Was die Gen Z will – und was sie kann

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«Klar arbeite ich nicht länger, duh ...!»: So schlimm ist es um die Generation Z bestellt. Nicht. Bild: Benzoix/Reepik

Die junge Generation provoziert und irritiert. Alex Blunschi hat als Leiter des Radiosenders SRF Virus in den letzten Jahren mehr als ein Dutzend Mitarbeitende der Generation Z eingestellt, mit ihnen und für sie gearbeitet. Fünf verbreitete Klischees – und was davon zu halten ist.

von Alex Blunschi

Zuerst möchte ich vorausschicken: Die Generation Z als homogene Gruppe gibt es nicht. Man kann keine Generation einfach über einen Kamm scheren, auch nicht die Generation Z. Natürlich haben Generationen typische soziale Prägungen, solche, die uns anregen und solche, die uns irritieren. Aber je nach Erziehung, sozialer Prägung und nicht zuletzt Berufsfeld gibt es grosse Unterschiede. Dennoch gibt es Stereotype über die Generation Z, die mir immer wieder begegnen.

1. Die Generation Z sucht den höheren Sinn in der Arbeit

Ich stimme dieser These deutlich zu. Führungskräfte, die die Generation Z erreichen möchten, müssen immer mehr das «Warum» kommunizieren, und nicht nur das «Was». Warum machen wir in unserer Firma, was wir machen? Warum braucht es gerade dich in deiner Funktion in unserer Firma? Warum ist das, was wir anbieten, sinnvoll für unsere Gesellschaft?

Der Generationen-Übersetzer


Alex Blunschi (*1980) arbeitete 25 Jahre in den Medien, mehr als zehn Jahre davon in leitender Funktion. Seit Ende 2023 ist er selbstständig und berät Firmen in der Kommunikation – unter anderem darin, wie die Generation Z angesprochen werden kann.

Diese Fragen könnten Vorgesetzte irritieren und provozieren, da vorangegangene Generationen sich nicht getraut hatten, sie zu stellen. Ich sehe sie jedoch als Chance, das eigene Handeln zu hinterfragen und sich gegebenenfalls als Unternehmen neu zu positionieren. Die jungen Mitarbeiter sind die kritischsten Kunden. Wenn man ihre Fragen beantworten kann, macht man vieles richtig. Ja, das erfordert manchmal Geduld und Zeit, aber diese Gespräche mit den Mitarbeitern der Generation Z sind lohnenswert. Eine aufwendige Kundenbefragung kann möglicherweise vermieden werden. In den letzten Jahren habe ich oft festgestellt, dass ein einfaches «Wieso muss ich das so machen?» nicht als Provokation der Mitarbeiterin gemeint ist, sondern schlicht Interesse und Lernwillen ausdrückt. Letztlich hat die Frage sogar dazu beigetragen, das Produkt zu verbessern, da ich selber eine Antwort auf das «Wieso?» finden musste.

2. Die Generation Z ist ständig am Smartphone

Auch hier stimme ich mehrheitlich zu: Ja, aber nur so, wie sie es wollen. Ja, die Generation Z unterscheidet nicht zwischen einem Leben online und offline. Unternehmen können sich die digitalen Fähigkeiten der jungen Leute zunutze machen, da sie mit Smartphones aufgewachsen sind. Das Smartphone ist ein Arbeitsgerät. Junge Menschen mit Smartphone haben keine Probleme damit, E-Mails zu schreiben und zu lesen, Fotos und Videos zu machen und zu bearbeiten sowie Dokumente zu erstellen. Allerdings ist das Telefonieren mit dem Smartphone nicht ihre Stärke.

Die Generation Z bevorzugt das Schreiben von Nachrichten. Es ist für sie einfacher, schriftlich zu kommunizieren als ein Telefongespräch zu führen.

Die Generation Z bevorzugt das Schreiben von Nachrichten. Für sie ist es einfacher, schriftlich zu kommunizieren. Sie sind mit Dutzenden Chatnachrichten aufgewachsen und das ist für sie Alltag. Ich beobachte, dass viele junge Menschen geschäftliche Telefonate scheuen oder sich dagegen sträuben. Ausserdem haben sie oft nie gelernt, ein umfassendes Gespräch zu führen, in dem alle Fakten, Rahmenbedingungen und Informationen restlos geklärt werden. Als Vorgesetzte können Sie hier den Unterschied machen, indem Sie den jungen Menschen beibringen, wie man solche Gespräche führt.

3. Die Generation Z legt Wert auf Work-Life Balance

Das stimmt. Und die Corona-Pandemie dürfte diesen Effekt weiter akzentuiert haben. Gerade als die ältesten Vertreter der Generation Z die Welt erkunden wollten, war dies nicht möglich. Im Alter von Anfang bis Mitte zwanzig mussten sie nicht nur auf grosse Auslandsreisen verzichten, sondern auch kleine Ausflüge, Treffen mit Freunden und andere Pläne verschieben oder absagen.

Warum sollten sie das jetzt noch einmal tun? In unsicheren Zeiten ist es besser, das zu nehmen, was man sicher hat, anstatt auf etwas zu hoffen, das unsicher ist. Es gibt bereits seit einiger Zeit Sabbaticals, Auszeiten, unbezahlte Urlaube, Vier-Tage-Wochen und andere flexible Modelle. Jetzt treten die Wünsche danach geballt auf und stellen Unternehmen vor Probleme. Meine Erfahrung zeigt, dass es zielführend ist, gemeinsam eine Lösung zu finden.

Wenn sich die Generation Z ernst genommen fühlt, ist sie auch bereit, Verantwortung zu übernehmen und bei der Suche nach einer Lösung, die auch für das Unternehmen geeignet ist, Hand zu bieten.

