Die offenen Baustellen für Yakin

Tobias Erlemann | 
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Auf Murat Yakin wartet beim Tabellenletzten der Challenge League viel Arbeit. Hier ein Überblick über die wichtigsten Baustellen.

Welche Dimensionen die ­Verpflichtung von Murat Yakin haben wird, erlebten die Verantwortlichen um FCS-Geschäftsführer Marco Truckenbrod Fontana bereits kurz nach Bekanntgabe der Nachricht. Das Thema wurde von den nationalen Medien aufgegriffen. Sicherlich wegen des Prominentenbonus, den Yakin in der Schweiz geniesst. Er ist 49-facher Internationaler, spielte in den grossen Ligen von Europa und trainierte grosse Clubs in der heimischen Schweiz und zuletzt sogar den russischen Traditionsclub Spartak Moskau. Darum sorgte die Zusage des 42-Jährigen beim Letzten der Challenge League für Aufsehen. Doch unabhängig von Yakins bisheriger Karriere – die Arbeit bleibt für den neuen Trainer des FCS die Gleiche. Er muss einen möglichen Abstieg in die dritthöchste Liga, die Promotion League, verhindern. Eine Aufgabe, die Yakin als «spannend» beschreibt. Um einmal aufzuführen, was den Trainer, der mit dem besten Schweizer Club, dem FC Basel, zweimal Meister wurde, erwartet haben wir die wichtigsten Baustellen und Fragen zu der als sensationell anmutenden Verpflichtung aufgeführt.

Wer zahlt?

Ein Trainer, der auch europaweit bei Grossclubs auf dem Radar ist, hat seinen Preis. «Da gab es keine Pro­bleme. Wir haben ihm ein Angebot unterbreitet», sagt Truckenbrod Fontana. Er habe Yakin einen normalen Vertrag vorgelegt. Yakins Vertrag läuft zunächst bis 2017. Gibt es eine Verlängerungsoption? «Das war bisher kein Thema.»

Wie geht es mit dem Staff weiter?

Werden die bisherigen Assistenztrainer Neno Kuruzovic, Wolfgang Stolpa und Antonio Dos Santos ihren Job auch unter Yakin ausüben? Oder stösst Murats Bruder Hakan Yakin zum Staff hinzu. Hakan wäre verfügbar, weil er vor wenigen Tagen seinen Job als U-21-Coach des FC St. Gallen aufgegeben hat. Hakan Yakin war kein Thema beim FCS. Über die Assistenztrainer wird zu gegebener Zeit geredet.

Verstärkungen holen?

Die grösste Baustelle betrifft das Team. Einig sind sich alle, dass die Mannschaft verstärkt werden muss. Hier könnte der Name Yakin Türen öffnen. Die Frage ist, ob der Club die nötigen Mittel aufbringen kann. «Ich habe mir schon Ideen aufnotiert. Wir werden gemeinsam überlegen, was möglich ist», sagt Truckenbrod Fontana.

Bleibt Tadic?

Wie planen Yakin und der Club mit Goalgetter Igor Tadic? Am 31. Dezember läuft der Vertrag des Goalgetters aus. Nach fast einjähriger Verletzungspause war Tadic immer besser in Form gekommen. Der kürzlich 30 Jahre alt gewordene Familienvater würde gern beim FCS bleiben. Ein fitter Tadic und dazu Youngster Shkelqim Demhasaj wäre in der Challenge League ein Knipserduo der gehobenen Klasse.

Längerfristig beim FCS?

Ist es möglich, den Yakin-Vertrag über den Sommer 2017 hinaus zu verlängern? Der Lipo-Park als neue Heimat des FC Schaffhausen ist auf die Bedürfnisse eines Super-League-Clubs ausgerichtet. Wäre es eine Option, sollte sich der FCS so entwickeln, wie die Verantwortlichen das hoffen, dass Murat Yakin weiterarbeitet? Mittelfristig mit dem Ziel, ein Team für die höchste Schweizer Liga aufzubauen? Wäre das eine Option für ihn? Würde der Club die dafür benötigten Mittel aufbringen können? «So weit haben wir noch gar nicht gedacht. Wir planen Schritt für Schritt, ohne grosse Pläne», bremst Truckenbrod Fontana. «Zunächst müssen wir erst einmal unsere Hausaufgaben machen. Und die heissen: raus aus der Abstiegszone.»

Das auf den ersten Blick so ungewöhnliche Engagement von Yakin («Von Moskau in die Challenge League») könnte sich nicht nur für den Club auszahlen, denn auch im Palmares des Münchensteiners würde es sich gut machen, wenn er bei einem kleinen Club eine existenzielle Krise meistert und mit bescheidenen Mitteln zum Erfolg führt. Auch für die Eitelkeit wäre es gut, sollte Yakins Schaffhauser Mission gelingen. Er wäre dann der Trainer, der den FCS ins neue Stadion geführt und den Ligaerhalt geschafft hat. So etwas bleibt dann im Langzeitgedächtnis der Fussballfans.

Interview mit Erich Vogel, die graue Eminenz im Schweizer Fussball

Vogel: «Murat war schon als Spieler speziell»

Erich Vogel kennt alles und jeden im Schweizer Fussball – und hat Murat Yakin beim Einstieg ins Trainerbusiness geholfen.

