Als «die Bestie vom Schwarzwald» auch in Schaffhausen zuschlug

Ralph Denzel | 
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Heinrich Pommerenke gilt bis heute als einer der gefährlichsten und brutalsten Triebtäter der deutschen Nachkriegszeit. Bild: Screenshot Youtube

Heinrich Pommerenke gilt als einer der brutalsten Triebtäter der deutschen Nachkriegsgeschichte. So ermordete er 1959 vier Frauen - und war auch in Schaffhausen aktiv.

«Die Bestie vom Schwarzwald», «das Scheusal», «das Monster in Menschengestalt» – die Presse, auch die Schaffhauser Nachrichten, hielten sich nicht zurück mit Namen für den Sexualstraftäter Heinrich Pommerenke, der in den späten 50er-Jahren sein Unwesen trieb und mindestens 65 Frauen überfallen, beraubt und vergewaltigt hat, vier davon sogar tötete. «Vor Ihnen sitzt kein Mensch, sondern der Teufel», sagte er 1960 in einem Prozess selbst über sich. Die Anklageschrift, die bei seiner Verhandlung vor dem Schwurgericht in Freiburg verlesen wird, umfasste ganze 139 Seiten.

Am Ende stand eine Freiheitsstrafe von sechs Mal lebenslänglich und weiteren zeitlichen Strafen von insgesamt 140 Jahren Zuchthaus. Die «Bestie vom Schwarzwald» war auch in der Region kein Unbekannter – und verübte auch hier schreckliche Taten.

Früh auffällig

Heinrich Pommerenke wurde am 6. Juli 1937 im mecklenburgischen Bentwisch bei Rostock geboren. Sein Vater war ein Hafenarbeiter, der jedoch im Zweiten Weltkrieg fiel. Seine alleinerziehende Mutter verlies ihn und seine jüngere Schwester früh, da sie eine neue Liebe in der Schweiz fand. Fortan wuchs Pommerenke bei seiner Grossmutter auf. Auffällig wurde er schon früh: Bereits in der Schulzeit soll es zu ersten Vergewaltigungen durch ihn gekommen sein.

Mit 17 wurde er das erste Mal geschnappt, nachdem er ein 10-Jähriges Mädchen zu vergewaltigen versucht hatte. In der DDR drohte ihm daraufhin eine empfindliche Gefängnisstrafe, weswegen er in den Westen floh. Dort kam es zu einer ersten, folgenschweren Nachlässigkeit der Polizei: Als sie den verwahrlosten Pommerenke aufschnappten, erzählte er ihnen wahrheitsgemäss, warum er in den Westen geflohen war. Die Polizei glaubte ihm – tat die Straftat aber als «jugendlichen Leichtsinn» ab. Pommerenke gab zudem an, er wolle zu seiner Mutter nach Zürich ziehen. Die Polizei lies ihn gewähren, ohne weitere Untersuchungen.

Der Weg nach Schaffhausen

1955 kam er dann in Zürich an und lebte fortan bei seiner Mutter, zusammen mit seiner Schwester, die ebenfalls in die Schweiz gezogen war. In Zürich angekommen, suchte er sich Arbeit und fand diese in Schaffhausen bei einem Schausteller. Vier Wochen dauerte es, bis er wieder auffällig wird. Hinter einem Auto-Scooter vergriff er sich an einem Kind. Er wurde gefasst und vor das Kantonsgericht gestellt. In den Schaffhauser Nachrichten findet dieses Ereignis kaum statt: So findet man im August 1955 nur in einem Nebensatz «Aus dem Gericht» den Vermerkt, dass ein 18-jähriger wegen Unzucht an einem Kind zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden sei. Das Kantonsgericht verurteilte ihn wegen einer Vergewaltigung zu einer Strafe von vierzig Tagen Haft. Zusätzlich wurde er ausgewiesen und durfte die Schweiz zehn Jahre nicht mehr betreten. Ein Problem: Die Schaffhauser Behörden geben das Urteil nicht an die deutschen Kollegen weiter und diese fordern es nicht an – das bedeutet, dass er in Deutschland seine grausigen Taten weitertreiben kann.

Heute wird das immer noch so gehandhabt, sagt Ralph Heydecker vom Kantonsgericht. «Ein Urteil aus der Schweiz kommt bei uns in den sogenannten Strafregisterauszug. Diesen leiten wir nicht automatisch weiter, ausser er wird angefordert.» Wird ein Ausländer straffällig und wird infolge dessen aus dem Land gewiesen, gebe es einen Vermerk in einem internationalen Register. So war es damals noch nicht: Da die deutschen Behörden, ob aus Unwissenheit oder Unwille, dies nicht taten, blieb Pommerenkes Vergangenheit im Dunklen. 

Heydecker ist sich sicher: Sowas wie damals wäre heute nicht vorgekommen.

Pommerenke wird zum Mörder

Lange beging Heinrich Pommerenke «nur» Überfälle und versuchte Frauen zu vergewaltigen. Im Jahr 1959 änderte sich dies jedoch. Nach einem Kinobesuch entschied er sich, einen Schritt weiterzugehen und mordete das erste Mal. Es kamen viele weitere Taten,  wie Einbruch, Mordversuch, Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung und Diebstahl dazu. Als er 1960 endlich geschnappt wurde, standen auf seinem Konto 65 Straftaten, darunter auch vier Morde und sieben Mordversuche.

In der Region mordete er nicht. 1959 reiste Pommerenke in der Nähe von Schaffhausen illegal in die Schweiz ein, wo er von Zöllnern an der Grenze aufgegriffen und nach Singen gebracht wurde. Die «Schaffhauser Nachrichten» schrieben, als später all seine Gräueltaten ans Licht gekommen waren, im Oktober 1960 über dieses Ereignis: «Wiederum griffen die Schweizer Behörden energisch zu und stellten Pommerenke zum zweiten Mal an die Grenze bei Singen.» Dort kam es kurz darauf zu einer weiteren, grausigen Tat: Er versuchte dort am 27. Mai 1959 ein weiteres «Sittlichkeitsverbrechen» an einem jungen 15-jährigen Mädchen zu begehen. So drang Pommerenke in ihr Schlafzimmer ein und versuchte, sie zu erwürgen um sich danach an ihr zu vergehen. «Durch ihre Hilferufe lies Pommerenke jedoch von seinem scheusslichen Vorhaben ab und floh durch das offene Fenster, durch das er auch eingedrungen war», so die Schaffhauser Nachrichten damals.

Das Urteil vor dem Freiburger Schwurgericht lautete: Insgesamt sechs mal lebenslänglich und 156 Jahre Zuchthaus. Pommerenke kam bis zu seinem Tod im Jahr 2008 nie wieder auf freien Fuss. Die Schaffhauser Nachrichten kommentierten das Urteil damals wie folgt:

«Hinter dem Hilfsarbeiter Heinrich Pommerenke schliessen sich die neun Zuchthaustore in Bruchsal für immer. Den Rest seines vom Blut besudelten Lebens wird der grösste Sexualverbrecher der Nachkriegszeit hinter Gittern verbringen, ohne jemals auch nur hoffen zu können, wieder auf freien Fuss gesetzt zu werden (…) Genau wird wohl niemand ergründen können, was hinter diesen eiskalten Augen, der hohen Stirn, den kantigen, aber nicht aussergewöhnlichen Zügen dieses Triebverbrechers vorging, wenn er sich auf eines seiner Opfer warf, es erwürgte oder kaltblütig erstach und sich dann in viehischer Weise an der Leiche verging.»

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