4. Die Generation Z ist faul und unzuverlässig

Das stimmt nicht. Dies gilt vielleicht für einzelne Menschen, aber die gibt es in jeder Generation. Die Generation Z legt Wert auf Spass bei der Arbeit, im Team und eine Work-Life-Balance (siehe oben), die zu ihr passt. Faulheit hat damit aber nichts zu tun. Mitarbeitende der Generation Z blühen auf, wenn man sie richtig fordert und fördert und ihnen Verantwortung überträgt.

Klare Rahmenbedingungen und Aufträge helfen. In meinem konkreten Fall habe ich als Vorgesetzter oft über das «Was» und «Wieso» mitdiskutiert, das «Wie» habe ich dem Team überlassen. Die Resultate waren oft besser, als wenn ich mich als Chef eingemischt hätte. Fristen und Rahmenbedingungen wurden eingehalten. Ich verstand mich eher als Coach und Berater denn als Chef. Das Team selbst ist der Chef.

5. Die Generation Z sucht ständig neue Herausforderungen

Das stimmt. Die Generation Z kennt kaum Routine und muss selten auf etwas Neues warten. Ob Streaming, Essenslieferdienst oder was auch immer. Alles ist in unendlicher Vielfalt verfügbar. Immer. Sofort.

Am Beispiel Essen wird das besonders deutlich. Andere Generationen haben mangels Vielfalt dreimal im Monat Pizza bestellt, die Generation Z kennt das nicht. Zahlreiche Lieferdienste bringen täglich japanisches Sushi, Thay Curry, indische Linsengerichte, libanesische Köfte, mexikanische Fajitas, amerikanische Burger ... die Liste ist endlos.

Wie in vielen Lebensbereichen erwarten die Menschen der Generation Z auch bei der Arbeit Abwechslung, und das möglichst schnell. Hier hilft es, den jungen Menschen die Grenzen des Machbaren aufzuzeigen. Sie verstehen durchaus, dass Spezialaufgaben und Grossprojekte in einem Unternehmen begrenzt sind und nicht alle Mitarbeitenden an jedem coolen Projekt mitarbeiten können. Man muss es ihnen aber erklären, denn sie haben kaum je in einem Lebensbereich erlebt, dass man sich einschränken und gedulden muss.

Nachgefragt: «Sie haben Probleme damit, zu telefonieren»

von Alexander Vitolić

Herr Blunschi, Sie beschreiben als eine Art Generationenübersetzer, was die ältere Generation von der jungen lernen kann. Wie läuft es umgekehrt?

Alex Blunschi: Genau gleich. Die junge Generation hat neue Ideen. Die ältere Generation hat viel Erfahrung, Expertise, Branchenkenntnisse ... Der gegenseitige, offene Austausch scheint mir entscheidend zu sein für den Erfolg in Unternehmen. Nicht gegeneinander arbeiten, sondern von beiden Welten das Beste vereinen. Redet miteinander!

Wollen die Jungen das überhaupt?

Die Jungen wollen lernen. Sie wollen gefordert und gefördert werden. Entsprechend erwarten sie Aufmerksamkeit, Zeit und Anerkennung. Dies in Form von Feedbacks und neuen Herausforderungen und Projekten. Ich stelle fest, dass die Generationen inhaltlich oft gar nicht weit auseinander liegen. Aber das eine oder andere Mal führen Wortwahl und Ton zu Missverständnissen. Beidseitig.

Welche Anstrengungen unternimmt die Generation Z denn, um sich ins Arbeitsumfeld einzufügen?

Sie ist lernwillig. Wie wir das alle auch waren, als wir noch jung waren. Die Generation Z ist durchaus bereit, funktionierende Abläufe und Prozesse zu übernehmen und sich anzupassen. Sie nehmen sich einfach die Freiheit, sie zu hinterfragen. Das ist ja nichts Schlechtes, es kann aber herausfordernd sein, wenn bestehende Strukturen plötzlich hinterfragt werden. Man sollte die Frage nach dem «Wieso» auch als Chance sehen.

Okay, es gibt aber schon Sachen, auf die sie partout keine Lust haben?

Sie haben Probleme damit, zu telefonieren. (Lacht) Sie haben es schlicht nicht gelernt, darum meiden sie das Telefon und mailen oder chatten, selbst dann, wenn das objektiv viel zu umständlich ist. Zudem machte ich teilweise die Erfahrung, dass die Jungen zu sehr vielen Themen sehr schnell eine vorgefasste Meinung haben. Ich vermisse bei ihnen oft eine gewisse Medienkompetenz.

Zum Beispiel?

Durch Social Media kriegen junge Menschen viel mehr Themen in viel höherer Geschwindigkeit mit, als alle Generationen vor ihnen. Ich merke, dass sie sich zu vielen Themen sehr schnell eine Meinung bilden, was richtig und falsch, was gut und böse ist. Egal ob Krieg, Konsum, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Wenn man aber nachhakt, merkt man, dass sie kaum oder kein Hintergrundwissen zum Thema haben und sie nur oberflächlich News konsumiert haben.

Auf dem Arbeitsmarkt hat die Generation Z die Babyboomer zahlenmässig schon eingeholt. Was für einen Einfluss hat das auf den Fachkräftemangel?

Ich bin kein Experte, aber es ist plausibel, dass der Fachkräftemangel weiter zunehmen wird, wenn auf zehn Vollzeitbeschäftigte, die sich pensionieren lassen, immer nur zehn Teilzeitarbeitende nachkommen. Und Teilzeit ist bei diesen Jungen das Megathema. Bei SRF ist es mir mehrmals passiert, dass ich eine freie Position auf mehrere Köpfe verteilen musste, weil niemand den Job Vollzeit machen wollte. Das bedeutet immer zusätzlichen Koordinationsaufwand.

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