Erich Vogel war unter anderem Trainer, Sportchef und Vizepräsent beim Grasshopper Club Zürich. Auch für den FC Basel, für Xamax, Aarau und den FC Zürich war der 77-Jährige tätig. Seine Macht und sein Einfluss waren immens. Und noch immer ist er im Fussballbusiness viel unterwegs. So ebnete er Neu-FCS-Coach Murat Yakin einst den Weg ins Trainerbusiness, als er ihn erst zu Concordia Basel lotste und ihn dann zweimal zu GC holte.

Erich Vogel, was halten Sie von dem Coup, Murat Yakin nach Schaffhausen zu holen?

Ich finde es gut, dass Yakin diese Chance wahrnimmt. Es ist eine Win-win-Situation für beide Parteien. Der FCS steckt zwar in einer sehr schwierigen Situation, und Yakin trifft auf eine verunsicherte Mannschaft. Er wird aber den Klassenerhalt packen, davon bin ich überzeugt.

Yakin war über anderthalb Jahre ohne Job. Ist es für ihn eine Notlösung, um seine Karriere neu zu lancieren?

Ein Trainerjob im Profifussball ist nie eine Notlösung. Glaubt man den Medien, war Yakin ja bei vielen Vereinen im Gespräch. 90 Prozent der Gerüchte sind jedoch frei erfunden. Das lancieren Berater, damit ihr Klient im Gespräch bleibt. Es ist nicht einfach, eine durchgängige Laufbahn als Trainer zu haben. Einer von 100 schafft das vielleicht. Christian Gross ist so ein Fall. Oder auch Hanspeter Latour. Aber davon gibt es immer weniger.

Passt denn Yakin nach Schaffhausen?

Er passt besser hierher als ­damals im Berner Oberland zum FC Thun. Aber auch dort hat er die Ärmel hochgekrempelt, Vollgas gegeben und sogar den Aufstieg geschafft.

Sie legten den Grundstein zur Trainerkarriere von Yakin, als Sie ihn zu Concordia Basel holten und dann zu GC. Was überzeugte Sie am Trainer Yakin?

Murat war schon als Spieler speziell. Er war physisch nicht der Beste, hatte aber eine gute Sprungkraft. Und: Er war auf den ersten 5 Metern extrem schnell – dann baute er aber auch schnell ab, über 20 Meter gehörte er dann zu den Langsamsten. Aus dieser Schwäche hat er aber eine Stärke gemacht, da er das Spiel sehr gut antizipieren konnte und immer richtig stand. Er dachte wie ein Trainer, wollte das Ganze überblicken. Die Voraussetzungen für eine Trainerkarriere waren also früh da.

Sehen Sie auch Schwächen?

Im Bereich der Sozialkompetenzen musste er dazulernen. Er eckt auch gerne mal an. So war er in Basel mit der Situation ein wenig überfordert. Er hatte zwar Erfolg, aber wenn du Stars wie Alex Frei und Marco Streller im Team hast, die einen eigenen Kopf haben, dann musst du erst lernen, wie man mit ihnen umgeht.

Seine Zeit bei Spartak Moskau war aber auch nicht gerade überragend.

Dort hat er die Situation unterschätzt. Du sprichst die Sprache nicht, im Land herrscht ein grosser Rassismus, Ausländer als Trainer haben es somit eh schwer. Und die russischen Spieler sind bequem, da verdienen mittelmässige Akteure Millionen. Die sind zufrieden, deshalb gibt es kaum Russen, die in Westeuropa spielen.

Warum passt Murat Yakin zum FCS?

Er passt hierher, weil er Erfolg haben will und sich nicht zu schade ist, zum Tabellenletzten der Challenge League zu gehen. Er will sich beweisen und hat hier gute Voraussetzungen. Das neue Stadion ist ein Vorteil.

Warum?

Weil dort auf Kunstrasen gespielt wird. Damit haben Gegner, die nicht ständig auf Plastik spielen, sicher ihre Probleme. Denn der Fussball auf Kunstrasen ist ein wenig anders als auf Naturrasen. Und wer den Grossteil seiner Heimspiele gewinnt und auswärts auch ab und an mal punktet, der steigt nicht ab.

Es geisterten viele Namen durch die Gerüchteküche. War Yakin auch Ihr Favorit für den Job beim FCS?

Ich hätte gedacht, dass einer wie Rolf Fringer, der ja eine Schaffhauser Vergangenheit hat, dem Verein in dieser schwierigen Phase sofort zur Seite steht. Aber Fringer hatte wohl kein Interesse. Und genau das ist auch der Unterschied zwischen ihm und Yakin: Fringer ist schon älter und ein Auslaufmodell. Yakin ist ein junger Trainer, der noch angriffslustig ist und die Chancen sieht, die ihm das Projekt FC Schaffhausen bieten.

Sie sind viel in den Schweizer Stadien unterwegs. Wird man Sie jetzt öfter in Schaffhausen antreffen?

Ich werde mit Sicherheit einige Spiele im neuen Stadion anschauen. Noch habe ich nicht herausgefunden, wie ich von Zürich aus zum Lipo-Park komme, ich werde mir den Bus- und Zugfahrplan aber bald mal anschauen.

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