«In Kanada ist vieles lockerer» - diese Unterschiede zur Schweiz sieht die ausgewanderte Familie Volk

Ralph Denzel | 
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Die Volks sind vor acht Jahren von Benken nach Kanada ausgewandert. Dort haben sie es dank Durchsetzungsvermögen geschafft, sich zu etablieren. Grund genug für das Schweizer Fernsehen, die Familie in der neuen Heimat ein zweites Mal zu besuchen.

Es ist ein sonniger Märztag. Die Temperaturen lassen langsam erahnen, was der Sommer bringen könnte. Die Familie Volk ist zum ersten Mal seit mittlerweile vier Jahren wieder in der alten Heimat. «So einen Frühling haben wir in Kanada nicht», lacht Vater Christian. Als sie in Vancouver in den Flieger stiegen, lagen die Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt und der Schnee türmte sich teils meterhoch auf.

Das Haus der Volks im kanadischen «Frühling». Bild: zvG/SRF

Jetzt können ihre Kinder, Gion und Leeza, mit ihrem Cousin Jakob im Garten unterwegs sein. Leeza hatte gerade gelernt sich aufzurichten, als sie das letzte Mal in der Schweiz war, heute ist sie fünf Jahre alt.

Gion geht im kommenden Jahr in die Highschool.

Die Auswandererfamilie Volk in Kanada: Sohn Gion, Mutter Simone, Vater Christian und Leeza (v.l.n.r.). Darf nicht fehlen: Der Familienhund «Jackson». Bild: zvg/SRF

Viel Zeit ist vergangen, seit die Volks das letzte Mal Schweizer Boden betreten haben. Was dort alles passierte, erzählen sie in der SRF-Auswanderer-Show «Auf und Davon – das Wiedersehen» - und exklusiv auch den Schaffhauser Nachrichten.

Vier schwere Jahre

Der letzte Besuch der Volks war im Jahr 2019. Kein gutes Jahr für die Familie. Die Holzpreise rasselten in den Keller, die Firma hatte massive Probleme und privat kam es zu einigen schweren Schicksalsschlägen. So starb etwa Simones Vater nach schwerer Krankheit. Die Frage, ob es richtig war, den Schritt zum Auswandern zu wagen, kam in dieser Zeit mehr als einmal auf. Sie bauten sich neue Standbeine auf, so etwa errichteten sie kleine Ferienhäuser auf ihrem weitläufigen Grundstück, oder stiegen in die Landwirtschaft ein.

Aber die Volks hielten durch, der Holzmarkt erholte sich – es schien bergauf zu gehen – dann kam aber der nächste Hammer um die Ecke, dieses Mal ein globaler: Die Covid-19-Pandemie. «Es hat Jahre gedauert, bis Kanada die Einreisebestimmungen halbwegs gelockert hatte und es überhaupt möglich war, wieder in die Schweiz zu fliegen», erinnert sich Simone Volk. Mehrere Wochen in einem Quarantänehotel mit zwei Kindern war dann etwas, was die Familie nicht auf sich nehmen wollte.

Jetzt aber, nach vier Jahren, sind sie wieder «in der Heimat», wobei dieser Titel mittlerweile eher Kanada gebührt. Das aus mehreren Gründen: Nicht nur, weil sie sich dort ein Leben aufgebaut haben, sondern auch, weil sie die kanadische Staatsbürgerschaft bekommen haben. Wobei auch hier wieder Probleme auf die Familie warteten. So hatten sie ihren kanadischen Pass einen Tag vor dem Abflug noch nicht in den Händen. «Ohne den wären wir zwar in die Schweiz gekommen, aber nicht mehr zurück», erklärt Simone. Das bedeutete für sie einen ganzen Tag in Vancouver auf diversen Passbehörden, ehe sie endlich das Dokument in Händen halten konnten und ohne Sorgen in die Schweiz fliegen konnten.

Kulturschock Schweiz

Dort mussten sie merken: «Kanada ist eine andere Welt», wie Christian sagt. Nachdem sie fast zwei Wochen wieder in der Schweiz waren, stechen die Unterschiede zwischen den beiden Ländern bei der Familie doch massiv hervor. «Es ist so schön hier. Es ist sauber, geordneter – aber auch viel voller», sagt Simone und muss lachen. Allein die Autos, die hier unterwegs seien, wären eine Art Kulturschock gewesen: In Clearwater, ihrem Heimatort, gäbe es praktisch niemanden, der nicht mindestens einen Pickup fahre. «Solche kleinen Autos wie hier in der Schweiz, sieht man praktisch nie», ergänzt Christian.

«In Kanada ist vieles dafür lockerer. Es ist etwa viel weniger wichtig, wie man sich anzieht und wie man rumläuft – ich hatte teils das Gefühl, ich bin nicht schick genug für die Schweiz», sagt Christian mit einem Grinsen im Gesicht. «Die Leute leben dort mehr für sich, man trifft sich privat – und die Äusserlichkeiten interessiert dort eigentlich niemanden.»

