Viel mehr als Makkaroni oder Penne

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Thomas Feurer

Feurer meint ...

Frühlingsferien in Frankreich und erst noch in der Provence – einfach herrlich. Dazu gab es nichts Geringeres als die endgültige Entscheidung um die Ablösung im Élysée, um die Nachfolge des unglücklichen François Hollande, der seinem Land in seinem fünfjährigen Regnum noch weniger genützt als geschadet hat – was ihn allerdings nicht daran hinderte, im Rückblick trotz rekordhoher Arbeitslosenzahl von einer erfolgreichen Regierungszeit zu sprechen. Eine Arbeitslosigkeit, die ihn nun selbst erfasst, aber dank dicken Kissen wohl ziemlich ruhig schlafen lässt. Sein ebenso unglücklicher parteiinterner Nachfolgekandidat Benoît Hamon lief im seichten Fahrwasser Hollandes schon in der Vorwahl mit lediglich sechs Prozent Wähleranteil auf Grund und bescherte der stolzen Parti socialiste (PS) eine historische Niederlage. Nicht viel besser erging es dem republikanischen Haudegen und Putin-Versteher François Fillon, der über seine öffentlich gut bezahlten, aber wenig beschäftigten Familienmitglieder und den Hang zu sündhaft teuren, aber geschenkten Massanzüge stolperte. Mit seinem Resultat von 20 Prozent musste er in der Stichwahl gegen den inzwischen parteilosen, ehemaligen Wirtschaftsminister Emmanuel Macron der rechtsextremen Marine Le Pen den Vortritt lassen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Fünften Republik war damit keine der beiden staatstragenden Parteien in der Endausmarchung um die Präsidentschaft dabei. Der Grund war aber kein Naturereignis, sondern offensichtliches inhalt­liches und personelles Versagen der Verantwortlichen infolge langer, unreflektierter Selbstgerechtigkeit.

Auf die Piste geschickt wurden also mit dem blonden Gift aus dem Hause Le Pen und dem liberalen Jungspund Emmanuel Macron zwei bestens ausgebildete nordfranzösische Persönlichkeiten, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Hier die Frau, die sich für linke Beschäftigungsrezepte, rechtsnationalen Isolationismus und mehr Nähe zu Russland aussprach. Dort der weltoffene, sozialliberale Ex-Banker, der die Gewerkschaften Mores lehren und Europa zum finanziellen Eintopf für leidende und prosperierende Mitgliedsstaaten machen will – wobei er als schlauer Investment­spezialist natürlich genau weiss, welche Vorteile sein Land bei einer Ver­gemeinschaftung der Schulden hätte. Die Frage der neuen Ausrichtung bei dieser Wahl war also nicht einfach mit links oder rechts zu beantworten, sondern sie beinhaltete zwei völlig unterschiedliche Welt­anschauungen, und auch wenn beide Kandidaten jeden Auftritt mit dem gleichen «Vive la Fance!» abschlossen, meinten sie damit doch ein ganz anderes Leben für die Nation.

Nun, seit dem vorletzten Sonntag ist die Schlacht geschlagen, und Le Pens Slogan «Choisir la France» mit ihr selbst als neuer Wunschfranzösin hat nicht verfangen. Vielmehr haben sich zwei Drittel der Wählenden mit Macrons «La France doit être une chance pour tous» für ein Frankreich für alle entschieden, und das ist gut so. Und erst noch besser, als alle medialen Voraussagen über kommende Schwierigkeiten und absehbares Scheitern, die in dreimalklugen Analysen bereits vor dem ersten Arbeitstag des neuen Präsidenten ausgebreitet wurden. Ich habe mich jedenfalls – trotz anfäng­licher Skepsis – sehr gefreut, dass mit ihm jugendlicher Elan und Zukunftsglauben statt dumpfer Beschwörungen einer glorreichen Vergangenheit das Rennen gemacht haben. Vieles an ihm ist anders, vieles ist neu, und dass er als junger Weltbürger von einer intelligenten älteren Frau begleitet wird, macht ihn auf jeden Fall zu einem grösseren Hoffnungsträger als seinen älteren «America first»-Kollegen mit einer jungen Frau auf der anderen Seite des Atlantiks. Europa und die Welt werden noch allen Grund haben, Leute wie ihn, wie Angela Merkel und früher Barack Obama an den Schalt­hebeln der Macht zu wissen. Sie stehen für eine Gesellschaft ein, die sich den Realitäten der modernen Welt stellt und nicht einfach die Türen zuknallt beziehungsweise mit der Angst der Menschen ihre Geschäfte machen. Und genau deshalb ging es bei dieser Menüwahl eben nicht nur um «Makkaroni» oder «Penne», die sich bekanntlich nur wenig unterscheiden. Es ging um Mut statt Angst, es ging um Innovation statt Stillstand, und es ging um junge statt um so alte Ideen, die vor über siebzig Jahren für ganz Europa zu einem Albtraum wurden.

Thomas Feurer war von 1997 bis 2008 Sozial- und Kulturreferent und von 2009 bis 2014 Stadtpräsident von Schaffhausen.

Die An- und Einsichten unserer Kolumnisten publizieren wir gerne, weisen aber darauf hin, dass sie nicht mit jenen der Redaktion übereinstimmen müssen.

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