Pro und contra: Einführungsklassen für fremdsprachige Kinder

Jurga Wüger | 
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Die beiden Gemeinden Schaffhausen und Neuhausen setzen auf Einführungsklassen für fremdsprachige Kinder. Symbolbild: Melanie Duchene

Die einzigen zwei Gemeinden, die Einführungsklassen für Fremdsprachige anbieten, sind Neuhausen am Rheinfall und die Stadt Schaffhausen. Derzeit sind 127 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine im Kanton eingeschult.

Vom Regen in die Traufe: Kaum haben die Volksschulen die Coronapandemie überstanden, kamen der Ukrainekrieg und mit der Flüchtlingswelle auch viele schulpflichtige Kinder und Jugendliche in die Schweiz. Die Aufnahme der Kinder stellte und stellt das Erziehungsdepartement Schaffhausen vor grosse Herausforderungen. Nach knapp einem Jahr ziehen die Verantwortlichen Bilanz:

Ruth Marxer
«Dieses Konzept sieht eine rasche, schrittweise Integration in eine Stammklasse vor.»
Ruth Marxer, Leiterin Dienststelle Primar- und Sekundarstufe I, Erziehungsdepartement Kanton Schaffhausen

Welcher Weg hat sich nun bewährt? Während andere Kantone auch auf die sogenannten Willkommensklassen setzen, wenn ukrainische und Schweizer Lehrpersonen gemischte Lehrerteams bilden und gemeinsam unterrichten, setzten die Stadt Schaffhausen und Neuhausen auf die Einführungsklassen für Fremdsprachige (EfF) nach einem von der Dienststelle Primar- und Sekundarstufe I bewilligten Konzept. «Dieses Konzept sieht eine rasche, schrittweise Integration in eine Stammklasse vor, wo die Kinder und Jugendlichen im Anschluss an die EfF beschult werden», sagt Ruth Marxer, Leiterin Dienststelle Primar- und Sekundarstufe I, Erziehungsde­partement Kanton Schaffhausen. In der Stadt Schaffhausen wurden die Kinder aus der Ukraine bisher ­jedoch direkt in die Regelklassen inte­griert. Ab diesem Semester hingegen sollen auch in der Stadt die EfF-Klassen genutzt werden, um einzelne Ukrainerinnen und Ukrainer aufzunehmen. ­Dabei werden sie mit Kindern und ­Jugendlichen aus anderen Ländern ­gemischt – auf eine reine «Ukraine-Klasse» soll bewusst verzichtet werden, um die Integration zu erleichtern, so Marxer.

Das Erfolgsmodell der Neuhauser

In Neuhausen am Rheinfall gibt es seit Jahren Einführungsklassen für Fremdsprachige, und das gilt als Erfolgsmodell. «Als die ersten Kinder aus der Ukraine Ende März zu uns kamen, waren gerade die Corona-Massnahmen aufgehoben worden. Eine belastende Zeit ging zu Ende, und somit war ein Ziel der Schulbehörde und der Schul­leitungen Neuhausen, nicht gleich die nächste Belastung auf die Lehrerinnen und Lehrer zukommen zu lassen», sagt Bildungsreferent Ruedi Meier. Es wurde entschieden, dass die Kinder nicht wie üblich einen Monat die EfF-Klasse besuchten, sondern bis zu den Sommerferien. Zu diesem Zeitpunkt waren die ­regulären EfF-Klassen bereits ausgelastet, was zur Folge hatte, dass eine neue EfF-Klasse eröffnet und ausschliesslich mit Kindern aus der Ukraine belegt wurde.

«Für das Deutschlernen war diese ­Situation jedoch nicht optimal, weil die Kinder miteinander russisch oder ukra­inisch sprachen und nicht darauf angewiesen waren, Deutsch zu lernen», so der Bildungsreferent. Dies änderte sich ab den Sommerferien mit der Integration der Kinder in die Regelklassen und dem gestaffelten Besuch in der EfF. Nach den Sportferien konnte nun auch in Neuhausen die rein ukrainische EfF in eine dritte gemischte EfF umgewandelt werden. «Somit haben wir das Optimum für die Kinder und die Lehrpersonen erreicht», sagt Ruedi Meier. Zurzeit besuchen 20 Kinder aus der Ukraine die Schulen in Neuhausen.

Die Herausforderungen bleiben

Bei der Integration aller fremdsprachiger Kinder spielen die Lehrpersonen eine entscheidende Rolle, indem sie die Kinder und Jugendlichen auf ihrem Entwicklungs- und Lernweg individuell begleiten, sie fördern und fordern und zugleich auch vor zu hoher Belastung bewahren, so Marxer. Insbesondere bei älteren Schülerinnen und Schülern (SuS), welche auf der Sekundarstufe I ­integriert werden, bestehe die Herausforderung, dass sie mit der Integration, dem Erlernen der Schulsprache und dem Berufswahlprozess überfordert werden. Auch für die zuständigen Lehrpersonen sei diese Phase anforderungsreich. Hinzu kommt, dass in der aktuellen Situation die ukrainischen Schulen Fernunterricht anbieten, damit die SuS die ukrainische Schule weiterhin besuchen können.

Einige von ihnen würden deshalb hier gar nicht ankommen wollen und können, weil sie sich stark auf die ukrainische Fernschule fokussieren. «Parallel müssen sie aber unsere Schule besuchen. Sie sind dadurch zeitlich überfordert und oft übermüdet», sagt Ruth Marxer. Viele Kinder sehen somit den Aufenthalt hier als zeitlich beschränkt und hoffen, schnellstmöglich wieder in die Ukraine zurückzukehren. So sei die Beschulung primär ein humanitärer Einsatz mit ­Zusatzbelastung für die Lehrpersonen, denn viele von ihnen mussten sich innert Kürze mit der Thematik auseinandersetzen, um sich auf die neue Situation einzustellen. Hinzu komme, so Marxer, dass einzelne Kinder aufgrund der Erlebnisse in ihrem Heimatland traumatisiert seien, und die ungewisse Situation belaste die betroffenen Kinder und ihre ­Familien. Diese Umstände erschweren es den Schülerinnen und Schülern, sich rasch zu integrieren sowie ihr uneingeschränktes Potenzial im Unterricht zu zeigen.

Lob an die Lehrpersonen

«Generell gilt es den Schulen und den Lehrpersonen ein grosses Lob ­auszusprechen», sagt die Leiterin der Dienststelle. Die Integration von fremdsprachigen Kindern in die Klassen gehöre zwar zum Aufgabenbereich der Schule, sei aber mit einem Zusatzaufwand verbunden. Es sei wichtig, den Schulen Ressourcen wie zusätzliche Lektionen Deutsch als Zweitsprache zur Verfügung zu stellen. Wobei die Umsetzung aktuell gar nicht so einfach sei, da für diese Lektionen zuerst adäquat ausgebildete Lehrpersonen gefunden werden mussten, die diese Lektionen erteilen können.

Gemäss aktuellen Zahlen sind derzeit 127 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine eingeschult, wobei den Löwenanteil die Stadt Schaffhausen sowie Neuhausen tragen.

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