Murat Yakin und seine grosse Mission

Daniel F. Koch | 
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Ein Mediengrossaufgebot versammelte sich gestern im Hotel Chlosterhof in Stein am Rhein, um der Vorstellung des neuen FCS-Trainers Murat Yakin beizuwohnen. Der freute sich über seinen Auftrag in den nächsten sechs Monaten. Er soll mit dem FCS den Ligaerhalt schaffen.

«Man begegnet sich im Fussball immer zweimal», erklärte der 42-jährige Fussballlehrer, der nach einer 14-monatigen Pause wieder ein Engagement als Trainer angenommen hatte. Schon einmal hatte Aniello Fontana, der momentan erkrankte Clubbesitzer des FC Schaffhausen, bei Yakin angeklopft, um ihn zu verpflichten. Das war vor etwa acht, neun Jahren, wie sich der 49-fache Schweizer Internationale erinnerte. Doch damals passte es Yakin (noch) nicht.

In diesen Tagen war das anders, wie Yakin verriet. Wieder ereilte ihn der Ruf von Fontana. «Man merkt es ihm an, dass er mit viel Herzblut für seinen Club und die ganze Region kämpft», erzählte Yakin. Und dieses Mal passten die Umstände und auch die Aufgabe. Die ist allerdings heikel. Denn der FC Schaffhausen ist Tabellenletzter der Challenge League und hat sogar noch zwei Punkte Rückstand auf den Nichtabstiegsplatz, den der FC Chiasso belegt. Der Wechsel des berühmten Schweizer Fussballers in die Provinz hatte landesweit für Aufsehen gesorgt. Das war bei der Präsentation des neuen Schaffhauser Trainers zu sehen. Rund 50 Medienvertreter sowie etliche Vertreter der wichtigsten Sponsoren waren gekommen. Selbst aus Genf war ein Journalist angereist um über die sensationell anmutende Verpflichtung des namhaften Trainers zu berichten.

Ist es nun ein Abstieg?

Ob er seinen Wiedereinstieg ins Fussballgeschäft als Abstieg betrachte, wurde Yakin gefragt. «Ich sehe die Aufgabe in Schaffhausen als grosse Herausforderung», sagte Yakin. Er erklärte, dass er in den ersten zehn Jahren seiner Trainerlaufbahn nur eine Richtung gekannt habe: immer steil nach oben. Als Spielertrainer fing er beim FC Frauenfeld an, danach folgten Concordia Basel und eine Anstellung als Co-Trainer bei GC. Es folgten Cheftrainerjobs beim FC Thun, beim FC Luzern und beim FC Basel. Dort wurde er zweimal Meister und erreichte die Halbfinals der Europa League. Dann wurde er entlassen und von Spartak Moskau geholt. Nach seiner Entlassung in der russischen Hauptstadt folgte eine mehrere Monate dauernde Pause.

Pause als Orientierungsphase

Für Yakin war es eine Phase, in der er seine Einstellung zu Beruf, Leben und Familie reflektieren konnte, wie er gestern zugab. Der 42-Jährige hatte darum auch schon vor Längerem erklärt, dass er bei einem weiteren Engagement als Trainer nicht auf Namen schauen würde, sondern auf die Aufgabe, die er zu erledigen habe. Und beim FC Schaffhausen passte darum jetzt alles für ihn. «Ein weiteres entscheidendes Kriterium im Fussball ist das richtige Timing», sagte Yakin. Und das sei im Fall Schaffhausen auch wegen des Umzugs ins neue Stadion vorhanden. Als Bauchmensch habe er das gefühlt und darum zugesagt. «Ich habe auf allen Ebenen im Schweizer Fussball gearbeitet und bin für diese Aufgabe bereit», glaubt er. Auch wenn in einigen Medien von Yakins Neustart und der Neulancierung seiner Karriere geschrieben wurde, so ist für den Familienvater die Rückkehr auf den Fussballplatz, den er jetzt wieder geniesst, in erster Linie «eine spezielle Herausforderung». Zumal er durch seine Pause die Zeit fand, um die erste Dekade der Trainerkarriere mit Distanz und durchaus selbstkritisch zu betrachten. «Natürlich habe ich auch Fehler gemacht», gibt Yakin heute zu. Und der natürlich diese Seite seiner Persönlichkeit in die neue Arbeit einbringen wird.

Sportlich betrachtet, möchte er in den 18 Spielen bis zum Sommer den Tabellenletzten vom Abstiegsplatz wegführen. «Das heisst mindestens ein Platz besser sein als jetzt. Wer mich kennt, der weiss, dass ein solches Minimalziel nicht der Anspruch ist, den ich habe», erklärte Murat Yakin. Jetzt macht er noch eine Woche Ferien mit seiner Familie, ehe er am 4. Januar mit seiner Mission beim FC Schaffhausen beginnen wird. Abstieg sei kein Thema, sagt er. «Ich bin ein positiver Mensch und schaue nach vorn. Das Thema beschäftigt mich nicht.»

 

«Ich möchte etwas bewegen»

Sie haben beim FC Schaffhausen, dem Letzten der Challenge League, einen Vertrag unterschrieben. Ist das ein Abstieg für Sie?

Murat Yakin: Nein, überhaupt nicht. Es ist für mich eine grosse Herausforderung. Ich bin ein Mensch, der sich bei einer Aufgabe gerne einbringt und etwas bewegen möchte. Dieses Gefühl habe ich hier. Ausserdem wollte mich Präsident Fontana früher schon einmal verpflichten. Damals hat es nicht ­gepasst. Jetzt passt alles.

