Medien- und Meinungsvielfalt statt Magenbrennen

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Thomas Feurer

Feurer meint ...

Zugegeben, ich war schon immer mehr Radio- als Fernsehfreak. Daneben lese ich Zeitungen und mag es, Musik und Sprache unmittelbar zu erleben oder mir die Geschichten im Kino erzählen zu lassen. Aber hin und wieder dringt auch bei uns ein «Tatort» in die gute Stube, garniert von einigen Werbefenstern, deren Botschaften ich leider in sieben von zehn Fällen gar nicht verstehe. Schrill und mit schnellen Bildschnitten wird mir das ultimative Glück versprochen, wenn ich nur endlich bei diesem oder jenem Onlineversand, Elektronikmarkt und Windelhersteller einkaufe oder ein altersgerechtes Vitaminpräparat einwerfe – wobei ich im letzten Fall wenigstens vor Risiken und Nebenwirkungen gewarnt werde. Und fast garantiert sind solche, wenn einmal ein im Kino verpasster Film in einem rein werbefinanzierten Sender geschaut werden muss.

Der Streifen dauert dann fast doppelt so lange und wird alle gefühlten zehn Minuten durch die gleichen ­Werbesequenzen unterbrochen, die mir Biere, Milchschnitten, Pizzas und Würstchen so schmackhaft machen wollen, dass ich die Filmnacht dank einem ordentlichen Magenbrennen nicht so schnell wieder vergesse. Nicht wenige Zeitgenossen haben sich ­wegen dieser Risiken wohl gesagt, dass sie am besten schon zu Beginn des Fernsehabends das eigene Nachtprogramm einschalten und spätestens nach dem Sportteil der Tagesschau in den Schlafmodus kippen. Dafür soll es ja besonders bequeme und für die Wohnzimmerästhetik sehr attraktive Fernsehsessel geben.

Ja, so verführerisch stelle ich mir ein echtes Fernsehleben vor, und deshalb wähle ich unter den elektronischen Medien lieber das Radio, wo ich mir die Bilder selber vorstellen und im Notfall sogar weghören kann. So stellen sich aber auch die werbefinanzierten TV-Kanäle unser Leben vor und servieren uns Tag für Tag ihre Würstchen und Windeln, gerne unterbrochen von lustigen Spiel- und Spass-sendungen, in denen sich für eine kleine Pein­lichkeit leicht ein paar Tausender ver­dienen lassen.

Ein einfaches Rezept

Mein Spass ist an dieser Stelle allerdings zu Ende, denn immer lauter wird der Ruf, die Radio- und Fernsehangebote von SRF massiv zu reduzieren. Das Rezept ist einfach, es hat sich auch in der Politik bewährt und heisst möglichst rabiater Mittelentzug. Denn wenn die öffentlichen Sender in unserem Land weniger Gelder aus Gebühren und Werbung bekommen, wird der Kuchen für die privaten Anbieter umso grösser.

Diese Rechnung wird aber nur für die grossen internationalen Player aufgehen, denn längst wandern die Werbebudgets der globalen Anbieter nicht mehr in regionale oder nationale Fenster, sondern in länderübergreifende private Senderketten und vor allem ins Internet und zu den sozialen Netz­werken. Der Mittelentzug durch die No-Billag-Initiative oder die Gebührenhalbierung stärkt also nicht die regionalen oder die kleineren nationalen Anbieter – wie zum Beispiel die Schaffhauser Medienlandschaft –, sondern sie schwächt diese zugunsten von ­informellen Eintöpfen in unbekannten oder zweifelhaften Händen. Weder die grossen Medienkonzerne noch ­Medienzaren wie Murdoch und Berlusconi stehen für das, was ich unter einem breiten Medienangebot verstehe, vielmehr agieren sie in ihren eigenen Welten und sind im Gegensatz zu SRF kaum kontrollierbar.

Deshalb ist es zwar verständlich, dass sich Natalie Rickli als Managerin bei der grossen internationalen Goldbach Media für eine finanzielle Beschneidung von SRF engagiert und sich davon einen eigenen Marktvorteil verspricht. Nicht nachvollziehbar ist hingegen, dass sie den Konsumenten gleichzeitig mehr Vielfalt und Qualität verspricht. Das Gegenteil würde der Fall sein, und Spartensender wie Radio SRF 2 oder aufwendige Reportagen über Kultur und Sport in Radio und Fernsehen sowie die Filmförderung würden massiv eingeschränkt oder gar verunmöglicht. Gleiches droht den Sendegefässen in der französischen, italienischen und rätoromanischen Schweiz, die überproportional von den heutigen Einnahmen profitieren.

Ein Kahlschlag ist deshalb nicht im Interesse unseres Landes, und die ­Alternative müsste sein, dass SRF den privaten Anbietern seine anerkannt guten Informationsgefässe zur Ver­fügung stellt und ein gerechteres ­Gebührensplitting unsere Medien- und Meinungsvielfalt sichert. Ob dabei auch die exotischeren TV-Kanäle von SRF erhalten bleiben müssen, ist durchaus diskutabel.

Thomas Feurer war von 1997 bis 2008 Sozial- und Kulturreferent und von 2009 bis 2014 Stadtpräsident von Schaffhausen.

Die An- und Einsichten unserer Kolumnisten publizieren wir gerne, weisen aber darauf hin, dass sie nicht mit jenen der Redaktion übereinstimmen müssen.

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