Alpines Skifahren am TV: Hat der Schweizer Nationalsport an Glanz verloren?

Schaffhauser Nachrichten | 
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Hat der Skisport in den letzten Jahren an Relevanz und ­Einigungskraft eingebüsst, oder bleiben die schnellen Damen und Herren weiterhin nationale Idole?

 

von Alfred Wüger, Redaktor

Der nächste Feuz» – so lautete neulich die Überschrift auf der Titelseite der «Schweizer Illustrierten», und das Hochglanzmagazin brachte damit auf den Punkt, woran es liegt, dass der alpine Skirennsport der Jetztzeit die Massen viel weniger kratzt als früher: die Austauschbarkeit der Athleten. Es gibt im alpinen Spitzensport keine Identifikations-figuren, die es fertigbringen, dass sich ganze Familien mit den dampfenden Spaghettitellern auf dem Schoss in der guten Stube vor dem Fernseher versammeln, um lautstark und mit Messer und Gabel fuchtelnd die Idole anzufeuern. Da ich weder TV-Junkie noch Sportfan bin, lässt mich das allerdings kalt. Aber es war schon schön, damals, als man dem sonst so seriösen Bündner Onkel dabei zusehen konnte, wenn er ausflippte, weil Conradin Cathomen, Peter Müller, Vreni Schneider oder Pirmin Zurbriggen ins Ziel raste, im letzten Moment den Sturz vermied und dann zuoberst auf dem Podest stand, weil die Fahrt ein Mü schneller gewesen war als die von allen andern. Damals genoss man auch den Kommentator – unvergessen natürlich Karl Erb –, der mitfieberte, schrie und tobte, wenn Maria Walliser oder Michaela Figini unterwegs waren. «Jetzt brennen die Oberschenkel», tönte es aus dem Lautsprecher. Heute würde ein Sprecher für einen solchen Satz wohl vom Tribunal der sozialen Medien geteert und gefedert. Neulich, als ich zufällig in eine Übertragung eines Skirennens hineinzappte, stellte ich fest, dass ich getrost den Ton abstellen kann: Tachometer und Uhren füllen den halben Bildschirm, eingeblendet werden Tempo, Spitzengeschwindigkeiten, die Zeiten, Rang und Namen sowieso. Es ist also genauso wie auf einem technischen Prüfstand, wo ich von den Messgeräten die aktuellen Werte ablesen kann. Wie soll ich da emotional werden? Früher hat niemand geschrieben: «Der nächste Müller» oder «Die nächste Schneider». Das waren Originale. Nun, auch sie sind mittlerweile Schatten im Gedächtnis. Aber sie waren zu ihren Glanzzeiten viel stärker im Bewusstsein der Nationen präsent als heute die Besten, die wohl alle besser und schneller sind als die «Alten», aber eben doch keine richtigen Stars.

 

von Daniel F. Koch, Redaktor Sport

Ich behaupte, dass der Skirennsport in der Schweiz nach wie vor eine herausragende Stellung bekleidet. Gerade jetzt, bei der im schwedischen Åre stattfindenden 45. Alpinen Ski-Weltmeisterschaft kann man das wieder beobachten. Das Interesse am Wintersport ist nach wie vor sehr gross. Die Stars der Szene stehen nicht nur im Fokus der (Ski-)Welt, die ihren Mittelpunkt in den Skigebieten rund um den Globus und vor allem in Zentraleuropa hat, sondern die herausragenden Fahrerinnen und Fahrer sind in ihren Heimatländern nationale Grössen. Natürlich hat sich durch die digitale Revolution die Wahrnehmung der Heldentaten auf dem Schnee in den letzten Jahren verschoben. Doch wer einmal einen Weltcup gewonnen hat oder an Olympischen Spielen eine Medaille eroberte, der ist in der Schweiz, in Österreich, in den skandinavischen Ländern, in Kanada, ja selbst in den USA ein Sportler oder eine Sportlerin, die zur Prominenz zählt. Und wandert vom Interesse der Öffentlichkeit her oft von den Sportseiten der Medien auf die Gesellschaftsseiten. Das Interesse an den Rennen ist vielleicht nicht mehr so nationenvereinend wie früher, als vom Enkel bis zum Grossvater oder zur Grossmutter die ganze Familie sich vor dem TV-Gerät versammelt hat. Im Mittelpunkt des Geschehens sind die Skirennen aber noch immer. Mit dem Unterschied, dass die Athletinnen und Athleten von Swiss Ski heute via Social Media ihre eigenen Plattformen pflegen und persönliche News direkt an ihre Follower vermitteln. Wie hoch auch heute noch ihr Nachrichtenwert in der Schweiz ist, kann man immer wieder erleben, wenn die klassischen Medien sofort auf die News der Skistars aufspringen und diese über ihre Kanäle verbreiten. Was sich ebenfalls verändert hat, ist die Qualität der Rennberichterstattung. Nicht nur die Läufe werden spektakulärer in Szene gesetzt als früher. Wer solche Sportsendungen verfolgt, wird auch bestens mit spannenden Hintergrundinformationen versorgt. Man erfährt alles über die Strecken, das Material und die Fahrerinnen und Fahrer sowieso. Darum sind Skirennen nach wie vor allerbeste Unterhaltung, auch wenn das Alpinduell zwischen der Schweiz und Österreich heute nur noch zweitrangigen Wert hat.

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