Trotzdem vermisst die Familie auch einiges aus der alten Heimat. «Natürlich fehlt die Familie enorm», sagt Christian. Im selben Atemzug nennt der Benkemer aber auch seinen alten Pontonier-Verein. «Diese Kameradschaft und auch die Geselligkeit, wie ich sie damals hatte, die gibt es in Kanada leider nur sehr selten», sagt er. Auch die alten Freunde, die man teils aus der Kindheit kennt, fehlen im alltäglichen Leben. Immerhin haben die Volks nun eine Tradition aus der Schweiz eingeführt, die auch in Kanada immer mehr Freunde findet: das Feierabendbier am Freitagabend. «Das kommen Heimatgefühle hoch», sind die beiden sich einig.

Unsere kleine Farm

Was man auch in der Sendung «Auf und davon – das Wiedersehen» sehen wird, ist der normale Tagesablauf der Familie. Dieser beginnt sehr früh: So klingelt der Wecker bereits um fünf Uhr, es folgt ein gemeinsames Frühstück, ehe Vater Christian zur Arbeit geht. Simone derweil kümmert sich um die Tiere, die die Familie Volk ihr Eigen nennt. «Im Moment haben wir 15 Kühe, vier bekommen noch Kälber, dann haben wir acht Schafe – irgendwas zwischen 10 und 20 Hühner», das sei davon abhängig, wie viele Tiere von Luchsen oder Bären gerissen würden, die regelmässig den Volks einen Besuch abstatten, «dann haben wir noch drei Truthähne, vier Katzen, einen Hund, eine Bartagame und Fische.»

Die Schäfchen der Familie. Bild: zvg

Eine besondere Rolle spielt dabei übrigens der Truthahn George – dieser ist nämlich kein Nutztier wie seine beiden Artgenossen, sondern ist von Tochter Leeza «adoptiert» worden und jetzt ihr «Haustier». Die beiden sind mittlerweile ein Herz und eine Seele geworden.

Leeza mit ihrem «George». Bild: zvg

Wichtig ist dabei, dass die kleinste Volk immer ein gutes Auge auf «ihren» George hat, denn die Abgeschiedenheit der Volks führt auch dazu, dass es regelmässig zu Begegnungen mit wilden Tieren kommen kann: «Berglöwen, Wölfe, Luchse, Bären, Elche – die sind einfach da», sagt Christian. «Man muss Respekt haben vor den Tieren, aber Panik muss man nicht haben.» Ausser man hat so ein Erlebnis wie Simone: «Ich habe auf einem Spaziergang gemerkt, dass unser Hund Jackson plötzlich Angst bekommen hat und abgehauen ist. Dann habe ich gesehen, dass auf dem Weg vor mir eine Bärin mit zwei Jungen war.» In solchen Fällen können die Muttertiere sehr aggressiv werden – aber zum Glück bemerkte sie Simone Volk und ihren Hund nicht.

Lassen sich nicht von der Kälte stören: Die Rinder der Familie. Bild: zvg

«Auch wenn es in der Schweiz schwer vorzustellen ist: Wenn ein Bär uns zu nahe kommen würde, müssten wir ihn auch erschiessen», sagt Christian. In Kanada würde man da konsequent und unbürokratisch damit umgehen.

Auf dem Weg zum Piloten

Auch bei Sohn Gion gibt es einiges Neues: Der mittlerweile 13-Jährige ist ein «Royal Canadian Air Cadet». Was das bedeutet, erklärt Vater Christian: «Das ist ein militärisches Programm, bei dem man sich einmal in der Woche trifft. Es dreht sich dort alles ums Fliegen, aber mit einem militärischen Einschlag.» Das Besondere: «Wenn er bei dem Programm dabeibleibt, kann er, wenn er 15 wird, auf Kosten des Staates die Privatfluglizenz machen und mit 16 fliegen.»

Air Cadet Gion. Bild: zvg/SRF

Für Gion ein Traum, der sich sehr für die Fliegerei interessiert: «Er will man Buschpilot in Kanada werden», sagt Simone. Vielleicht fliegt er aber auch mal seine Eltern wieder in die Heimat.

Firma auf gutem Weg

Die Volks leben immer noch von ihrem Holzbetrieb – die Firma «Volktrans Ltd. Canada» spiegelt das Auf und Ab wider, was die Familie in den letzten Jahren erleben musste. Mehrmals mussten sie ihre Maschinen verkaufen, weil die Arbeit nicht da war, konnten die Maschienen wieder erwerben, wuchsen, mussten sich verkleinern – und jetzt? «Wir haben aktuell eine Grösse erreicht, die ich beibehalten will. Vielleicht gehen wir mehr in die ‹Steilhandtechnik›, aber mehr wohl nicht», sagt Christian.

Vater Christian in seinem Element. Bild: zvg/SRF

Das beschreibt die Arbeit, die in Kanada bis die Volks kamen, praktisch unbekannt war: Mit einer Seilwinde werden die grossen Gerätschaften der Familie dabei einen Hang hinabgelassen, um so auf sehr unwegsamen Terrain Bäume zu fällen.

Das Holzen beginnt für ihn teils schon um 6 Uhr in der Früh. Bild: zvg/SRF

Alles in allem sind die Volks angekommen. Kanada und speziell Clearwater wurde eine Heimat für die vier. Trotz aller Unwegsamkeiten und Probleme, die sie in den letzten Jahren erleben mussten: Die Familie Volk ist jetzt kanadisch – und wird es auch bleiben.

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