Die Tradition wird durchgeschüttelt

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Komplett ausverkauft war der NordArt-Eröffnungsabend mit dem Hitzigen Appenzeller Chor. Über zwei Stunden lang unterhielten die Multitalente aus Appenzell in «Joli-Yo» mit Jodel, Rap und groovigem Sound.

VON EDITH FRITSCHI

Herzergreifender Jodelklang ertönt auf der Bühne. Neun junge Leute in Appenzöller Tracht singen, – und die Welt ist purer Wohlklang. Doch dann kommt Bewegung in den Chor, die «Hitzigen», er zeigt sich heissblütig und macht sich auf, andere musikalische Terrains zur erkunden. Man verlässt die heimatliche Scholle, wandert musikalisch ins Soul- und Gospelland und es ertönt, ebenso rein intoniert und rhythmisch packend, «Down by the Riverside». Bald wird auch gerappt und gegroovt und dann geht’s wieder zurück an den «Seealpsee», da tut ihnen das Herz so weh. Dasjenige des Publikums geht auf, denn die «Hitzigen» begeistern mit durchdachter Choreografie, formieren sich fast von Lied zu Lied neu, wechseln vom Appenzöllischen ins Englische und wieder zurück. Nein, angestaubt ist dieser Jodelchor nicht, er singt, tanzt, klatscht stampft und schnalzt sich zweieinhalb Stunden durch ein reichhaltiges Programm, das zum musikalischen Wechselbad wird. Sie haben es drauf, die neun «Hitzigen» – Corina Broger, Melanie Dörig, Rebekka Dörig, Séverine Hauri, Reto Fässler, Raphael Holen-stein, Simon Knechtle, Meinrad Koch und Thomas Sutter – begeistern im A-cappella-Gesang durch reine Intonation und viel Ausdruck, da wird auch mal die Ukulele ausgepackt, und es geht ab nach Spanien.

Nach der Pause werden Trachtenhosen gegen Baggypants ausgetauscht, und es gibt sozusagen modernes, traditionsreiches Talerschwingen, die «Trachtebuebe» werden zu Rappern, verändern Traditionslieder mit Nonsenstexten, oder es gibt ein choreografiertes Schneuzkonzert. Am stärksten ist der Chor im Tutti, nicht ganz so überzeugend sind die solistischen Parts, aber wenn dann die innigen Rugguseli und neckischen Ratzliedli folgen, versetzt mit einigen Prisen Beatbox und Rap, dann will das Publikum am liebsten mitsingen und wippt auf den Stühlen. Die «Hitzigen» sind ­Augenweide und Ohrenschmaus zugleich, sie kommen aus der Tradition und spielen mit ihr, setzen dem Appenzöller Dialekt das Eglische entgegen und kommen gern wieder zurück nach Hause.

Dass der eine oder andere Gag ein bisschen flach ist – was soll’s –, dem Publikum gefällt es. Und man schätzt, dass der Chor nicht stramm im Kreis steht und Lieder singt, sondern sich auch aufmacht, die Jetztzeit zu erkunden, dabei die Tradition durchschüttelt und ihr dennoch treu bleibt. Ohne Zugaben liess das Publikum die Appenzeller nicht von der Bühne ziehen.

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