Wann starten Sie mit Ihrer Arbeit, und wie gut kennen Sie Ihre Spieler?

Wie werden am 4. Januar den Trainingsbetrieb in dem neuen Stadion, dem Lipo-Park, aufnehmen, was für alle Beteiligten ebenfalls speziell sein wird. Zunächst einmal geht es darum, dass die Spieler mich und ich sie kennen lerne. Bisher hatte ich noch nicht viel Zeit, den FC Schaff-hausen zu studieren. Vom Kader kenne ich natürlich Gianluca Frontino oder Faruk Gül. Ausserdem habe ich den Weg von Shkelqim Demhasaj mit- verfolgt.

Wird der FCS in ein Trainingslager ­gehen, um sich auf den Überlebenskampf im Frühjahr vorzubereiten?

Nein, das ist nicht geplant. Wir können im neuen Stadion trainieren. Dort existiert eine Rasenheizung. Da sind wir unabhängig. Geplant ist, dass wir möglicherweise ein Kurztrainingslager für ein, zwei Tage durchführen, um den Zusammenhalt im Team zu fördern.

Einig sind sich alle Beobachter, dass der FCS nach den Abgängen von Igor Tadic, Imran Bunjaku, Admir Seferagic und Karim Rossi neue Spieler braucht. Ihre Meinung?

Marco Truckenbrod Fontana und ich haben darüber schon gesprochen und werden uns im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Clubs punktuell verstärken. Welche Spieler kommen werden, ist noch nicht bestimmt. Grundsätzlich gilt, dass wir versuchen müssen, durch Neuzugänge den Konkurrenzkampf innerhalb der Mannschaft anzukurbeln. Dazu ist wichtig, topmotivierte Spieler zu bekommen. Bis zum Rückrundenstart haben wir noch vier Wochen Zeit. Und diese Zeit müssen wir intensiv nutzen. Ich freue mich schon darauf, die Mannschaft weiterzuntwickeln.

Wie planen Sie mit Ihren Mitarbeitern im Trainerstab? Bringen Sie neue Leute mit?

Darüber werden wir noch reden. Einige sind ja bereits da. Wir werden das nach dem Trainingsbeginn diskutieren und Entscheidungen fällen.

Wie sieht es bei Ihnen persönlich aus? Können Sie sich vorstellen, über den 30. Juni 2017 beim FCS zu bleiben, und haben Sie eine Ausstiegsklausel?

Jetzt schauen wir erst einmal, wie sich alles entwickelt. Dann können wir uns immer noch zu gegebener Zeit zusammensetzen. Eine Klausel habe ich nicht im Vertrag, weil die Laufzeit mit einem halben Jahr sehr überschaubar ist.

Aufgezeichnet von Daniel F. Koch

Neue Struktur: Künftig entscheidet eine Sportkommission über Transfers

Am Rande der Trainervorstellung im Hotel Chlosterhof in Stein am Rhein stellte der FCS-Geschäftsführer auch noch eine Neuerung in der Organisation des Profibetriebs beim Challenge-League-Club vor. Das, was Truckenbrod Fontana bereits nach der Freistellung von Axel Thoma, der beim FC Schaffhausen Sportchef und Trainer in Doppelfunktion war, angekündigt hatte, setzte er jetzt um. «Es wird beim FCS künftig keine solche Doppelfunktion mehr geben», sagte der 33-jährige Schwiegersohn von Clubbesitzer Aniello Fontana. Dieser konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Trainerpräsentation anwesend sein. Fontana ist mittlerweile einige Kilometer weiter Richtung Untersee, genauer in Mammern, wo er sich in der Rehabilitation befindet und sich von seiner schweren Operation erholt. Nach der Trainervorstellung besuchte die Familie den Patron und überbrachte ihm die besten Genesungswünsche aller Vertrauten und auch des neuen Trainers Murat Yakin.

Fontanas Schwiegersohn stellte unterdessen die künftige Arbeitsweise der Clubleitung vor. «Wir haben eine Sportkommission eingerichtet, die alle sportlichen Entscheidungen wie Transfers vorbereiten wird. Ich werde den Vorsitz haben und in enger Absprache mit den Kollegen die Entscheidungen treffen.» Truckenbrod Fontana möchte in diesem Bereich mehr Effizienz haben. Neben ihm wird Mattias Schnorf arbeiten. Der ehemalige Captain der ersten Mannschaft ist beim Club für das Marketing zuständig. Der dritte Mitarbeiter in der neuen Sportkommission ist Mischa Mustafoski. Der Leiter Preformation und zuständig für die Nachwuchsarbeit im Club vertritt die Anliegen dieser Sparte. Wichtig ist, dass immer wieder Talente – viele davon spielen in Winterthur oder bei den Grasshoppers – den Weg zu den Profis finden. Nicht zur Sportkommission gehört Cheftrainer Murat Yakin. «Er ist aber selbstverständlich in die Entscheidungen eingebunden, weil die Wege kurz sind und wir auf sein Wissen bauen», sagt Truckenbrod Fontana, der sich mit diesem neuen Gremium eine deutliche Entlastung von seinen Sportchefaufgaben erhofft und eine Effizienzsteigerung in diesem Bereich erwartet.

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