Der Mythos der «faulen» Generation Z

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Ist Generation Z faul? Symbolbild: Pixabay

Arbeitgeber beklagen oft die Haltung der jungen Generation. Doch die Ursachen für das geänderte Verhalten resultieren nicht aus einer Werteverschiebung, sondern aus geänderten Rahmenbedingungen.

von Gerhard Fehr*

Die Generation Z sei verwöhnt, zu wenig leistungsbereit, zu sehr auf Work-Life-Balance fokussiert, handysüchtig und wolle auch noch ein «Wir haben uns alle lieb»-Gefühl am Arbeitsplatz haben. Gerne wird übersehen, dass die Kritik an der Vorgängergeneration so alt ist wie die Menschheit selbst. Denn die «Jungen» hätten es schon immer schlechter gemacht, hört man oft. Aber stimmt das wirklich?

Die Generation Z als Geschäft

Das Kopfzerbrechen über die Generation Z ist ein unglaubliches Geschäftsfeld für Berater und Buchautoren. Tausende Bücher wurden bereits über diese Generation geschrieben und dabei lässt sich der Generationenbegriff nicht mal wissenschaftlich festmachen. Denn wer ist die Generation Z? Angeblich jene jungen Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden. Aber der Zeitraum, in dem jemand geboren wurde, definiert in der seriösen Forschung noch keine Generation. Dafür bräuchte es deutlich mehr. Bis heute ist es für Wissenschaftler schwierig bis unmöglich, Generationengruppen von jenen abzugrenzen, die sie geformt haben. Nachdem man also das Forschungsobjekt nicht definieren kann, kann man darüber auch nicht forschen.

«Nur wer sich mit den neuen Bedürfnissen und Lebens­konzepten aus­einandersetzt, wird auch in ­Zukunft Erfolg haben.»

Andere Rahmenbedingungen

Die Ursache für ein anderes Verhalten der jungen Arbeitnehmer ist keine Werteverschiebung, wie so oft proklamiert wird, sondern resultiert nicht zuletzt aus den geänderten Rahmenbedingungen. Waren in den geburtenstarken Jahrgängen der 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts Jobs eine Mangelware, so hat sich das Bild in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gedreht, wie das Beispiel Schweiz zeigt. Während durch ein enormes Wirtschaftswachstum neue Jobs in der Eidgenossenschaft entstanden, sind parallel dazu die Geburtenzahlen in den vergangenen Jahrzehnten gesunken. Laut Schweizer Bundesamt für Statistik (BFS) wurden im zweiten Quartal dieses Jahres 5,316 Millionen Beschäftigte in der Schweiz gezählt. Damit sind innerhalb eines Jahres 164'000 neue Jobs entstanden – laut BFS der stärkste Anstieg seit Einführung der Statistik in der heutigen Form im Jahr 1991. Im Oktober 2022 lag die Arbeitslosenquote in der Schweiz nach nationaler Definition (Seco) bei 1,9 Prozent. Es gibt faktisch keine Arbeitslosigkeit mehr in der Schweiz und nun gehen auch noch viele Arbeitnehmer aus den geburtenstarken Jahrgängen der 1960er-Jahre in Pension. Für Einsteiger in den Arbeitsmarkt sind das paradiesische Zustände. Denn heute diktieren nicht mehr die Unternehmen die Rahmenbedingungen für die Arbeitgeber, sondern die Arbeitnehmer können sich aus über 600'000 Unternehmen jene aussuchen, die ihren Vorstel­lungen entsprechen, nicht nur beim Thema Gehalt, sondern auch bei vielen Soft-skills wie der Kinderbetreuung, der Work-­ Life-Balance und dem Verantwortungsbewusstsein bezüglich Umwelt- und Klimaschutz.

Unternehmen müssen umdenken

Management und Personalabteilungen von vielen Unternehmen müssen sich dringend von den Generationenbegriffen wie etwa dem der «Generation Z» verabschieden. Denn in der Regel erzählen diese eine falsche «Geschichte» über Menschen. Das führt unweigerlich zu strategischen Plänen, die auf falschen Annahmen beruhen. Und die können nicht funktionieren. Nur wer sich mit den neuen Bedürfnissen und ­Lebenskonzepten auseinandersetzt, wird auch in Zukunft Erfolg haben – das gilt insbesondere für das Thema Recruiting. Wer heute nicht auf diesen Wandel reagiert, zählt morgen zu den Verlierern.

* Gerhard Fehr ist Verhaltensökonom sowie Gründer und Partner des Beratungsunternehmens FehrAdvice.

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