5,5 Millionen Franken für Schaffhauser Eltern, die ihre Kinder in die Kita schicken

Elena Stojkova | 
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Wollen einen Systemwechsel für die Kitas: Raphaël Rohner, Bildungsreferent (links), und Alexander Klett, Abteilungsleiter Kinder- und Jungendbetreuung. Bild: Melanie Duchene

Bisher hat die Stadt einige Kitas subventioniert, die Familien mit tieferen Einkommen günstigere Plätze anbieten. Künftig sollen Eltern die Subventionsgelder direkt erhalten und die Kita frei wählen können. Auch Familien mit höheren Einkommen sollen neu unterstützt werden.

In der Stadt Schaffhausen gibt es neun Kitas, die günstigere Plätze anbieten können – für Kinder, die aus einkommensschwächeren Familien kommen. Sieben Kitas sind nicht von der Stadt subventioniert und somit nicht zugänglich für Kinder aus unteren Gehaltsschichten. Als «elitär» bezeichnet eine Leiterin ihre Kita gar, sie wünscht sich Durchmischung.

Die Stadt Schaffhausen möchte für eine solche nun den Weg frei machen. In einer Vorlage an den Grossen Stadtrat schlägt der Stadtrat einen Systemwechsel vor: Betreuungsgutscheine sollen eingeführt werden. Statt Kitas zu subventionieren, sollen die Erziehungsberechtigten die Subventionsgelder also direkt erhalten. Das Geld zur Unterstützung ist somit nicht mehr an die Kita, sondern an das Kind gebunden. «Künftig sollen Erziehungsberechtigte die Betreuungsinstitution für ihr Kind frei wählen können», sagt Raphaël Rohner, Bildungsreferent der Stadt.

Bis anhin sei ein beträchtlicher Teil der Familien von den Vergünstigungen ausgeschlossen worden. Auch das soll sich ändern. Eltern mit höheren Einkommen würden von den Neuerungen ebenfalls profitieren; bisher konnten das nur Familien mit einem Jahreseinkommen bis 120'000 Franken. In Zukunft sollen Familien mit einem steuerbaren Einkommen bis 160'000 Franken im Jahr (zuzüglich 10 Prozent des steuerbaren Vermögens) von den Gutscheinen Gebrauch machen können.

Ungleiche Behandlung

Mit dem jetzigen System würden Familien und auch Kitas ungleich behandelt, sagt Alexander Klett, Abteilungsleiter Kinder- und Jugendbetreuung. Das aktuelle System sei ausserdem kompliziert und mit einem grossen administrativen Aufwand verbunden. Mit dem neuen System würden die Erziehungsberechtigten mit der Kita direkt eine Betreuungsvereinbarung eingehen. Sie würden also die vollen Kosten an die Kita bezahlen, gleichzeitig aber von der Stadt den beantragten Gutschein erhalten, dessen Betragshöhe abhängig ist von Umfang und Art der Betreuung sowie vom Einkommen. Kantonale Subventionsbeiträge würden zudem mit den Beiträgen der Stadt direkt verrechnet.

Ein Beispiel aus der Vorlage: 135 Franken kostet der Tagesplatz für die zweijährige Tochter von Familie Muster. Diese hat Anspruch auf Betreuungsgutschriften des Kantons in der Höhe von 20 Franken. Der Kanton zahlt diesen Beitrag an die Kindertagesstätte, die Kita zieht diesen Betrag also von den Kosten ab und schickt der Familie eine Rechnung über 115 Franken. Familie Muster hat bei der Stadt Betreuungsgutscheine beantragt und verfügt über ein Einkommen von 71'500 Franken. Der Gutschein beträgt 73 Franken, bei der Familie verbleiben somit 42 Franken Eigenkosten.

Keine Mehrbelastung

Aus Gründen wie den Entwicklungen im Bildungsbereich, den höheren Ansprüchen an die Betreuung oder auch der Teuerung werden die Vollkosten der Kitas deutlich angehoben, erklärt Klett. Es komme aber trotzdem zu keiner Mehrbelastung der Familien. Klett gibt Beispiele: Eine alleinerziehende Mutter, die im Jahr 45'700 Franken verdient, bezahlt für einen subventionierten Betreuungsplatz 21 Franken pro Tag. Neu würde sie noch 19 Franken bezahlen. Jemand, der 106'000 Franken im Jahr verdient, würde neu 76 statt 82 pro Tag für einen Betreuungsplatz bezahlen.

Die Mindestkosten, die Erziehungsberechtigte selbst zu tragen haben, betragen 15 Franken pro Kitatag. «Ein Kind zu Hause zu betreuen kostet schliesslich auch», sagt Klett. Rohner hofft, dass auch mehr Arbeitgebende in Zukunft bereit sind, zusätzliche Beiträge an die Kitakosten zu leisten.

Für Kinder mit erhöhtem Betreuungsbedarf können höhere Beiträge gesprochen werden, wie Klett sagt. «Kitas können es sich oft gar nicht leisten, Kinder mit Beeinträchtigungen aufzunehmen. Inklusion sollte gelebt werden können.»

Heute können Kinder, die einen subventionierten Kitaplatz haben, nicht nur einen Tag pro Woche in der Kita verbringen. Darüber hätten sich viele beschwert, sagt Rohner. Beim neuen System würde die Mindestbelegung von zwei Tagen pro Woche wegfallen. «Wir wollen eine generelle Flexibilisierung.» So werden die Betreuungsgutscheine für Kinder von Stadtschaffhauser Eltern auch ausserhalb der Stadt eingesetzt werden können. «Befindet sich der Arbeitsplatz eines Elternteils beispielsweise in Beringen, kann der Gutschein auch in einer Beringer Kita eingesetzt werden», sagt Rohner.

Kinder als Sprachvorbilder

Mit dem neuen System – es wird beispielsweise in Luzern schon seit Längerem umgesetzt – wolle man der Vereinbarkeit von Familie und Beruf Rechnung tragen.

«Kinder lernen am besten von Kindern.»

Alexander Klett Abteilungsleiter Kinder- und Jugendbetreuung

Eine Erwerbsarbeit müsse sich lohnen, und dazu müssen Betreuungsangebote bezahlbar sein. «Kinder profitieren wahnsinnig, wenn sie früh schon eine Betreuungseinrichtung besuchen», sagt Klett. «Und: Kinder lernen am besten von Kindern.» Im Moment treffen in subventionierten Kitas oft viele Kinder aus einkommensschwächeren Familien aufeinander, die Deutsch als Zweitsprache sprechen. «Kindliche Sprachvorbilder sind in diesem Fall häufig zu wenig vorhanden.» Mundart werde dann kaum gesprochen. Eine Durchmischung sei somit vor allem auch für den frühen Erwerb der deutschen Sprache wichtig.

Für die Subventionierung der Kinderbetreuung hat die Stadt bisher jährlich rund 4 Millionen Franken ausgegeben. Mit dem Systemwechsel rechnet der Stadtrat künftig mit eineinhalb Millionen mehr pro Jahr. Hinzu kämen 42'000 Franken jährlich für 40 zusätzliche Stellenprozente bei der Abteilung Kinder- und Jugendbetreuung. Was bei den Kitas an administrativen Arbeiten wegfallen würde, würde neu hier anfallen. Die Einführung der Betreuungsgutschriften ist für den Sommer 2025 vorgesehen, der Grosse Stadtrat wird voraussichtlich dieses Frühjahr über die Vorlage diskutieren und entscheiden.

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