Rheinau hofft auf die übrigen 98 Prozent

Mark Gasser | 
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Die Rheinauer (hier am Infoanlass zum Grundeinkommen) und die Medien sind fasziniert vom Experiment. Bei den Spendern hapert es allerdings noch. Bild: Mark Gasser

Nach fast 20 von 50 Tagen sind erst 2 Prozent der 6,2 Millionen Franken für den Pilotversuch «Bedingungsloses Grundeinkommen» in Rheinau beisammen.

Der Verein Dein Grundeinkommen bringt es in seinem Newsletter auf den Punkt: «Das Crowd­funding hat ein elementares Problem: Das Ziel wirkt unerreichbar und damit komplett demotivierend.» Er spricht damit die ­aktuell (wie bei der Plattform üblich) 50 Tage dauernde Sammelaktion für das Projekt «Bedingungsloses Grundeinkommen» in Rheinau an. Die gesellschaftliche Utopie will ein zwölfköpfiges Team rund um Filmemacherin Rebecca Panian ab Januar in die Realität umsetzen, indem jedem, der sich anmeldet, aus dem Topf mindestens 2500 Franken monatlich garantiert sein sollen.

Der Unterschied zu anderen Crowd­funding-Projekten: Bei diesem müssen 6,2 Millionen Franken über die Plattform we­make­it zusammenkommen – weit mehr, als jemals in dieser Form in der Schweiz gesammelt wurde. Doch nach knapp 20 Tagen, in denen 650 Personen erst 115 000 Franken – rund 2 Prozent von 6,2 Mio. – gespendet haben, scheint das Ziel, bis am 4. Dezember den benötigten Betrag zu erreichen, in der Tat in unerreichbare Ferne gerückt zu sein. So moniert das Team rund um den unabhängigen Verein Dein Grundeinkommen, der das Rheinauer Projekt ideell unterstützt, in seinem Newsletter das mangelnde öffentliche Interesse – denn dieses würde auch Investoren die Teilnahme mit grossen Beträgen schmackhaft machen: «Schlimm ist deshalb nicht, dass bisher kaum Geld gespendet wurde, sondern dass sich kaum jemand am Crowdfunding beteiligt!»

Projektinitiantin Rebecca Panian bestätigt, dass sich weit weniger Leute an der Finanzierung beteiligten als erhofft. Doch das Projektteam sei sehr klein, die Ressourcen seien beschränkt. Auch sie sieht die Dringlichkeit, grössere Institutionen und Investoren aufzubringen. Einige hätten schon Interesse gezeigt. «Das Projektteam hat aber noch keine Investoren in petto», versichert Panian, «und keine Millionen in der Hinterhand.»

Weit unter dem Soll – Plan B?

Das Projekt mit Investoren, Institutionen oder auch Stiftungen zu finanzieren, sieht sie als zweitbeste Alternative. Denn die Gemeinschaft stehe im Vordergrund: Einer der Hauptgedanken des Versuchs sei, dass bei dem Projekt ein Teil der Bevölkerung für den anderen Teil der Bevölkerung die Teilnahme finanziere. «Funktioniert das nicht, kommen andere Fragen ins Spiel», meint der Journalist Reda el Arbi, Sprecher des Projektteams. Fakt sei, dass man jetzt weit unter dem Soll sei. Aber ans Aufgeben denke das Team nicht. «Ein Plan B würde formuliert, wenn wir wirklich sähen: Es reicht nicht, die Bevölkerung zu mobilisieren. Wenn wir aber sagen: Wir gehen jetzt mit einem Plan B raus, dann kippt uns das Crowdfunding zusammen.»

Auch der Verein Dein Grundeinkommen denkt bereits laut über mögliche ­alternative Geldquellen nach: «Das Geld für ein so grosses Experiment mit nationaler, ja weltweiter Ausstrahlung muss mehrheitlich von grossen Institutionen kommen. Und das wird es auch, wenn wir es schaffen zu zeigen, dass sich die Bevölkerung dieses Experiment wünscht! Also los! Retten wir Rheinau!»

Diskurs im Dorf als positiver Effekt

Der Rheinauer Gemeindepräsident An­dreas Jenni (SP) hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben – schliesslich sei von der 50-tägigen Sammelfrist noch nicht einmal die Hälfte rum. «Es ist ein grosses Problem, das Projekt überhaupt gesamtschweizerisch bekannt zu machen – denn das Projektteam hat kein grosses Marketingbudget. Und Mundpropaganda ist mühselig.» Aber er hofft auf eine Zunahme der Bekanntheit sowie der Beiträge gegen Ende der Frist. Wer einzahle, verliere das Geld schliesslich nicht, sondern erhalte es zurück, falls das Projekt scheitere.

Immerhin spürt er bereits einen positiven Effekt durch die rege Teilnahme und das Interesse am Projekt im Dorf. Sollte das Projekt scheitern, nehme der Gemeinderat das Positive mit. «Wir finden es super, denn es ist nicht üblich, dass ein aktuelles politisches Thema über Monate im Gespräch bleibt.» Und es gehöre genauso zum öffentlichen Leben, über politische Themen wie über Bauprojekte zu sprechen. Es sei gelungen, «die Leute für die Politik zu interessieren, in einer Zeit, in der alle über Politikverdrossenheit sprechen», sagt Jenni. «Von daher hat sich für den Gemeinderat der Versuch jetzt schon gelohnt. Aber es steht nicht in unserer Macht, es weiter zu beeinflussen.»

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