Prügelattacke in Schaffhauser Anwalts-Wohnung: Das ist bisher bekannt

Julian Blatter | 
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Überwachungskameras haben den Vorfall aufgezeichnet. Bild: Screenshot Rundschau

Im Dezember 2021 wird eine Frau in der Wohnung eines Anwalts brutal verprügelt. Die Polizei nimmt rasch Ermittlungen auf, doch das Vorgehen bei insgesamt drei Hausdurchsuchungen ist fragwürdig. Ein renommierter Strafverteidiger spricht von «Befehlsverweigerung».

Im Dezember 2021 lädt ein Schaffhauser Anwalt Fabienne W. unter dem Vorwand, sich für ihre Musik zu interessieren, zum Abendessen in seine Privatwohnung ein. Tatsächlich geht es um etwas anderes. Ein Kumpel des Anwalts soll die Hobbymusikerin rund eine Woche zuvor vergewaltigt haben. Das vermeintliche «Abendessen» entpuppt sich als Einschüchterungsversuch – die Frau soll keine Anzeige gegen den Freund des Anwalts erheben. Die «Rundschau» berichtete über den Fall.

W. wollte eigener Aussage nach nicht von einer Anzeige absehen. Einige Stunden später wurde sie brutal verprügelt, das zeigen Aufnahmen von Überwachungskameras in der Wohnung. Der Anwalt und drei in dieser Nacht anwesende Freunde bestreiten dies. Fabienne W. habe randaliert, sie hätten versucht, sie zu beruhigen, so die Darstellung der Männer.

Fakt ist: Fabienne W. wurde in dieser Nacht spitalreif geprügelt. Am nächsten Morgen wurde sie in der Altstadt aufgefunden.

Drei Hausdurchsuchungen – drei Fehler

Die Schaffhauser Polizei nimmt noch am selben Tag die Ermittlungen auf. Eigentlich sollten die Aufzeichnungen der Überwachungskameras der Polizei eine Rekonstruktion der Ereignisse des Abends möglich machen. Und eigentlich sind dem Durchsuchungsbefehl nach «die anlässlich der Hausdurchsuchung auffindbaren Speichermedien zu durchsuchen und auszuwerten».

Dies geschieht jedoch nicht. Der Anwalt sagt den Polizisten, die Aufnahmen seien zwar auf einem Computer abgespeichert, der Bildschirm sei allerdings defekt. Er zeigt den Polizisten auf seinem Smartphone Bilder einer Überwachungskamera, die Beamten filmen diese ab – kein Ton, die Qualität ist schlecht. Der Computer wurde nicht sichergestellt.

Da die Beamten später bemerken, dass in der Wohnung zwei Überwachungskameras installiert sind, erfolgt eine zweite Hausdurchsuchung. Erneut sollen sie die auffindbare Speichermedien und Geräte durchsuchen und sicherstellen.

Die Ausbeute der zweiten Hausdurchsuchung: ein USB-Stick mit Überwachungsbildern der letzten Stunden der Nacht. Der Anwalt soll den Polizisten geholfen haben, die Bilder zu sichern. Dem renommierten Strafverteidiger Konrad Jeker zufolge haben die Polizisten bei beiden Durchsuchungen den Auftrag «schlicht nicht erfüllt». Das Vorgehen der Polizei sei «unglaublich» und «widerspricht kriminalistisch allen Standards, die bekannt sind».

Über ein Jahr später kommt es im Frühling 2023 beim Anwalt zu einer dritten Hausdurchsuchung. Diesmal sollen Mobiltelefone sichergestellt und ausgewertet werden. Der Anwalt übergibt den Beamten ein Handy, nach weiteren Geräten wird nicht gesucht. Strafverteidiger Jeker dazu: «Wieder das Gleiche: Job nicht gemacht.» Sein Fazit: «Das ist nichts anderes als Befehlsverweigerung.»

Behörden sehen keine Fehler

Die Schaffhauser Polizei, Staatsanwaltschaft und das Justizdepartement antworten der «Rundschau» schriftlich auf die erhobenen Vorwürfe. Dass die Überwachungsbilder bei der ersten Hausdurchsuchung nicht sichergestellt wurden und stattdessen vom Mobiltelefon abgefilmt wurden, läge daran, dass zu Beginn der Ermittlungen noch kein Tatverdacht gegen den Anwalt bestanden habe. Das Ziel sei gewesen, die Videoaufnahmen möglichst rasch sicherzustellen. Der Anwalt hätte aufgrund des Anwaltsgeheimnisses jedoch eine Siegelung des Computers verlangen müssen, eine zeitnahe Sichtung wäre so nicht möglich gewesen. Die Aufnahmen seien am Tag darauf sichergestellt worden.

