Maturandin über US-Todestrakt: «Es ist ein Leben, an das man sich nie gewöhnt»

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Für ihre Maturaarbeit führte Moira Cotti Umfragen mit Schwerverbrechern durch. Bild: Melanie Duchene

Oft warten zum Tode verurteilte Häftlinge in den USA jahrelang auf den Tag ihrer Hinrichtung. Wie Insassen diese Zeit bewältigen, untersuchte Moira Cotti in ihrer Maturaarbeit.

von Liv Ira Weltzien

Etliche Menschen erlangten im Lockdown erstmals das Bewusstsein dafür, was es bedeutet, in ihrer Freiheit eingeschränkt zu werden. Maturandin Moira Cotti verleitete es dazu, sich stärker mit dem Leben in ­Gefängnissen auseinanderzusetzen. Durch die Organisation «connectdeathrow» startete sie überdies Briefwechsel mit Häftlingen, die in US-amerikanischen Todestrakten auf ihre Exekution warten. Es folgte der Entschluss, sich in einer Maturaarbeit im Fachbereich Englisch dem Leben im ­Todestrakt zu widmen. «Vor allem den mentalen Aspekt wollte ich genauer untersuchen, denn es ist unvorstellbar schlimm, wenn du nebst physischem teilweise nicht einmal mehr psychischen Kontakt haben kannst», sagt Cotti.

Zur Person

Alter: 18 Jahre

Wohnort: Schaffhausen

Nach der Matura: Jurastudium an der Universität Zürich

Titel der Maturaarbeit: «Psychological Development of a Prisoner on Death Row in the U.S.A.»

Fachbereich: Englisch

In einem Mix aus Fakten, Wissenschaft und persönlichen Erlebnissen von Inhaftierten beschrieb Cotti schlussendlich die psychische Entwicklung von Häftlingen in Todestrakten in den USA von der Ankunft bis hin zur Exekution. «Autonomie und Kontakt zu anderen werden einem einfach genommen. Es ist ein Leben, an das man sich nie gewöhnt», sagt Cotti. Um Aufschluss über ihre Leitfrage, ob selbstbestimmte Strukturen Häftlingen im Todestrakt helfen können, zu erlangen, interviewte die Maturandin einen erfahrenen Schweizer Gefängnispsychiater und führte mit Hilfe von «connectdeathrow» Umfragen mit sechs zum Tode Verurteilten durch. Ihre Erkenntnisse: «Der Todestrakt ist in seinem ganzen Konstrukt ein extrem resilienzfeindlicher Ort. Alle Komponenten, die das psychische Immunsystem stärken, sind dort nicht gegeben.» Das Einzige, was die Häftlinge machen könnten, um ihre Resilienz zu stärken, wäre, sich diese selbstbestimmten Strukturen zu geben.

Distanz wahren

Trotz zusätzlicher Herausforderung schrieb Cotti ihre Maturaarbeit in einer Fremdsprache. «Zentraler Beweggrund, die Arbeit auf Englisch zu schreiben war, den Häftlingen etwas zurückzugeben und ihnen zu zeigen, zu was sie beitragen konnten», ­erklärt Cotti. Das positive Feedback, welches sie von ihnen erhalten hat, sei besonders schön gewesen. Dennoch sei es speziell, mit einer Person zu schreiben, von der man wisse, dass sie exekutiert werde. «Ich glaube, da ist es wichtig, eine gewisse Distanz zu wahren, was aufgrund der Tatsache, dass die Person sehr viel von sich preisgibt, aber nicht einfach ist», sagt die Maturandin und fügt an: «Man muss es nicht schönreden. Wer dort ist, hat schwerste Verbrechen ­begangen. Trotzdem gelten immer noch Menschenrechte. In den Todestrakten wird dir das Menschsein jedoch genommen.»

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