Ein Fasnachtstanz durch die Staaner Altstadt

Ernst Hunkeler | 
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Über das vergangene Wochenende wogte eine währschafte Fasnacht durch Stein, die allen Wünschen gerecht wurde: Ob Jung oder Alt, einheimisch oder zugereist – wer sich aufs närrische Treiben einliess, kam garantiert auf seine Kosten.

Sie wurde 1959 gegründet, ist mithin 64 Jahre alt, zum Glück aber kein bisschen leise: Die Narrengesellschaft Stein (NGS). Übers Wochenende zeigte sie wieder einmal, was es heisst, zünftig Fasnacht zu feiern. Nachdem vor zwei Wochen in Diessenhofen der Umzug ausgefallen und die Kinderfasnacht auf Sparflamme durchgeführt worden war, legten sich nun dafür die Staaner während zweier Tage umso närrischer ins Zeug. Und das diesjährige Motto? Es lautete «Märliwald» und deutete eine direkte Fortsetzung der erst kurz zuvor abgeräumten «Märlistadt» an. Dies, so NGS-Präsi Stefan Helfenberger, sei aber reiner Zufall.

Als Römer gefiel Luciano Trani. Er ist Tambourmajor der Thaynger «Brunä Chrächzer». Bild: Ernst Hunkeler

Der Sonntag begann im Bürgerasylkeller mit dem Zunftmeisterempfang, zu dem Delegationen der 33 Gruppen zusammen kamen, die am Nachmittag den Umzug formieren würden. Stefan Helfenberger begrüsste die Gäste, die «Staaner Schränzer» sorgten für das Wohl der Gäste, Orden wurden verliehen und man genoss die Zeit bei fröhlicher Geselligkeit, bevor sich die Gruppen zu den Aufstellungsplätzen begaben.

Den Thayngern die Ehre

Über Jahrzehnte hinweg hatte der Bahnhofplatz an den Umzugssonntagen als Aufstellungsareal gedient. Inzwischen ist er allerdings neu gestaltet worden, weshalb die Organisatoren die Fasnacht mehr ins Städtchen verlagerten: Nun war der verschneite Undertor-Parkplatz der Aufstellungsort. Damit entfiel der Marsch über den Rhein, und ein etwa 1100-köpfiges Fasnächtler-Meer ergoss sich ab 13.13 Uhr aus dem Bogen des Undertors in Richtung Rathaus, als ob jemand einen Zapfen von einer Flasche gezogen hätte.

Als Wappenböcke begeisterten die Schaffhauser «Rhy-Gusler» mit aufwendigem Outfit. Bild: Ernst Hunkeler

Die Ehre, den Tross entlang Tausender begeisterter Zuschauer anzuführen, stand der Thaynger Guggenmusik «Drachä Brunne Chrächzer» zu, die bereits den Kinderumzug begleitet hatte. Dahinter folgten Guggenformationen und Wagen aus der näheren und weiteren Umgebung, aus der Schweiz und aus Deutschland. Letztere stellten mit 15 Gruppen beinahe die Hälfte des Umzugs: Aus Randegg etwa marschierten die «Unkenbrenner» mit, aus Singen die «Vulkanteufel», aus Wiechs am Randen tanzten die «Schlosshexen» und aus Bitz bei Stuttgart die «Fels-Deifl», um nur einige zu nennen.

Aus unserer Region sorgten «Schmatz die Gurken» und die «Rhy-Gusler» (beide Schaffhausen), aus Ramsen die «Reiatgeister» und aus Eschenz die «Untersee-Hexen» für Stimmung. Letztere waren mit einem der diversen, vielbeklatschten Sujetwagen unterwegs, so wie etwa die «Galgävögel» aus Schlatt-Paradies oder die Rafzer «Bächtele Bröögge» mit ihrem vielbeklatschen Saloon auf Rädern. Die längste Anreise hatten nach den Bitzer «Deifeln» wohl die «Rigilüüt» aus Küssnacht, gefolgt von den «Schussenteufeln» aus Meckenbeuren/Oberschwaben.

Anderthalb Stunden volles Programm

Die gastgebenden «Staaner Schränzer», waren bei der Zusammenstellung des Umzugs clever vorgegangen: Zwischen den Guggenmusiken waren stets zwei oder drei Sujetwagen, Brauchtums- und Hexengruppen platziert, sodass sich die närrischen Töne nicht allzu sehr überlagerten. Besonders die wirbligen Hexenclans, die ihren Schabernack mit den Zuschauerinnen trieben, waren dazu geeignet, den Umzug zu dehnen. Und wenn es einen Preis für die originellsten Kostüme gegeben hätte: Da hätten die Schaffhauser «Rhy-Gusler» als Wappen-Böcke wohl ein Wörtchen mitgeredet.

Apropos Länge: Der Tross amüsierte das Publikum während beinahe anderthalb Stunden, ehe er via Oberstadt entschwand. Wobei einige der Guggenmusiken wie etwa das gefährlich klingende «Sprengkommando Bütschwil» oder die «Rungglä-Süüder» aus Frauenfeld schnurstracks auf den Rathausplatz zurückkehrten, und dort bis sieben Uhr abends für den schmetternden Ausklang einer wahrhaft gelungenen Fasnacht sorgten.

