Generation Z: Fehlt es am Benehmen?

Iris Fontana | 
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Die Jugendlichen hinterfragen mehr und wollen verstehen, was sie tun. Bild: Beat Rechsteiner

«In Jogginghiosen zur Arbeit: Generation Z muss in den Knigge-Kurs» – so titelte die «Basler Zeitung» letzte Woche. Es ging um Jugendliche und ihr Verhalten bei der Arbeit. «Kronzeugin» war die Lehrmeisterin eines Pratteler Architekturbüros, die erklärte, dass 80 Prozent der Jugendlichen, mit denen sie zu tun hat, Mühe hätten, sich an gängige Anstandsregeln zu halten. Um den «Nachholbedarf» zu decken, wird sie nun einige davon in einen Knigge-Kurs schicken, damit sie Manieren lernen. Aufgebauscht oder real? Was sagen die, die in Schaffhausen oft mit Lernenden zu tun haben? Wir vom Zahltag erkundigen uns bei BBZ-Rektor Marc Kummer und seiner Kollegin Katharina Krall, Schulleitungsmitglied und Abteilungsleiterin Berufsvorbereitung und Integration. Und wir fragen bei Marcel Fringer nach, Präsident des Kantonalen Gewerbeverbands. Alle drei geben Entwarnung.

Marc Kummer, Rektor BBZ
Marc Kummer, Rektor BBZ
Katharina Krall, BBZ
Katharina Krall, BBZ
Marcel Fringer
Marcel Fringer, Präsident des Kantonalen Gewerbeverbandes

Sind fehlende Anstandsformen auch bei Lernenden in Schaffhausen ein Thema?

Marc Kummer: Das ist immer wieder einmal Thema. Allerdings ist es bei weitem nicht so gravierend, dass wir sagen müssten: Wir haben in Schaffhausen ein Problem und müssen handeln. Zum grössten Teil verhalten sich unsere Jugendlichen anständig. Halt so, wie Jugendliche sind und auch sein dürfen. Allerdings sind sie auch nur einen Tag pro Woche bei uns und dies im schulischen Kontext mit Gleichaltrigen. Wahrscheinlich ist das Problem auch aufgrund unserer Kleinräumigkeit weniger akzentuiert bei uns.

Katharina Krall: Im Berufsvorbereitungsjahr besprechen wir das Thema mit den Schülern. Wir überlegen zusammen: Welchen Eindruck hinterlasse ich, wenn ich in den Trainerhosen, einem Käpi und den Airpods in den Ohren zum Vorstellungsgespräch erscheine. Im Dialog entwickelt sich dann Verständnis und die Jugendlichen lernen auch, sich in den zwei Welten zurechtzufinden, der von ihrem Freundeskreis und der des Betriebs, welcher gewisse Erwartungen an sie hat. Das ist aber kein neues Fach, wir unterrichten dies schon seit Jahren so.

Marcel Fringer: Das Thema poppt in den letzten 20 Jahren, in denen ich mit Lernenden zu tun habe, immer wieder einmal auf. Es war aber nie so gravierend, dass Massnahmen erforderlich waren. Wir diskutierten das Thema Knigge-Kurs vor rund fünf Jahren und waren der Ansicht, dass wir in einem freien Staat leben und dass, solange keine negativen Auswirkungen oder hygienische Probleme auftreten, jeder so angenommen werden sollte wie er ist. Sicher ist es auch abhängig von der Branche. Auch spürt man das Elternhaus im Verhalten der Lernenden. Aber die ganze Gesellschaft verändert sich, nicht nur die Jungen. Da sehe ich Leute in der Stadt herumlaufen, so würde ich mich nicht einmal zuhause zeigen.

Hat sich die Kultur verändert, und falls ja, wie?

Kummer: Die vergangenen Jahre haben die Jugendlichen sicher geprägt: Die Einschränkungen aus der Coronazeit, die grossen gesellschaftlichen Herausforderungen wie die Klimakrise, der Ukrainekrieg und die ganze Social-Media-Thematik. Will heissen: Die Generation ist anders auch aufgrund des anderen Kontexts. So erlebte sie auch keine autoritäre Erziehung mehr, sondern wuchs offen auf und muss nun einen Platz in einer kreativen aber auch unruhigen Gesellschaft und Wirtschaft finden.

