Ein «Godeli» könnte ihm guttun

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Thomas Feurer

Feurer meint ...

Die News überschlagen sich, der neue Präsident versetzt die Welt in Daueraufregung, und, zugegeben, es wäre naheliegend, in diesem Reigen zusätzlich mit- und anzuklagen. Trotzdem versuche ich, einen Seitenweg zu finden. Einen, in dem der Lärm der Hauptstrasse etwas weniger gross ist, wo die Leute jedoch ebenso unterwegs sind und sich im Alltag bewähren und zurechtfinden müssen. Bei den meisten Menschen auf dieser Welt überwiegen sowieso die ökonomischen Sorgen und ihr vitales Bedürfnis nach Gesundheit und Sicherheit – für Wildwestfilme haben sie keine Zeit. Und während in unserem wohlhabenden Land die beiden ersten Aspekte einigermassen abgedeckt sind, teilen wir mit dem Rest der Menschheit mindestens die Sehnsucht nach Geborgenheit und einem friedlichen Zusammensein. Darüber hinaus brauchen wir alle gesunde Luft zum Atmen und ein anregendes Umfeld, in dem wir unsere Interessen und Gefühle ausleben und entwickeln können. Ganz zuerst gehören dazu die Familie und Freunde, auf die wir uns verlassen können. Dazu gehören aber auch kulturelle Angebote und Sport- oder andere Freizeitmöglichkeiten, die uns Begegnungen und Austausch ermöglichen. Und nicht zuletzt gehört dazu die Natur mit ihren kostbaren Landschaften, Pflanzen und Tieren, die uns mit ihrer Schönheit, ihrer Vielfalt und ihren Fähigkeiten zum Staunen bringen. Den Tieren und ihrer Wirkung auf uns als vordergründig überlegene Wesen möchte ich nun die nächsten Zeilen widmen, denn eine Welt ohne sie möchte man sich gerade in diesen Zeiten nicht vorstellen.

Seit fünf Jahren teilen meine Frau und ich unser Dach mit einer kleinen Coton-de-Tuléar-Hündin namens «Godeli». Ich war zwar schon immer von Hunden fasziniert und mochte es schon früher, wenn sie mir unbekümmert ihre Zuneigung zeigten. Gleichzeitig konnte ich mir schlecht vorstellen, selbst für ein Haustier verantwortlich zu sein. Ich fürchtete vor allem, meine Freiheit – die ich als Stapi sowieso nicht hatte – zu verlieren und ständig Gassi gehen zu müssen. Natürlich war der Wunsch meiner Frau aber grösser, und so kam «Godeli» eines Tages bei uns an, klein, weiss und furchtbar unbeholfen. Was nun? Das ist schnell erzählt, denn ihre Unbeholfenheit übertrug sich noch am gleichen Tag eins zu eins auf mich und sensibilisierte mich plötzlich für Dinge, die ich in dieser Form noch nie erlebt habe – gleichzeitig bekamen aber auch alle anderen Tiere eine neue Rolle in meinem Leben. Ich habe wahrscheinlich instinktiv begriffen, dass es im Verhältnis Mensch–Tier um Fürsorge im besten Sinn geht. Um die Sorge des Stärkeren gegenüber dem Schwächeren und um das Bewusstsein und die Empathie, die sich beim Stärkeren in seiner Sorge entwickeln können. Ein Bewusstsein, das fast mehr Gefühl als Überzeugung ist und die betroffenen Stärkeren so intensiv im Innersten berühren kann, dass die von ihnen Behüteten ihre Gegenleistung für die Fürsorge fast schon erbracht haben. Ich gebe zu, dass es sich bei solchen Gefühlen um etwas sehr Privates handelt, denn Rührung zu zeigen, ist in meiner Generation leider immer noch verpönt.

Und damit zurück zu «Godeli» und den anderen grossen und kleinen Tieren, die uns in Häusern, Ställen und in der freien Wildbahn begegnen und begleiten. Zum Glück gibt es sie, und zum Glück sind sie für viele Menschen längst nicht mehr nur Lieferanten von Fleisch, Milch und Pelzen. Zum Glück mahnen sie uns daran, dass wir selbst für ihre Vielfalt, für ihr Überleben und ihre Würde verantwortlich sind und sie deshalb nicht nur unsere Steaks oder sonst Wurst sein können.

Nun weiss ich zwar, dass für den neuen Präsidenten seine eigenen Filets und Entrecôtes mit Abstand die grössten und besten sind. Trotzdem wünsche ich ihm auch noch einen Hund, der ihn vor Freude fast umwirft, wenn er nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommt. Ein Tier, gross oder klein, weiss oder schwarz, das ihn daran erinnert, dass wir uns gegenseitig brauchen und uns Sorge tragen müssen. Weil wir sonst vergessen, dass wir alle ein Teil dieser Natur sind, die wir nicht geschaffen haben, die uns aber anvertraut wurde. Ich wünsche dem Präsidenten also ein «Godeli» und garantiere ihm, dass ihn der vierbeinige Freund immer wieder auf andere und grundsätzlich menschenfreundliche Gedanken bringen würde. Und solche Freunde werden er und wir alle sicher noch brauchen.

Thomas Feurer war von 1997 bis 2008 Sozial- und Kulturreferent und von 2009 bis 2014 Stadtpräsident von Schaffhausen.

Die An- und Einsichten unserer Kolumnisten publizieren wir gerne, weisen aber darauf hin, dass sie nicht mit jenen der Redaktion übereinstimmen müssen.

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