Aussen sichtbar, innen streng geheim

Alexander Joho | 
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Das Bundesamt für Rüstung tritt 12-Zentimeter-Minenwerfer-Festungsanlagen der Schweizer Armee an Kantone und Gemeinden ab. Im Zürcher Weinland kann auch Trüllikon profitieren – wenn man denn möchte.

Die Schweizer Armee errichtete an den Landesgrenzen sowie den Hauptverkehrsachsen entlang während des Kalten Krieges einen veritablen Festungsgürtel. Darin enthalten sind über 100 Festungsanlagen mit 12-Zentimeter-Minenwerfern, deren Reichweite bis zu acht Kilometer beträgt und die maximal 24 Schuss pro Minute abgeben können. 2018 verfügten der National- und Ständerat, diese Minenwerfer-Anlagen stillzulegen, da sie nicht mehr zeitgemäss seien. Die Armee setzt vermehrt auf mobile Einsatzmöglichkeiten, grosse Festungsanlagen passen nicht mehr ins Konzept. Im Dezember 2019 wurden die ersten dieser Anlagen entklassifiziert, das heisst aus der Geheimhaltung entlassen.

Im Kanton Zürich gibt es zehn dieser Festungsanlagen, vier davon im Weinland: auf dem Gebiet von Buch am Irchel (Desibach), Stammheim (Oberstammheim und Guntalingen) und Trüllikon. Währenddem in den ersten beiden Dörfern die Gemeinderäte bereits einen Augenschein vor Ort vornehmen konnten, steht dieser in Trüllikon noch aus. Armasuisse, das Bundesamt für Rüstung, äusserte sich gegenüber den «Schaffhauser Nachrichten» im Rahmen der Recherche kurz und bündig; man gebe keine weiteren Details zur Trülliker Anlage preis. Die Anfrage der SN bei Armasuisse und dem Trülliker Gemeinderat zeigte jedoch Wirkung: «Wir haben von der zuständigen Person bei Armasuisse endlich einen Besichtigungstermin innerhalb der kommenden Wochen versprochen erhalten», erklärt Gemeindepräsidentin Claudia Gürtler. Zuvor waren diverse Anfragen der Gemeinde beim Bund jahrelang auf taube Ohren gestossen – geheim ist geheim.

Gemeinde hat Vorkaufsrecht

Die Stippvisite vor Ort, im Waldgebiet oberhalb von Wildensbuch, fällt – wie zu erwarten – nüchtern aus. Es bleibt bei der Begutachtung der an der Oberfläche liegenden Elemente. Im Falle von Trüllikon sind der abgedeckte Eingang, ein Ventilationshäuschen, der Notausgang, und – unübersehbar in der Mitte der Lichtung – ein Betonblock ersichtlich, zur Täuschung mit «Wasserversorgung» angeschrieben, aber ursprünglich als Dieselgeneratorenraum konzipiert. Ein häufiger Trick, wie Sanitär Paul Güntert ausführt, der ein wenig mehr Licht ins Dunkel zur Entstehungsgeschichte der unterirdischen Festung bringen kann.

Gebaut wurde die Trülliker Anlage 1962/1963, in der Nähe eines nun leerstehenden, ebenfalls verborgenen Militärspitals. Güntert schätzt, dass der Minenwerferkomplex Platz für 20, 25 Armeeangehörige geboten haben muss. Beim Bau konnte er sich als Jugendlicher mit einem Kollegen kurz auf das abgesperrte und gesicherte Gelände schleichen: «Wir sind dann aber relativ schnell wieder abgezogen», meint er schelmisch und fügt hinzu, dass damals nur Schweizer bei der Konstruktion beteiligt sein durften. Bei Übungen, in der Regel alle zwei Jahre, wurde jeweils in Richtung Guntalingen geschossen. Von der Anlage selbst wissen nur wenige Einwohner, die Festungstruppen hielten sich im Dorf vornehmlich zurück. Der Gemeinderat sieht dem Besichtigungstermin mit Neugier entgegen: «Wir möchten keine Steuergelder in Projekte investieren, deren Kosten wir nicht abschätzen können. Da müsste schon von extern ein kompetenter Betreiber her, der die Anlage führt und unterhält, wir könnten das gar nicht», führt Gürtler aus. Die Gemeinde hat, in der Rangfolge nach dem Kanton, ein Vorkaufsrecht. Ein Kaufpreis sei der Gemeinde aber noch nicht genannt worden.

Möglicherweise hat die Militärhistorische Gesellschaft Zürich (MHG-ZH) Interesse an einer Übernahme, mit Buch am Irchel und Stammheim bestehen bereits Abkommen. Dort sind in Zukunft Führungen auf Anmeldung geplant, wie sie zum Beispiel beim Artilleriewerk Ebersberg bei Berg am Irchel stattfinden. «Wir können aber nicht alle Anlagen übernehmen, das ist auch bei uns eine Kostenfrage», erklärt MHG-Präsident Christian Egloff. Er werde jedoch, auf Einladung der Gemeinde Trüllikon, gerne an der Besichtigung der Minenwerfer-Festung teilnehmen.

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