Als vor 34 Jahren in Schaffhausen der Kampf gegen McDonald's wütete

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Bei der Eröffnung am 29. Juni 1991 standen die Schaffhauserinnen und Schaffhauser vor der McDonald's-Filiale Schlange. Bild: Eric + Bruno Bührer / SHN Archiv

In Herblingen soll eine neue McDonald's Filiale entstehen. Vor 34 Jahren wehrte man sich aber mit Händen und Füssen gegen das 20. McDonald's-Restaurant der Schweiz, welches in der Stadt Schaffhausen entstehen sollte.

von Daniel Zinser

Um 12 Uhr am 29. Juni 1991 standen die Schaffhauserinnen und Schaffhauser vor der ehemaligen Migrosfiliale in einer meterlangen Schlange. Der Fastfood-Riese McDonald’s hat wenige Stunden zuvor sein 20. Restaurant in der Schweiz eröffnet. Alles erinnerte ein bisschen an die einstige Eröffnung des alten Migros-Marktes oder an die erste Rolltreppe im «Schwanen», die damals, vor Jahrzehnten, eingeweiht wurde. So stand es zumindest am nächsten Morgen in der Zeitung. Das Interesse am Fastfood-Riesen liess auch in den nächsten Tagen nicht nach, wie sich der damalige Geschäftsführer Dieter Amsler erinnert: «Wir waren mit den ersten Monaten sehr zufrieden.» Das neue und unbekannte Angebot hätte die Schaffhauser interessiert.

Starker Gegenwind von Jugendlichen

Bevor die McDonald's-Filiale an der Vorstadt 1991 aber eröffnet wurde, gab es in Schaffhausen unerwartet grossen Widerstand. Gegner des Fastfood-Riesen ärgerten sich über die umweltschädliche Wegwerfverpackung der Hamburger und befürchteten eine verschmutzte Vorstadt. Angeführt wurde der Widerstand von der Gruppe «Flower Power», Jugendliche, die sich von der «Humanistischen Partei» abgespaltet hatten. Zusammen mit EVP-Grossstadtrat Ruedi Flubacher starteten sie einen ersten Angriff gegen die aus Amerika stammende Restaurantkette. In einer Interpellation wurde der Stadtrat angefragt, ob er sich angesichts der Bemühungen um die Beseitigung der Abfallberge nicht hintergangen fühle, wenn sich nun eine Firma niederlasse, «die Abfall en masse produziert». Der Stadtrat sollte nach Meinung des Interpellanten die Firma zudem darauf aufmerksam machen, dass sich «ein Hamburger auf einem Teller geschmacklich nicht von jenem unterscheidet, der in Styropor eingesargt serviert wird». Zudem fragte Flubacher nach Möglichkeiten von Auflagen, damit die McDonalds-Produkte ohne unsinnige Verpackung verkauft werden.

«Ich glaube nicht, das McDonald’s so flexibel ist, Hamburger auf Tellern zu servieren»

Christoph Schule in der SN vom 5. Juni 1990

Wenige Wochen später gingen die McDonalds-Gegner auf die Strasse und sammelten Unterschriften. 1356 Unterschriften für eine kantonale Volksinitiative «Für ein abfallarmes Gastgewerbe». Die Initiative forderte, eine Patentserteilung nur noch dann zu erlauben, «wenn im Gastwirtschaftsbetrieb zur Abgabe von Speisen und Getränken zur Hauptsache wiederverwertbare Behältnisse benutzt werden.» Beim Namen nennen durfte die Initiative McDonald’s aus juristischen Gründen nicht. Das damit aber vor allem der Einzug der Hamburgerkette verhindert werden sollte, war in Schaffhausen allen klar. «Ich glaube nicht, das McDonald’s so flexibel ist, Hamburger auf Tellern zu servieren», äusserte sich Christoph Schule, einer der beiden Initianten der «Gruppe Power Flower» gegenüber den Schaffhauser Nachrichten damals siegessicher.

Breite Unterstützung für die Initianten

Unterstützung fanden die Initianten bei zahlreichen Schaffhauser Politikern und Schaffhauser Gastronomen. Mit Paul Blank war damals sogar der Präsident des Kantonalen Wirteverbandes im Initiativkomitee vertreten. «Die Wirte hatten damals wahrscheinlich mehr Angst vor der Konkurrenz als Probleme mit dem Plastikgeschirr», erklärt der bis zu seiner Pension bei McDonald’s angestellte Dieter Amsler. Zu guter Letzt erhielten die Initianten auch noch Rückendeckung durch den Regierungsrat, der die Vorlage vor der Volksabstimmung befürwortete.

