Apotheken mit dem Rücken zur Wand

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Jede fünfte Apotheke kämpft ums Überleben. Bild: Key

Die Ausbaupläne von Galenica Santé und der geplante Einstieg der Migros in den Medikamentenmarkt erhöhen den Druck in der Branche. Den spüren in erster Linie eigenständige Apotheken.

Von Alexa Clemenz Berger

Immer noch spielen die Apotheken in der Abgabe von Medikamenten eine zentrale Rolle. Geht doch etwas über die Hälfte der Präparate bei Apothekerinnen und Apothekern über den Ladentisch. Vor 20 Jahren waren es noch gut 60 Prozent gewesen. Selbstdispensierende Ärzte und Spitäler geben heute jeweils rund ein Viertel der Medikamente ab. Gesundheit hat ihren Preis: Für Medikamente geben Patienten und Versicherer in der Schweiz laut dem Apothekerverband Pharmasuisse jährlich rund 4 Milliarden Franken allein in Apotheken aus.

Abzüglich der Einstandspreise von 2,6 Milliarden Franken, Margen von Grossisten und Kosten für Beratung bleibe den Apotheken damit rund eine Milliarde, um alle ihre anderen Kosten zu decken und einen Gewinn zu erar­beiten, rechnet Pharmasuisse vor. Im Schnitt erzielten Apotheken einen Betriebsgewinn von rund 200 000 Franken. Rund ein Fünftel des Umsatzes müsse für Personalkosten aufgewendet werden.

Überlebenskampf vielerorts

Laut dem Verband gab es in der Schweiz Ende Jahr 1792 Apotheken. Die nach wie vor stattliche Anzahl und die Zunahme um über 9 Prozent

in den letzten zwei Jahrzehnten überraschen. Hiess es doch bereits damals, dass von den seinerzeit 1640 Apotheken knapp jede Fünfte kaum oder nicht existenzfähig sei. Auch heute schätzt Pharmasuisse-Präsident Fabian Vaucher die Lage jeder fünften Apotheke als dramatisch ein. Sie kämpften ums Überleben. Vaucher sagt, zwar steige die Zahl der Apotheken leicht an. Faktisch aber sei sie, ­wegen des Bevölkerungswachstums, rückläufig. Strukturelle Veränderungen sieht Vaucher besonders in Städten. Neue Apotheken eröffneten an stark frequentierten Orten wie Bahnhöfen, Einkaufszentren und in Innenstädten. In Quartieren und ländlichen Gebieten dagegen würden Apotheken geschlossen.

Drei Viertel sind rezeptpflichtig

Umsatzstarke Lagen können match­entscheidend sein, weil der unternehmerische Spielraum der Apotheken ohnehin begrenzt ist: Beim grössten Teil ihrer Produkte, besonders bei Medikamenten, die von der Krankenkasse bezahlt werden, sind die Apotheker nicht frei in der Preisgestaltung. Der Umsatzanteil rezeptpflichtiger Medikamente beträgt dabei laut Pharmasuisse drei Viertel. Ist das übrige Viertel aus rezeptfreien Medikamenten eine Chance? Wohl eher nicht, sagt Vaucher: «Mittel- und längerfristig zeichnet sich hier sicher kein Wachstumsmarkt ab, obwohl Selbstmedikation und Gesundheitsbewusstsein der Leute steigen.»

Apotheker als Unternehmer

Einen Ausweg, um Kosten zu senken, sehen viele Apotheker im Anschluss an Ketten und Gruppierungen. Pharmasuisse stellt hier eine «grosse Dynamik» fest. Vaucher glaubt, dass sich künftig Ketten und Gruppierungen aufgrund des Marktdrucks wohl noch stärker zulasten «eigenständiger Apotheken» durchsetzen. Bereits heute sind lediglich 15 Prozent der Apo­theken wirtschaftlich selbstständig. 57 Prozent haben sich zu Gruppierungen wie TopPharm, Rotpunkt, Win­concept Partner oder Fortis zusammen­ge­schlossen. Damit bleiben die Apotheker unabhängige Inhaber, profitieren aber von Synergien etwa im Einkauf, Marketing oder in der Weiterbildung. 28 Prozent der Apotheken gehören zu Ketten wie Galenica, Benu oder Topwell. Bei solchen Apotheken sind die Apotheker Angestellte. Die mit Abstand grösste Kette ist die Galenica-Gruppe (Amavita, Sun Store und Coop Vitality) mit 329 Apotheken. Galenica Santé hat in den letzten sechs Jahren nach eigenen Angaben 62 Apotheken in der Schweiz aufgekauft.

Auch in den nächsten Jahren will Galenica nicht nur organisch wachsen, sondern weiterhin auch durch Akquisitionen: 5 bis 15 neue Apotheken sollen dazukommen. Man werde kaufen, schliessen und optimieren, hiess es jüngst an der Bilanzmedienkonferenz. Galenica sieht sich in einem stabilen, attraktiven und widerstandsfähigen Markt.(sda)

Börsengang: Galenica Santé legt einen fulminanten Start hin – 10 Prozent über Ausgabepreis

Galenica Santé ist der Börsengang geglückt. Die Aktien des Apothekenbetreibers und Medikamentenhändlers waren gestern rege gefragt. Laut dem Unternehmen deckten sich Investoren, die bei der Aktienzuteilung leer ausgegangen waren, mit den Papieren ein. Die ersten Galenica-Santé-Aktie wurden zu 43 Franken ­gehandelt, was nach einer kleinen Schwächephase auch der Schlusskurs war. Dieser lag gut 10 Prozent über dem Ausgabepreis von 39 Franken. Die Aktie gilt als defensiver Titel. Das sind Papiere ohne grosses Wachstumspotenzial, aber mit relativ stabiler ­Entwicklung ohne beträchtliche Schwankungen. Galenica benennt sich nach der Abspaltung von Galenica Santé in Vifor Pharma um. In diese, die mit Vifor International in St. Gallen einen Standort hat, werden die Einnahmen von 1,95 Milliarden Franken aus dem Börsengang investiert.

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