von Sotschi, Alexander Subkow, hat das CAS wegen klaren Dopingverstosses aber bestätigt. Nachträglich erben nun die zweitplatzierten Schweizer Bobfahrer Beat Hefti und Alex Baumann die Goldmedaille im Zweierbob. Die Reaktion von Hefti: Er sei froh, dass das Hin und Her endlich geklärt sei.

In diesen Zeilen komme ich erst jetzt zum eigentlichen Thema Sport und Fanbegeisterung. Die ausführ­lichen Vorbemerkungen bis an diese Stelle waren aber nötig, um zu zeigen, wie kompliziert und ­juristisch der Sport wegen Doping geworden ist. Als Zuschauer habe ich die Lust auf Olympia verloren: Immer schwingt im Hinterkopf mit, dass viele Bestzeiten nur wegen leistungssteigernder Mittel errungen wurden. Das ist Beschiss. Hier werden unehrliche Emotionen geschürt. Das Siegerlächeln bleibt mir als Zuschauer im Halse stecken – das sollte für die gedopten Sportler gelten. Als Hobbysportler weiss man: Wer viel trainiert, bringt bessere Leistung. Dabei ist Geduld gefragt – der Griff zu illegalen Mitteln ist unfair. Ich bin als Zuschauer konsequent geworden: Gedopte Sportler unterstütze ich mit Daumendrücken nicht mehr – ich zappe sie weg.

Krasserweise bin ich als Zuschauer auch ein bisschen Helfer der Dopingsünder. Um die Leute an die Bildschirme zu locken und die Einschaltquoten zu erhöhen, liefern die Veranstalter immer mehr Spektakel. Beispiel Langlauf: Hier gibt es sechs Läufe innerhalb von 15 Tagen. Beim Bobfahren werden die Kurven noch steiler. Und beim Skispringen stehen Abgemagerte am Start. Das alles, um uns Zuschauern noch extremere Leistungen zu bieten. Für mich gibt es nur eins: Das Spektakel boykottieren. Sinken die Einschaltquoten, gibt es vielleicht ein Überdenken des Gigantismus und wieder mehr sauberen Sport.

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