Demonstration gegen «skandalös schlechte Polizeiarbeit» in Schaffhausen: Das ist passiert

Lucas Blumer | 
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Am Samstagvormittag startete eine Demonstration vor dem Schaffhauser Polizeigebäude, die das Verhalten der Schaffhauser Justizbehörden im Fall von Fabienne W. kritisiert. Mehrere Rednerinnen erzählten von ihren schlechten Erfahrungen mit der Polizei.

Direkt vor den Toren der Schaffhauser Polizei versammelten sich am Samstagmorgen über 500 Menschen an der Beckenstube 2, um ihren Ärger über die Schaffhauser Justizbehörden bekannt zu machen. Die bewilligte Demonstration wurde von Privatpersonen über die Sozialen Medien ins Laufen gebracht, der queerfeministische Verein Schaffhausen organisierte die Bewilligung. 

Anlass für die Demonstration waren die Enthüllungen der «Rundschau» im Fall von Fabienne W. Die Schaffhauserin wurde im Dezember 2021 in der Wohnung eines Schaffhauser Anwalts von mehreren Männern brutal verprügelt vermutlich um zu verhindern, dass sie Anzeige gegen ihren Vergewaltiger erstattet. Im Rundschau-Beitrag werden Vorwürfe gegen die Behörden erhoben, die Ermittlungsarbeiten seien unzureichend gewesen. Ein renommierter Strafverteidiger bezeichnet das Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft als «unglaublich», von «Befehlsverweigerung» ist die Rede.

Das sagen die Demonstrierenden.

Um 10.45 Uhr beginnt die Demonstration «gegen sexuelle Übergriffe und skandalös schlechte Polizeiarbeit» offiziell. Diverse Transparente und Plakate, die die Polizeiarbeit kritisieren und Gewalt gegen Frauen anprangern, wurden bereits vorher vorbereitet und an den Mauern, die das Polizeigebäude umgeben, angebracht. Über dem Polizeischild vor dem Eingang klebte ein Aufkleber mit dem Wort «Saulade».

An der Aussenmauer des Polizeigrundstücks stehen diverse Plakate.

Das Programm der Kundgebung bestand aus mehreren Rednerinnen, die entweder von ihren eigenen negativen Erfahrungen mit der Schaffhauser Polizei und anderen Polizeien berichteten oder die Geschichten von Frauen vorlasen, die ihnen zugeschickt worden waren und nicht persönlich anwesend sein konnten oder sich trauten, ihre Geschichte zu erzählen. Alle Geschichten hatten eines gemeinsam: Eine Frau, die von einem Mann angegriffen, vergewaltigt oder verletzt wurde und dann von der Polizei keine, wenig oder nur sehr schlechte Hilfe erhielt und sich dabei blöde Sprüche gefallen lassen musste. 

Mit lauten Buh-Rufen und Pfiffen reagierten die Demonstrierenden auf die Schilderung einer Frau, die nach einer Vergewaltigung durch zwei Männer von der Polizei gefragt worden sei, ob sie sich nicht insgeheim schon immer einen Dreier mit zwei Männern gewünscht habe. Oder auf die Geschichte einer Frau, die nach einer Vergewaltigung von einem männlichen Polizisten untersucht und mit dessen Handy fotografiert wurde, da die Kamera, die eigentlich für diesen Zweck vorgesehen sei, angeblich eine Fehlfunktion hatte.

Mehrere Rednerinnen erzählen ihre eigene oder eingesandte Geschichten von negativen Erlebnissen mit der Polizei.

Feministische Parolen und Sätze wie «Mein Körper, meine Seele!» oder «Wir werden nie mehr schweigen. Wir werden uns nie mehr unterdrücken lassen. Wir werden nie wieder allein sein», ernten lauten Applaus aus dem Publikum.

Die Geschichten, die von den Rednerinnen vorgetragen wurden, sollen aufzeigen, dass Fabienne W. nicht die einzige Frau ist, die von der Polizei und dem Schweizer Rechtssystem im Stich gelassen oder nicht ernst genommen wurde. Das zeigt sich auch in der Wut und Verzweiflung der Anwesenden über ein System, das ihrer Meinung nach nicht funktioniert und viel zu oft Täter statt Opfer schützt.

Feindseligkeiten gegenüber der Polizei

Etwa eine halbe Stunde nach dem Start der Demonstration begannen einige wenige Demonstranten zu skandieren: «Ich will nichts, ich kann nichts, gebt mir eine Uniform», um Stimmung gegen die anwesenden Polizisten zu machen, welche gerade die Zugänge zu der Demonstration kontrollierten und den Verkehr regelten. Die Mehrheit der Anwesenden stimmte nicht mit ein, so dass die Sprechchöre schnell verstummten.

Die Organisatorinnen beendeten die Demonstration etwa eine Dreiviertelstunde nach Beginn mit dem Verlesen ihrer Forderungen. Sie forderten unter anderem die Einrichtung einer unabhängigen Meldestelle für polizeiliches Fehlverhalten sowie die Einführung des so genannten «Berner Modells», um Überlebenden von sexualisierter Gewalt ein professionelles Hilfsangebot zu bieten. 

Sohn von Fabienne W. anwesend

Die Schaffhauser Polizei spricht von 500 Teilnehmenden, die Organisierenden gehen von 800 Teilnehmenden aus.

Unter den Teilnehmern befand sich auch der Sohn von Fabienne W., Alessandro W. Er habe seiner Mutter Bilder und Videos von der Demonstration geschickt und sie habe sich sehr über die Anteilnahme gefreut, sagte er. Fabienne W. nahm selbst nicht an der Demonstration teil.

Nach dem offiziellen Ende der Kundgebung begaben sich rund 100 Demonstrierende auf einen unbewilligten Umzug durch die Schaffhauser Altstadt. Die Demonstrierenden zogen dabei auch durch die Schaffhauser Bahnhofstrasse und behinderten den öffentlichen Verkehr.

Der unbewilligte Umzug zog sich auch durch die Schaffhauser Bahnhofstrasse.

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