Krall: Ich unterrichte seit zwölf Jahren Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren und meine Wahrnehmung ist, dass die jetzige Generation Dinge mehr in Frage stellt. Und dies in mancher Hinsicht auch zu Recht. Ich erlebe die Generation aber als sehr respektvoll, stärker sogar als frühere Generationen. Die Jugendlichen fordern dies aber auch von ihrem Gegenüber ein. Ihnen ist es wichtig, für bestimmte Dinge und Anstandsregeln eine Erklärung zu haben. «Wir machen das so, weil wir es schon immer so gemacht haben», reicht als Antwort nicht mehr aus. Zudem hat jede Generation wieder neue Werte und muss sich ein Stück weit von der vorhergehenden distanzieren.

Fringer: Wie wir damals, wollen die Jungen auch heute ein Zeichen setzen. Wir hatten lange Haare und Lederjacken, heute haben sie einfach Trainerhosen an. Ich glaube nicht, dass sie schlechter sind als wir. Mein Grossvater sagte mir, als ich 16 war: Du bist der Letzte, wie läufst du auch herum? Ja, früher galt es als anständig, jemandem zur Begrüssung die Hand zu geben und das ist heute weniger selbstverständlich. Aber dies kommt auch aus der Erziehung heraus. Die Jungen haben heute auch andere Herausforderungen zu bewältigen als wir.

Hat sich auch im Lehrplan etwas verändert?

Kummer: Das Ziel der Volksschule ist es, die Schüler auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen vorzubereiten. Selbständigkeit, Kommunikation und kritisches Denken werden bewusst gefördert mit der Absicht, einen mitdenkenden Bürger zu entwickeln. Unter diesen Voraussetzungen kann es natürlich sein, dass ein Lernender bei einem Betrieb aneckt, der dafür nicht offen ist.

Was ist der wichtigste Punkt, den Unternehmen bei Lernenden beachten sollten?

Kummer: Ein Wissenschaftler referierte vor Kurzem bei uns und erklärte, dass einer der wichtigsten Punkte für das Gelingen einer Lehre das «Onboarding» ist. Das heisst, eine gute Einführung in den betrieblichen Alltag. Hier genug Ressourcen zu investieren, lohnt sich für jede Firma. Vielleicht muss man Dinge heute einmal mehr sagen, verlangen und erklären als früher. Das heisst im Umkehrschluss aber auch, dass die Volksschule ihr Ziel erreicht hat. Diese Leistung sollte auch genutzt werden.

Herr Fringer, alles eitel Sonnenschein also?

Fringer: Mehr Sorgen als die Anstandsregeln bereitet mir, dass die Jugendlichen heute oft sehr stark behütet werden – so sehr, dass sie fast ängstlich ins Berufsleben starten. Früher ging man mit 14 Jahren einfach mit dem Töffli in die Stadt in den Ausgang. Dann hatte man auf dem Heimweg einen Platten und musste halt vier Stunden nach Hause laufen. Dort bekam man dann «Lämpe» mit dem Vater, obwohl man nichts dafürkonnte. Heute würde in einem solchen Fall ein Polizeiaufgebot eingefordert. Dieses Überbeschützen der Jugendlichen, ihnen alle Herausforderungen abzunehmen, äussert sich zum Beispiel darin, dass sie mit 16 Jahren nicht in der Lage sind, selber ein Bankkonto zu eröffnen. Dies finde ich die gefährlichere Entwicklung.

Und was empfehlen Sie, wenn doch Probleme bei der Arbeit auftreten?

Fringer: Wenn ein Problem auftritt, muss der Arbeitgeber hinstehen und sagen: «So nicht!». Ich sage meinen Lernenden jeweils: Wenn du als mein Arbeiter zu einem meiner Kunden gehst, dann präsentierst du dich so, wie ich es will. Im Gegenzug habe ich sie aber auch mit den entsprechenden Hosen, T-Shirts und Jacken ausgestattet. Bei Problemen sind die Lehrmeister in der Pflicht. Wenn diese keine Grenzen setzen, müssen wir uns auch nicht wundern, dass keine eingehalten werden.

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