Konfettischlacht der 500 auf dem Staaner Rathausplatz

Die Kinderfasnacht ist seit eh und je ein wesentlicher Programmpunkt der Staaner Fasnacht. Nach zweijährigem Corona-Unterbruch kamen die Kids am vergangenen Samstag wieder auf ihre Rechnung, wenn auch in einem neuen Rahmen. Waren zuvor die Halle Schanz und deren Vorplatz Schauplätze des Geschehens gewesen, so wurde dieses nun auf den Rathausplatz verlagert. Der Konfettischlacht tat dies keinerlei Abbruch, doch der Kindermaskenball, der dem wirbligen Vergnügen einst gefolgt war, musste bei dieser Open-Air-Fasnacht zwangsläufig ausfallen.

Der kleine Fabian aus Stein belebte den Kinderumzug als Marienkäfer. Bild: Ernst Hunkeler

Zeitlich allerdings blieb alles beim Alten: Pünktlich ab 14.14 Uhr tobte die Konfettischlacht über den Rathausplatz, wobei wohl 500 Kids und Erwachsene mit dem bunten Streugut dichtere und buntere Wolken schufen, als sie am Himmel standen. Nach ausgiebigem Schmeissen und etlichem Ausspucken formierten sich die Kids in der Obhut der Guggenmusiken «Drachä Brunnä Chrächzer» und «Rhy-Alge» zum Umzug durchs Städtchen.

Doch damit war der Samstag noch lange nicht gelaufen. Ab halb vier gingen die Guggen-Konzerte über die Bühne, die eigens dafür vor dem Rathaus aufgebaut worden war: Fünf Ins­trumentalformationen – die erwähnten aus Thayngen und Diessenhofen –, Gruppen aus Nürensdorf, Winterthur und natürlich die 23 «Staaner Schränzer» als musikalische Fraktion der Steiner Narrengesellschaft überboten sich gegenseitig mit närrischem Trara. Wer sie noch erlebt hat, die schrägen Humbatäterä-Klänge, wie sie auch die «Staaner Schränzer» noch vor ein paar Jahrzehnten in die Winterluft tuteten, der staunt ob des Levels, auf dem die Guggen-Formationen inzwischen agieren.

Pauken, Trommeln und ein Schuss Exotik

Übrigens: Die «Staaner Schränzer» spielen seit 13 Jahren unter der Leitung von Rolf Trüb, der nebst seiner Posaune auch den ständigen Ausbau des Repertoires und das Dirigieren im Marschtempo beherrscht. Fast so klangvoll wie die Hits, welche die Protagonisten dem Publikum um die Ohren bliesen und trommelten, kamen die Namen der Narrenbands daher – wobei die Nürensdorfer mit dem Pseudonym «Kookaburra» (im Original ein australischer Vogel namens «Lachender Hans»!) zweifellos den Preis in Sachen Exotik abgeräumt hätten. Die Guggen-Auftritte dauerten bis 21.30 Uhr, für die Nachtstunden ab 22 Uhr hatte NGS-Präsident Stefan Helfenberger schriftlich «absolute Nachtruhe» verordnet, die dann grösstenteils auch eingehalten wurde.

In früheren Jahren hatten sich die Narren am Maskenball in der Halle Schanz um diese Zeit gerade mal warmgetanzt. In der nun zelebrierten Freiluft-Fasnacht konnte man von «Warmtanzen» allenfalls träumen. Doch es gab immerhin den geheizten Barwagen für grossen Durst und kleinen Hunger, und die Wirte im Städtchen wird’s auch gefreut haben, denn irgendwo mussten sich sowohl Guggen als auch deren Publikum zwischendurch mal aufwärmen. Und die Kinder? Sie träumten wohl unter der warmen Decke von ihrem nachmittäglichen Fasnachtsabenteuer. (E. H.)

Was macht für Sie die Fasnacht Stein am Rhein aus?

 

Stefan Helfenberger «Seit zwölf Jahren bin ich Präsident der Narrengesellschaft. Es ist toll, für die Region etwas zu organisieren und Sorge zu tragen, dass die Fasnacht nicht ausstirbt. Die Kinderfasnacht liegt mir speziell am Herzen, denn da liegt die Zukunft des Brauchtums.»


 

Jacqueline Gerber «Ich leite die Diessenhofer Guggemusik ‹Rhy-Alge›, und wir haben es seit jeher gut mit den Steinern. Wir begleiten hier die Kinderfasnacht, so wie die ‹Staaner Schränzer› regelmässig uns unterstützen. Zudem findet hier immer ein ganz besonderer Umzug statt.»


 

Michèle Boder «Mich zieht es nach Stein, weil ich Fasnächtlerin bin. Wir sind neu nach Diessenhofen gezogen, spielen aber nach wie vor in einer Gugge an der Basler Fasnacht. Nachdem sie in Diessenhofen ausgefallen ist, habe ich beschlossen, die Fasnacht in Stein zu besuchen.»


 

Matthias Brutscher «Ich bringe meine ‹Hexen-Katzen-Clique› aus Überlingen am Ried seit Jahren immer wieder gerne nach Stein. Es ist ein wunderschönes Städtchen und es ist eine Hochburg der Fasnacht in der Region. Wir fühlen uns hier stets unter guten Freunden.»

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