McDonald's-Werbung aus den Jahr 1990.

Zahlreiche Leserbriefe zeigten die Aufregung der Stimmbevölkerung, welche diese Abstimmungsvorlage mit sich brachte. Das eher ungesunde Essen, das McDonald’s damals und auch heute noch anbietet, war mit ein Grund für viele positiven Stimmen zur Initiative. «Wer möchte denn unsere gute europäische Esskultur gegen das «Schnell-Futter» des «American way of life» eintauschen?» und «Gibt es nicht schon genug übergewichtige Kinder? Wir müssen diesen neuen Modetrends kritischer gegenüberstehen, es darf nicht nur der Profit zählen!» sind nur zwei der Aussagen aus der Leserschaft.

Deutliche Abfuhr an der Urne

Am Abstimmungssonntag vom 9. Juli 1990 kam es dann aber ganz anders. Rund ein Jahr vor Eröffnung der Fastfood-Filiale wurde die Initiative «Für ein abfallarmes Gastgewerbe» mit 10970 Ja- gegen 20026 Nein-Stimmen überraschend deutlich abgelehnt. Die Mehrheit der Stimmberechtigten hat sich laut der Berichterstattung der Schaffhauser Nachrichten keineswegs gegen ein «abfallarmes Gewerbe» gerichtet, sondern sich vielmehr von einem willkürlichen, punktuellen und unverhältnismässigen Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit klar distanziert.

Wir haben uns in den ersten Jahren einen guten Ruf erarbeitet.

Dieter Amsler, ehemaliger Geschäftsführer McDonald's Schaffhausen

Das Abstimmungsergebnis war für alle McDonalds-Fans natürlich eine Erleichterung. Auch Dieter Amsler erinnert sich gut daran zurück: «Die deutliche Absage an der Urne hat den Gegnern natürlich den Wind aus den Segeln genommen, danach war nicht mehr viel Wiederstand zu spüren». So konnte die McDonald’s-Filiale an der Vorstadt rund ein Jahr danach eröffnet werden. Die ganze Diskussion um das Abfallproblem hatte trotz der Ablehnung der Initiative ihren Einfluss. Täglich schickte Dieter Amsler in den ersten sechs Monaten zwei Mitarbeiter auf die Strasse. «Gut sichtbar mit der McDonalds-Uniform sammelten sie im Umkreis von 500 Metern den Müll zusammen», erzählt der ehemalige Geschäftsführer. Die Aktion sei sehr gut angekommen bei der Stadtbevölkerung. Auch sonst habe man viel für den guten Ruf des McDonalds in Schaffhausen getan, erinnert sich Amsler zurück, habe zahlreiche Vereine unterstützt, Kunstaustellungen veranstaltet und immer wieder Schnupperlehrlinge angestellt. «So haben wir uns in den ersten Jahren einen guten Ruf erarbeitet» Den McDonald’s in Schaffhausen gibt es heute noch, wie auch die fortwährende Diskussion um den ungesunden Fastfood und Probleme mit zu viel Abfall. Mit der Filiale an der Vorstadt bringt das in Schaffhausen aber niemand mehr in Verbindung.

Der Anfang von McDonald's in der Schweiz

Das schnelle und fettige Essen des gelben Fastfood-Riesen McDonald's startete seinen Siegeszug in der Schweiz Mitte der 70er Jahre. In Genf wurde das allererste Restaurant eröffnet, drei Jahre später öffnete eine zweite Schweizer Filiale in Basel ihre Türen. Mittlerweile ist McDonald's in der Schweiz grossflächig verbreitet und grösstenteils akzeptiert. Als 1981 in Zürich die ersten Hamburger am Stauffacher über den Tresen gingen, war bei den Zürchern vor allem der Appetit auf Krawall gross. Der damalige Gemeinderat und spätere Bundesrat Moritz Leuenberger (SP) war schon damals nicht auf den Mund gefallen und hielt mit seiner Kritik nicht hinter dem Berg. Fastfood war seiner Meinung nach ein «kulinarischer Affront für jeden halbwegs kultivierten Mitteleuropäer».

Ein Jahr nachdem die Kette ihren Betrieb in Zürich aufgenommen hatte, wurde die Filiale in Brand gesteckt. Kosten: Zwei Millionen Franken. Konsequenzen: Mehrmonatige Schliessung des Betriebs. Dennoch werden die 90er für McDonald's in der Schweiz ein goldenes Zeitalter - die Fastfood-Kette kann stark expandieren. Mittlerweile gibt es hierzulande 166 McDonald's-Restaurants - und die Schweizer haben bereits über 210 Millionen Big Macs verdrückt. (lex)

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