Blattkritik aus der Mittelstufe: Spannende Porträts, aber zu wenig Witze

Alexander Vitolić | 
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Die Köpfe hinter der Zeitung sind diesmal die Schüler der Klasse 5a/b von Simon Achermann im Schulhaus Breite. Bild: Alexander Vitolić

Die fünfte Klasse von Simon Achermann im Schulhaus Breite hat sich vor den Sportferien eine besondere Aufgabe gestellt: Zwei Wochen lang die «Schaffhauser Nachrichten» lesen und sich überlegen, wie ein Beitrag in der Zeitung zustande kommt.

Die 10-Uhr-Pause vor dem Schulhaus Breite geht gerade zu Ende, noch hellen die Stimmen der sich fröhlich durcheinander tummelnden Kinder den grauen Vormittag auf. Die Pausenaufsicht, eine Lehrerin in gelber Weste, lotst den Besuch von der Zeitung zur zuständigen Lehrperson.

Simon Achermann hat seit eines gesundheitsbedingten Ausfalls gleich anderthalb fünfte Klassen unter sich. Das sind im Moment 31 Schülerinnen und Schüler. Der 39-jährige Hobby-Langstrecken­läufer stellt sich der unerwar­teten He­rausforderung mit Spontaneität und ansteckender Begeisterung: So kommt auch dieser Termin erst am Vortag zustande. Worum es geht: Seine Schülerinnen und Schüler haben sich in den vergangenen Wochen der Zeitungslektüre gewidmet. Dabei standen die «Schaffhauser Nachrichten» ganz oben auf der Liste. Und zwar in Papierform.

«Die Ausgangsfrage war: Welche Themen interessieren die Klasse?», erzählt Achermann. «Wir haben uns auch eine Dokumentation zur Entstehung einer Zeitung angeschaut. Und die Kinder haben geübt, wie man ein Interview führt.» Zum Abschluss des Projekts, das sich über vier Wochen hinzog, darf der Schreibende an diesem Morgen Stellung beziehen und Fragen beantworten.

Die Kinderschar erweist sich als motivierte und interessierte Leserschaft, die das Auslaufen des projektbezogenen Schnupperabos mit Wehmut kommentiert. Was ihnen am meisten fehlt: Die letzte Seite mit dem Comic, den kuriosen Fakten und den Rätseln – und der Sportteil. Viele der Akteure auf diesen Seiten sind ihnen selbst um mehrere Ecken bekannt. Da lässt sich als Redaktor gut einhaken. Genau das ist es, was eine Berichterstattung aus der Region so spannend und wichtig macht. Dass die Leser wissen, worum es geht, wen und welche Orte es betrifft: «Die Zeitung bildet jene Wirklichkeit ab, in der auch ihr zu Hause seid.»

Porträts und Stimmungsberichte erfreuten sich ebenso grosser Beliebtheit, eine Schülerin hat es bei einem Anlass sogar mit Bild in die Zeitung geschafft, wie sie stolz erklärt. Die Seite aus der Zeitung ist an eine der Tafeln geheftet. «In die Zeitung zu kommen, ist schliesslich etwas Besonderes», sagt auch der Leh­rer, das sei allen Kindern schnell bewusst geworden.

«Wie entscheiden Sie, wer in die Zeitung kommt?», lautet die nächste Frage. «Wir beobachten, was in der Region passiert, suchen die Menschen, die etwas bewegen und damit zu tun haben. Und manchmal finden wir eine Geschichte, von der wir erfahren, einfach schön und erzählenswert», versucht der Redaktor zusammenzufassen.

Eine gute Mischung finden

Leider aber mischen sich auch immer wieder viele traurige Nachrichten in die Zeitung. Das liegt schlicht daran, dass Verbrechen, Todesfälle und Unfälle gemeldet werden, andere – so auch gute Neuigkeiten – oft nicht. Da ist es die Aufgabe einer Redaktion, ein Gleichgewicht zu finden.

Aufmerksam gelesen werden auch die Todesanzeigen («Man überlegt sich, wie alt ein Mensch geworden ist, und was er wohl alles erlebt hat.») und der «Chnopf der Woche». Da kommt es dann auch zu einem, leider völlig berechtigten, Korrekturhinweis eines Schülers: Das Gewicht eines Neugeborenen wurde da kürzlich mit mehr als 3500 Kilogramm angegeben statt mit Gramm. Ein offensichtlicher Dreher, der in der Klasse für grosse Erheiterung sorgte.

Die Zeit mit den jungen Lesern vergeht wie im Flug. Besonders in der Fragerunde zeigen sie investigatives Gespür: «Wie lange brauchen Sie durchschnittlich für einen Artikel?» (Elisa) «Was war das Spannendste, über das sie geschrieben haben?» (Matilda) «Braucht man als Redaktor immer eine Internetverbindung?» (Ejub) «Wie lange dauert es, ein Interview in einen Artikel umzuwandeln?» (Emely) Es ist ein bisschen wie bei einem Vorstellungsgespräch. Céline fragt: «Was mögen Sie an Ihrem Job?» Das ist leicht: «Dass ich mit den verschiedensten Leuten ins Gespräch komme und spannende Dinge erfahre.»

Dann darf auch der Schreibende eine Frage stellen: «Was würdet ihr euch in der Zeitung wünschen?» Die Antwort kommt unisono: «Eine Witzeseite!»

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