Der geschenkte Gaul und der Blick ins Maul

Martin Edlin | 
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Johann Jakob Schalchs Gemälde «Pferd mit Reiter» ist eine Schenkung von H. von Waldkirch (Neuhausen) ans Museum zu Allerheiligen. Bilder: Museum zu Allerheiligen/ SIK-ISEA, Philipp Hitz

Rund die Hälfte der Kunstwerke im Besitz des Museums zu Allerheiligen sind von diesem nicht käuflich erworben worden, sondern stellen Schenkungen und Dauerleihgaben dar.

«Der Druck ist gross, Sammlungen entgegenzunehmen», stellt Katharina Epprecht, Direktorin des Museums zu Allerheiligen, fest und gibt damit zu, dass Schenkungen und Dauerleihgaben von Kunstobjekten, ja ganzer Sammlungen an die Museen, auch in Schaffhausen, nicht nur dankbare Freude, sondern ebenso Probleme ins Haus bringen. «Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul», sagt zwar der Volksmund, aber der prüfende Blick vor Entgegennahme des Geschenks gehört zur Verantwortung der Museumsverantwortlichen. Die Frage, ob man jedes Geschenk annehmen müsse, mag zwar vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Ausstellung «Kunst in Trümmern» etwas frivol klingen: Es werden ja rund achtzig Kunstwerke gezeigt, die nach der Bombardierung Schaffhausens 1944 im Rahmen einer Kulturspende von Gemeinden, Kantonen und Privaten aus der ganzen Schweiz dem schwer getroffenen Schaffhauser Museum geschenkt wurden. «Aber das war etwas ganz anderes, nämlich Solidarität aus Betroffenheit», hält Andreas Rüfenacht, Kurator Kunst, fest, und zählt deshalb diese Werke zum Bestandteil von Museums-Geschichte und -Identität.

Wachsendes Schenkungs-Angebot

Dennoch oder vielleicht gerade deshalb: Es stellen sich aktuelle Fragen, denn Schenkungen und Dauerleihgaben nehmen zu, was am wachsenden Kulturbewusstsein, an der Ausdehnung des Bereichs von Sammelwürdigem und am steigenden Wohlstand liegen mag. So ist das Angebot grösser als die Nachfrage seitens der Museen. Wie damit umgehen? Müssen sie nicht nur alles entgegennehmen, sondern sogar «ewig» behalten? Nein, sagte Roger Fayet, promovierter Kunsthistoriker, von 2003 bis 2010 Direktor des Museums zu Allerheiligen und heute Direktor des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaften, als er am Donnerstagabend im Museums-Vortragssaal vor dichten Reihen eines hoch interessierten Publikums für ein Dem-Gaul-ins-Maul- schauen plädierte. Denn Geschenke verpflichten den Beschenkten, nicht nur was teuren Raum, allenfalls Restaurierung und Dokumentation anbelangt, sondern auch fachlich («Sammelwürdigkeit» eines Objektes und «Passung» in die Ausrichtung des Hauses) und ethisch, wenn man etwa an die dem Berner Kunstmuseum vermachte Gurlitt-Sammlung mit der Problematik der Raubkunst denkt. Sich wieder von geschenkten Exponaten trennen, sei grundsätzlich und bei Befolgung klarer Regeln kein Sakrileg, ist Fayet der dezidierten Meinung. Und er kann es an Beispielen wie der Auflösung der Sammlung des Zürcher Mäzens Werner Coninx, an der er als Stiftungsrat beteiligt ist, erläutern. Aufteilen einer Kunstsammlung und einzelne Segmente an Häuser passender Ausrichtung geben, ist ein Weg.

Neues wird immer schneller alt

Eine andere Überlegung von Roger Fayet: «Ein Objekt, das in einer Sammlung wenig Bedeutung besitzt, kann anderenorts bedeutend werden», was zum Beispiel für das Gemälde «Brand im Sabinergebirge» von August Weckesser gelten würde, das in «Allerheiligen»-Besitz ist (dort allerdings im Depot schlummert) und nicht der darum bittenden italienischen Gemeinde Camerata, dem Schauplatz des Brandes im Jahre 1862, übergeben wurde.

Die Beispiele führten zu Grundsätzlichem: Aussonderungen (was nicht gleichbedeutend ist mit «auf den Müll werfen», aber Rückführung in privaten Besitz mit einschliesst) schaffen Platz für Entwicklungen, denen sich Museen zu stellen haben, zumal in einer Zeit, da «Neues immer schneller alt wird» (Fayet). Donatoren sollten das Vertrauen aufbringen, dass das beschenkte Museum «es schon richtig macht», wozu eben auch eine Veräusserung gehört.

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