Der Einschätzung von Strafverteidiger Jeker, die Polizei habe die Aufträge bei den Durchsuchungen nicht erfüllt, widersprechen die Behörden. Bei der zweiten Hausdurchsuchung seien sämtliche Videoaufnahmen sichergestellt worden, die der Strafverfolgungsbehörde vorlägen und den gesamten Tatablauf in der Wohnung des Anwalts von Anfang bis Ende zeigten. Dass die Polizei bei der dritten Durchsuchung keine weiteren Mobiltelefone suchten, liege daran, dass zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte vorhanden gewesen seinen, dass der Anwalt im Besitz eines weiteren Handys sein könnte, welches für die Strafuntersuchung eine Relevanz aufweisen würde.

Auch den Vorwurf der Befehlsverweigerung wird von sich gewiesen. Gemäss Staatsanwaltschaft könne davon nicht die Rede sein. 

Anklage noch nicht erhoben

Das Verfahren wegen Vergewaltigung wurde mittlerweile eingestellt. Fabienne W. hat Beschwerde dagegen eingelegt. In Zusammenhang mit der Prügelattacke wurde noch keine Anklage erhoben. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

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Kommentare (7)

Jürg Grüter Mi 29.05.2024 - 13:27

Wau vier gegen eine Frau. Wirkliche Helden, nein Abschaum der Gesellschaft und zuvorderst der angebliche Rechtsverdreher. Der zuständige Staatsanwalt ist leider vermutlich überfordert und die sogenannte Polizisten, schlechter als jede Gemeindepolizei

Ueli Stamm Sa 25.05.2024 - 08:05

Das Ganze ist unglaublich von einem Anwalt und seinen Mittätern. Jeder normal denkende Mensch, hätte die Video gelöscht, vernichtet oder was auch immer. Aber gottseidank sind die nicht auf die Idee gekommen. Leider hat das dem Opfer bis dato nicht viel genützt. Ich hoffe, dass da jetzt Bewegung rein kommt. Die Täter gehören bestraft. Kann es sein, daß wir morgenländische Sitten eingeführt haben in der Schweiz, wo eine Frau nichts Wert ist?

Ueli Stamm Sa 25.05.2024 - 08:05

Das Ganze ist unglaublich von einem Anwalt und seinen Mittätern. Jeder normal denkende Mensch, hätte die Video gelöscht, vernichtet oder was auch immer. Aber gottseidank sind die nicht auf die Idee gekommen. Leider hat das dem Opfer bis dato nicht viel genützt. Ich hoffe, dass da jetzt Bewegung rein kommt. Die Täter gehören bestraft. Kann es sein, daß wir morgenländische Sitten eingeführt haben in der Schweiz, wo eine Frau nichts Wert ist?

Susanne Sigg Fr 24.05.2024 - 17:16

Ich frage mich, warum dem Anwalt nicht schon längstens die Zulassung entzogen wurde? Die anderen Mitbeteiligten sind, egal was schlussendlich wahr oder nicht wahr ist, einfach nur unverbesserlicher Abschaum.

Marianne Unternährer Do 23.05.2024 - 17:59

Unsäglich, skandalös und Schildbürgertum erster Güteklasse...!
Ich bin da mal gespannt, ob sich die zuständige Regierungsrätin zu der Sache meldet und sich das perfekt zurechtrückt...,wie sie es gerade gerne haben will.....!
Hier hat wohl nicht nur die Polizei absolut stümperhaft gearbeitet, die Staatsanwaltschaft sieht in der Sache noch ziemlich extremer übel aus....
Willkommen in Schaffhausen.......! (Peter Unternährer)

Denise Stierli Do 23.05.2024 - 17:11

Als Bürgerin dieses Landes akzeptiere ich keine Frauendiskrimination unter dem Radar von Polizei und Justiz! Ich fordere alle Beteiligten auf hier für Recht und Ordnung zu sorgen. Diese Zustände schreien zum Himmel! Das Opfer muss von den Tätern, sowie von den unseriösen Behörden vollumfänglich entschädigt werden.

Erwin MAIENFISCH Do 23.05.2024 - 16:26

Himmelschreiend und ekelhaft. Sowohl diese kranken Typen die eine wehrlose Frau mutmasslich zu viert Spitalreif prügeln als auch das unprofessionelle, schluderige arbeiten der Schaffhauser Polizei. Es ist zu hoffen dass es einfach Unfähigkeit und nicht Willkür war.

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